'vater unser' ägyptischen ursprungs?

hallo miteinander

gibt es hier irgendwelche ägypten-kundige welche das ganze gebet an osiris-amon kennen, welches folgendermassen anfängt: ‘Amon, Amon, Amon, who art in heaven…… und mit ‘Amon, Amon, Amon aufhört?

wäre auch sehr dankbar für links zu diesem gebet und anderen aussagen von jesus, welche ägyptischen ursprungs zu sein könnten.

liebe grüssli
coco

Hallo Coco,

das spezielle „Gebet“ kenne ich jetzt nicht, eine dreimalige Anrufung käme mir auch seltsam vor. Tatsache ist, dass recht viele Stelen etc. mit „Amun, Herr des Himmels, Gott der Götter“ etc. anfangen.
Adaptionen aus dem Ägyptischen sind im Christentum keine Seltenheit, was auch nicht weiter verwunderlich ist vor dem Hintergrund, dass die ersten Christen als Eremiten in Ägypten lebten und sich von dort das Mönchswesen ausgebreitet hat. Die Mariendarstellungen (erst recht mit Jesus) haben durchaus Anleihen von Isis und Harpokrates, gerade die apokryphen Evangelien mit der Kindheitsgeschichte Jesu haben viele Schnittpunkte mit frühen Isis/Horus Geschichten. Und wenn man sie den einen oder anderen Psalm durchliest, findet man durchaus lustige Parallelen mit ägyptischen Hymnen.
Nun nochmal zum Vater Unser:
Die Grundidee „im Himmel“ ist nicht neu.

„Dein Reich komme“ - kenne ich so nicht aus dem äg.,

„Dein Wille geschehe wie im himmel so auf erden“ - naja, göttlich halt.

„Unser tägliches Brot gib uns heute“ - das ist ein Fruchtbarkeitsgedanke a la Du bist Hapi, der die Felder grünen läßt.

„und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“ - das ist doch mal ne Aussage! Kein „Herz wird gegen Maat gewogen“, Vergebung ist mal ein neues Motiv. Hier wird nicht nach dem Pharao gerufen und auch nicht groß erzählt, wie toll man war oder welche Sünden man nicht begangen hat, sondern zugegeben, dass man was gemacht hat und um Vergebung gebeten.

„und führe und nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“ - auch ein Aspekt, den man ägyptischen Göttern nicht unbedingt zutraut, durch den Polytheismus ist immer mal wieder ein Störenfried dabei.

„Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit - in Ewigkeit“ - im äg. „Dessen Herrschaft bis an die Grenzen des Himmels geht, Leben, heil und Gesundheit in Ewigkeit“

Was heißt das jetzt? Es gibt viele Berührungspunkte, die aber schon allein daher kommen, dass das Gebet nicht allzu weit (weder zeitlich noch räumlich) von der Entstehung der äg. Gebete entfernt ist und daher schon deshalb ähnlich sein musste, um die Lebenswelt der Menschen zu treffen. Zumal viele Sätze generell für Gottesanrufungen gelten, egal in welcher Religion. Aber es sind halt auch Ansätze dabei, die ich zumindest ohne Quellenlektüre jetzt nicht aus dem äg. kenne…

Hoffe, ich habe nicht allzu viel Unsinn verzapft :smile:
Christian

Hallo!
Anstatt an ägyptische Quellen würde ich eher an aramäische und/oder mesopotamische Reminiszenzen denken. Schließlich gab es da die Götter Baal (aramäisch) und Marduk (babylonisch), die von ihren Eigenschaften her sehr an den biblischen Jahwe/El denken lassen. Abgesehen davon, dass Jahwe/El einen Alleinvertretungsanspruch verkörpert…
Wenn also Baal (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ugaritische_Religion) mit vielen Attributen ausgestattet wird (und in einem Artikel - den ich leider momentan nicht zur Hand hab - stand auch, dass er auf ähnliche Art und Weise angerufen wurde), wie sie auch Jahwe/El zugeschrieben werden, liegt es doch nahe, dass auch das „Vater unser“ - das nach Meinung vieler Bibelexegeten genau so - nur auf aramäisch - von Jesus an seine Jünger weiter gegeben wurde - in Anlehnung an eines der alten jüdischen Gebete formuliert wurde. Diese Gebete stehen in der Tradition der alten aramäischen und mesopotamischen Religionen - violá!
Warum Jesus solche alten Gebete wieder aufbereitet haben soll? Meine Erklärung: Er musste doch eine Form wählen, die seinen Jüngern auch was sagte. Also eine Form, die sie schon kannten. Also eine alte, überlieferte Form. Das Neue daran waren ein paar Aspekte, die so noch nie vorher formuliert worden waren und seinen Jüngern - wie gesagt, mit den herkömmlichen jüdischen Gebeten vertraut - sofort auffallen mussten.

Nun nochmal zum Vater Unser:
Die Grundidee „im Himmel“ ist nicht neu.

