Hallo,
verwirrend war die Frage überhaupt nicht. Eher ist die Thematik verwirrend. Die Antwort ist daher etwas komplexer. Ich hoffe, die Antwort ist nicht zu verwirrend.
Rudel:
Der Begriff des Rudels tauchte erstmals im 17. Jahrhundert bei Jägern auf, die damit den Zusammenschluss einer größeren Anzahl (mehr als zwei) von bestimmten, wild lebenden Säugetierarten meinten. Damals wurde der Begriff Herde für größere Tiergruppen verwendet. Diese Differenzierung findet man heute nicht mehr. Vielmehr werden diese Begriffe heute eher vermischt. Bei bestimmten Tierarten wird der Begriff Rudel traditionsgemäß (alte Jagdtradition) verwendet. Die Aufstellung im Folgenden zeigt, dass damit keine Unterscheidung in Pflanzen- und Fleischfresser möglich ist. Zu den rudelbildenden Wildarten gehören:
• Elchwild
• Rotwild, Damwild, Sikawild,
• Muffelwild, Gamswild, Steinwild
• Wolf, Seehund
• Löwen bilden als einzige Katzenart Rudel
Bei Schwarzwild (Wildschweinen) wird ein Rudel in der Jägersprache als Rotte, bei Rehwild als „Sprung“ bezeichnet.
Herde:
Als Herde bezeichnet man in der Zoologie eigentlich eine Ansammlung von großen Säugetieren. Allerdings gibt es auch hier wiederum Ausnahmen, denn auch Gruppen von flugunfähigen Vögeln werden in der Regel als Herden bezeichnet (z.B. Straußenherde). Zudem finden sich bei großen Herden häufig sogenannte gemischte Herden, d.h. Herden, die sich beispielsweise aus Zebras, Gnus und Straußen zusammensetzen. Dieses normale Herdenverhalten versucht man heute ja auch in Zoos mit entsprechender artgerechter Vermischung abzubilden.
Eine Herde ist ein weitgehend koordinierter Sozialverband. Die Bezeichnung Herde sagt nichts über die Gruppengröße und kann wenige Individuen oder auch einige tausend Tiere umfassen. Zu großen Herden schließen sich zumeist kleinere Gruppen zusammen, die enger zusammen bleiben wie z. B. viele Paarhufer.
Eine Herde kann entweder aus einem anonymen Sozialverband bestehen, in dem sich die Individuen nicht kennen oder aber aus einem sogenannten individualisierten Sozialverband, bei dem die Tiere miteinander vertraut sind. Bei kleineren Herden kann es sein, dass diese locker organisiert sind und kein Tier eine Führungsfunktion hat, wie z. B. bei männlichen Hirschen außerhalb der Paarungszeit. Jedoch können auch Herden in der Form organisiert sein, dass ein Tier eine Führungsposition übernimmt. Dies ist z. B. bei Pferden der Fall. Letztlich ist das Herdenverhalten von Tieren abhängig von vielen Faktoren, wie zum Beispiel der Verfügbarkeit von Nahrung oder dem artspezifischen Fortpflanzungsverhalten.
Letztlich ist der Begriff der Herde vergleichbar mit dem Schwarmverhalten bei Insekten, Fischen und Vögeln, dem Rudel bei Landraubtieren wie z. B. dem Wolf und der Schule bei Meeressäugetieren, wie z. B. bei den Delfinen oder anderen Walen.
In der neueren zoologischen als auch verhaltensbiologischen Literatur werden auch Anglizismen verwendet, wie z. B. Clan (der Familienverband) und Pack (Rudel).
Schwarm:
Ein Schwarm ist das, was man bei Säugetieren und flugunfähigen Vögeln – wie den Sträußen – als Herde bezeichnet. In der Regel handelt es sich um Fische oder Vögel. Man könnte letztlich auch von Fischherden sprechen, was jedoch eher ungewöhnlich ist, da der Begriff des Schwarms noch zusätzlich ein Sozialverhalten in der Gruppe dieser Tiere zum Ausdruck bringt. Entsprechend spricht man auch vom Schwarmverhalten. Dabei meint dieser Begriff das Verhalten von Fischen, Vögeln, Insekten (z.B. der Heuschreckenschwarm) und anderen Tieren, sich zu Aggregationen, also zu sehr dichten Gruppen, von Individuen – meist gleicher Art und Größe – zusammenzuschließen. Meistens bewegen sich die sehr eng zusammen befindlichen Tiere gemeinsam in eine Richtung. In seltenen Fällen können sich jedoch auch Mischschwärme aus Tieren unterschiedlicher Arten und Größe bilden. Vorteile der Schwarmbildung ergeben sich bei der Nahrungssuche und im Schutz vor möglichen Fressfeinden, z. B. durch kollektive Wachsamkeit (allerdings auch der Nachteil, dass bei großen Schwärmen Fressfeinde erst durch die Größe des Schwarms auf mögliche Opfer aufmerksam gemacht werden). Typische Schwarmtiere sind beispielsweise Heringe, Stare und Wanderheuschrecken. Man vermutet spezielle neurologische Fähigkeiten (Vorhandensein sog. Spiegelneurone im Gehirn) bei diesen Tieren, die das synchrone Verhalten in der Gruppe erst ermöglichen.
