Ursachen folgender Charakterzüge / Angewohnheiten

Hallo,

wissen würde ich gern die Ursachen (Kindheit, Entwicklungsphase) folgender Angewohnheiten:

  • automatische starke Identifikation mit Anderen, wenn diese eine schwere Last zu tragen haben, und Verantwortung (mit-)tragen wollen, auch sich verantwortlich für Gruppenprobleme fühlen

  • sich von ambivalentem Verhalten einwickeln lassen

  • sich unsicher fühlen, fremdsteuern lassen

Hallo!

wissen würde ich gern die Ursachen (Kindheit,
Entwicklungsphase) folgender Angewohnheiten:

Das stellst du dir vielleicht ein bißchen zu leicht vor …
Es kann hier keine klaren 1-zu-1-Verknüpfung dieser Angewohnheiten mit „Ursachen“ geben.

Ich verstehe bei meiner Antwort diese „Angewohnheiten“ als tiefsitzende und stabile Charakter- bzw. Persönlichkeitseigenschaften, denn sonst wäre gar keine Antwort sinnvoll.

Ich assoziiere also einmal wie folgt ein bißchen herum:

automatische starke Identifikation mit Anderen, wenn diese
eine schwere Last zu tragen haben, und Verantwortung
(mit-)tragen wollen, auch sich verantwortlich für
Gruppenprobleme fühlen

Generell muss für die Fähigkeit zur Identifikation und für das Übernehmen von Verantwortung eine eher unproblematische Kindheitsentwicklung durchlaufen worden sein. Es braucht ein gut entwickeltes Ich, die Fähigkeit zur zeitweisen Aufgabe von Autonomität, die Fähigkeit zur Loyalität usw. Diese letzteren Dinge werden erst so etwa nach dem 3. Lebensjahr erworben.

„Automatisch“ klingt natürlich irgendwie Ich-schwach, hängt aber wohl davon ab, was du damit überhaupt meinst.
Es gibt natürlich auch (von der Ich-Struktur her gut entwickelte) depressiv akzentuierte Menschen, die stets irgendwo mithelfen müssen, um sich so zu stabilisieren. Das wäre ein „automatisches Helfen“.

sich von ambivalentem Verhalten einwickeln lassen

Was meinst du mit „einwickeln“?

Wenn die Fähigkeit, mit Ambivalenz umgehen zu können, allgemein schlecht entwickelt ist, dann würde ich zuerst auf Probleme in der frühen Mutter-Kind-Beziehung (

Aber das nur en passant, weil mir dein Punkt hier nicht klar ist.

sich unsicher fühlen, fremdsteuern lassen


„unsicher“ kann sich in Bezug auf sein Auftreten in der Gesellschaft beziehen … dann ist das sehr unspezifisch - da kann alles mögliche dahinter stehen.

„unsicher“ kann auch eine generelle Unsicherheit und Misstrauen gegenüber der Welt, den Mitmenschen und dem eigenen Selbstbild bedeuten. Das tritt in dieser krassen Form v.a. bei sehr frühen Störungen der Kindheitsentwicklung (

Hallo,

dank Dir. So etwas in de Art meinte ich, keine abschließende Aufklärung. Genauer wüßte ich gern noch (vielleicht hast Du einen Literaturtipp oder noch ein, zwei Stichworte), was Du mit

  • „Fähigkeit zur zeitweisen Aufgabe von Autonomität“
  • (von der Ich-Struktur her gut entwickelte depressiv akzentuierte Menschen

„Was meinst du mit „einwickeln“?“

Ja, das Aushalten von Ambivalenz meine ich, und ob Ursache auch ambivalentes Verhalten der Eltern ist (es gibt doch auch einen unsicher-ambivalenten Bindungsstil, oder? Werhat noch die Bindungsstile beschrieben?)

Zur Unsicherheit: Ich meine diese generelle Unsicherheit und das Sich fremdsteuern lassen (eher als das Gefühl, fremdgesteuert zu sein), also die Suggestibilität.

Viele Grüße, Igeline

oder noch ein, zwei Stichworte), was Du
mit

  • „Fähigkeit zur zeitweisen Aufgabe von Autonomität“

Aus psychoanalytischer Sicht nimmt man an, dass irgendwann so um 2 Jahre herum eine besonders wichtige Autonomiephase erfolgt. Die Entwicklungsaufgabe für das Kind in dieser Phase ist es, zu lernen, autonom zu werden gegenüber der primären Bezugsperson ohne dabei ständig Angst zu haben, sie deshalb gänzlich zu verlieren.

Diese Entwicklungsaufgabe läuft schief
a) wenn das Kind die symbiotische Beziehung zur Mutter bzw. die Abhängigkeit von ihr nicht aufgeben kann (nicht einmal in der Phantasie)
oder
b) wenn das Kind das schon aufgeben kann, aber nur um den Preis wahnsinniger Verlustängste, die evtl. dann dadurch gemildert werden, indem das Kind übermäßig autonom wird, seine Abhängigkeit von anderen generell verleugnet.

Darum sprach ich von der Fähigkeit zur „temporären (nicht generellen und übermäßigen) Aufgabe seiner Autonomie“ bei der guten Einbindung in die Gruppe.

  • (von der Ich-Struktur her gut entwickelte depressiv
    akzentuierte Menschen

Diese „gut entwickelten depressiv akzentuierten Menschen*“, die mir hier vorschweben, sind ganz nett und für jeden gut lesbar beschrieben in diesem alten Klassiker vom Fritze Riemann, Grundformen der Angst, den du vielleicht kennst.

* so eine gestelzte Formel deshalb, weil es Depressivität auf jedem Strukturniveau (=~ Entwicklungsstand) gibt, ich hier aber einen bestimmten Typ mit hohem Strukturniveau meine, d.h. einen, der eine recht unproblematische Kindheitsentwicklung durchlaufen hat.

Ja, das Aushalten von Ambivalenz meine ich, und ob Ursache
auch ambivalentes Verhalten der Eltern ist
(es gibt doch auch
einen unsicher-ambivalenten Bindungsstil, oder? Werhat noch
die Bindungsstile beschrieben?)

Mary Ainsworth

Wobei ich darauf hinweisen möchte, dass das „Aushalten von Ambivalenz“ (d.h. z.B. das Ertragenkönnen, dass ein und dieselbe Person füttert und schimpft) etwas anderes meint als eine „unsicher-ambivalente Bindung“, die darauf beruht, dass das Kind sich der Verlässlichkeit der primären Bezugsperson nicht sicher ist, darauf aber auch nicht mit eigenem Desinteresse an ihr reagiert, sondern seine Nähewünsche und Verlassenheitsängste ständig austarieren muss.

Das sind zwei unterschiedliche „Ambivalenzen“, auch vom Entwicklungszeitpunkt her.
Die erste ist quasi eine „gute“ Ambivalenz, die einen Fortschritt in der Entwicklung anzeigt; die zweite eine „schlechte“ Ambivalenz, die entwicklungsbehindernd ist.

Gruß
F.

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Hallo,

auf die ambivalente Bindung bezogen frage ich auch, weil Menschen mit Borderline-Störung ja sehr ambivalent sind und ihr Partner bspw. viel „aushalten“ muss, aber auch viel „mitmacht“ (meistens,). Macht das jemand auch mit, der Ambivalenz sehr gut („normal“) aushält?

Danke nochmal

Macht das jemand auch mit, der
Ambivalenz sehr gut („normal“) aushält?

Eine Zeit lang :wink: .
Wenn er Therapeut ist, evtl. etwas länger.
Es grüßt dich
Branden

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