Staat:
Außer dem bekannten Beispiel der Ameisen gibt es noch zahlreiche weitere Tierarten, die in Staaten zusammen leben. Hier wird grundsätzlich nicht von einer Herde gesprochen, da der Begriff des Staates viel mehr umfasst als nur die reine Tiergruppe. Im Gegensatz zum Schwarm werden im Staat hierarchische Strukturen erkennbar (daher ist der Begriff Staat auch gut gewählt). Eng mit dem Begriff der Staatenbildung im Tierreich ist der Begriff der eusozialen Tiere verbunden. Der Begriff Eusozialität (von griechisch ευ gleich „gut“ und lateinisch socialis gleich „kameradschaftlich“) ist die Bezeichnung für das Verhalten der Staatenbildung im Tierreich. Diese Staatenbildung ist besonders auffällig bei Hautflüglern, z. B. bei Ameisen, Honigbienen, Feldwespen und den sogenannten „Echten Wespen“, kommt aber auch bei anderen sozialen Insekten wie den Termiten, bei anderen Arthropoden (Gliederfüßer wie Spinnen, Tausendfüßer, Skorpione, Krebse u.ä.) und selbst bei wenigen Garnelenarten vor. Eindeutig eusoziale Säugetiere sind die Nacktmullen (sich in Sand grabende kleine Nagetiere). Auch wenn keine biologische Sterilität von Gruppenmitgliedern vorliegt, paaren sich meist nur die Alpha-Tiere unter den Männchen und Weibchen.
Für echte Eusozialität müssen vier Bedingungen erfüllt sein. Dies sind
• kooperative Brutpflege durch mehrere Tiere
• gemeinsame Nahrungsbeschaffung und auch -verteilung
• Teilung des Verbandes in fruchtbare und unfruchtbare Tiere
• Zusammenleben mehrerer Generationen
Ist nur die erste Bedingung erfüllt, spricht man von einer quasi-sozialen Art, ist nur die letzte nicht erfüllt, handelt es sich um eine semi-soziale Art. Die Übergänge können aber fließend sein. Eusozialität umfasst eine strenge Rangordnung, die Aufgaben wie Begattung, Brutpflege, Bau, Feindabwehr und Führung für einzelne Gruppen festschreibt.
Eusozialität bedingt ein hohes Maß an Altruismus (Altruismus meint eine Verhaltensweise, die einem Individuum mehr Kosten als Nutzen einbringt zugunsten eines anderen Individuums) und ist daher aufschlussreich für Fragen der Populationsgenetik.
Schule:
Delfine sind generell sehr soziale Tiere, so dass sie in Gruppen zusammenleben. Diese sog. Schulen können sich an Stellen mit viel Nahrung vorübergehend zu Ansammlungen von über 1000 Tieren zusammenschließen. Die einzelnen Delfine verständigen sich mit Klicklauten, Pfeifen, Schnattern und anderen Geräuschen, aber auch mit Körperkontakt untereinander. Die Mitgliedschaft in den Gruppen ist nicht sehr fest. Daher finden – im Gegensatz zu Herden und Rudeln - häufig Wechsel zwischen einzelnen Schulen statt. Dennoch können die Tiere starke Bindungen untereinander entwickeln, was sich besonders in der Unterstützung für verletzte oder kranke Artgenossen äußert.
Abschließend muss man sagen, dass alle Begriffe sehr eng miteinander verwandt sind und oft überlappend oder sogar synonym verwendet werden (v.a. der Begriff der Herde wird häufig an Stelle der übrigen Begriffe verwendet und ist dann in der Regel auch nicht falsch). Die übrigen Begriffe haben sich überwiegend im Verlauf der Geschichte entwickelt (vieles aus dem Sprachgebrauch der Jäger Rudel, Rotte etc.]). Lediglich der Begriff des Staates ist sehr eng begrenzt auf jene Tierarten (z.B. Ameisen und Bienen), die eine mehr oder weniger ausgeprägte staatliche Organisation mit hierarchischen Strukturen aufweisen, sowie der Begriff des Schwarms der gleichzeitig das Schwarmverhalten mit abdeckt.
Ich hoffe, dass ich damit ein bisschen weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
A. B.