„Dein Reich komme“ - kenne ich so nicht aus dem äg.,

Aber Baal (und der nach seinem Beispiel entwickelte Marduk) stieg als Fruchtbarkeitsgott regelmässig auf die Erde nieder - sonst konnte ja nix wachsen.

„Dein Wille geschehe wie im himmel so auf erden“ - naja,
göttlich halt.

s.o.

„Unser tägliches Brot gib uns heute“ - das ist ein
Fruchtbarkeitsgedanke a la Du bist Hapi, der die Felder grünen
läßt.

s.o.

„und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern
Schuldigern“ - das ist doch mal ne Aussage! Kein „Herz wird
gegen Maat gewogen“, Vergebung ist mal ein neues Motiv. Hier
wird nicht nach dem Pharao gerufen und auch nicht groß
erzählt, wie toll man war oder welche Sünden man nicht
begangen hat, sondern zugegeben, dass man was gemacht hat und
um Vergebung gebeten.

Anderer Aspekt: Der Satz meint, dass Gott uns unsere Schuld vergibt, und nach seinem Beispiel sollten auch wir unseren Mitmenschen vergeben. Will heissen: Wenn wir schon Gott darum bitten, dass uns alles vergeben wird, um wieviel mehr sollten dann auch wir unseren Mitmenschen alles vergeben…Stichwort der Splitter im Auge das Andern und der Balken im eigenen Auge…
Da haben wir übrigens einen solchen Aspekt, der völlig neu war. Ich kenn mich im Einzelnen mit der jüdischen Religion, insbesondere z.Zt. Jesu, nicht gut genug aus, um sagen zu können, was an den anderen Passagen des Vater unser im Vergleich zu anderen zeitgenössischen jüdischen Gebeten wirklich neu war, ein Fachmann dürfte aber einiges finden. Is da jemand bei www dabei?!?

„und führe und nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem
Bösen“ - auch ein Aspekt, den man ägyptischen Göttern nicht
unbedingt zutraut, durch den Polytheismus ist immer mal wieder
ein Störenfried dabei.

Und - glaub ich zumindest - ein Teil eines älteren jüdischen Gebets, der als Abgrenzung zu den anderen polytheistischen Religionen des Alten Orients gedacht war, die ja als wankelmütig und nicht verlässlich dargestellt wurden.

Alles in allem: Keine einfache Geschichte, die Sache mit dem „wo kommt eigentlich das Christentum her?“

VG
Christian

Is mir grad noch eingefallen:

„Dein Reich komme“ - kenne ich so nicht aus dem äg.,

Aber Baal (und der nach seinem Beispiel entwickelte Marduk)
stieg als Fruchtbarkeitsgott regelmässig auf die Erde nieder -
sonst konnte ja nix wachsen.

Abgesehen von ägyptischen und mesopotamischen Fruchtbarkeitsgöttern, die regelmässig auf die Erde kamen bzw. darum gebeten wurden - da gab´s ja auch noch die Geschichte mit dem Messias, der kommen sollte, wegen Weltenende und so…in Jesu Gebet war natürlich dieses Ereignis gemeint!

Noch´n Gedanke: Impliziert wird mit dieser Passage des Vater unser natürlich auch angesprochen, dass sich die Jünger Jesu (bzw. die Christen als deren Erben und Nachfolger) nicht zu sehr auf diesseitige Vorsorge beschränken sollten, denn sie bitten ja tagtäglich um des Ende der Welt…

Vg
Christian

Hallo,

danke für Deine Ergänzungen - ich hatte die anderen Vorgängerreligionen bewusst
weggelassen und einfach nur auf mögliche „ägyptische Anleihen“ geguckt. Ich gebe
Dir natürlich Recht, dass da nicht der alleinige Ursprung - wenn überhaupt - zu
suchen ist.

Warum Jesus solche alten Gebete wieder aufbereitet haben soll?
Meine Erklärung: Er musste doch eine Form wählen, die seinen
Jüngern auch was sagte. Also eine Form, die sie schon kannten.

Das habe ich ja ähnlich auch schon geschrieben und gehe völlig konform damit. Es
hat keinen Sinn, etwas neu zu erfinden, was keiner versteht - ein wenig weg vom
Thema, aber als Ptolemaios I. den Sarapis-Kult in Ägypten eingeführt hat, hat er
sich auch alter Bilder bedient.

„und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern
Schuldigern“ - das ist doch mal ne Aussage! Kein „Herz wird
gegen Maat gewogen“, Vergebung ist mal ein neues Motiv. Hier

(…)

Da haben wir übrigens einen solchen Aspekt, der völlig neu
war. Ich kenn mich im Einzelnen mit der jüdischen Religion,

Ja, wir sind uns einig :smile:

Vergleich zu anderen zeitgenössischen jüdischen Gebeten
wirklich neu war, ein Fachmann dürfte aber einiges finden. Is
da jemand bei www dabei?!?

Elimelech, Datafox, Iris (Nick vergessen)?

Gruß
Christian

hi christian

danke erstmal für die antwort!

das mit dem dreimaligen anrufen habe ich jetzt schon mehrfach gelesen, vielleicht hat aber nur einer dem anderen abgeschrieben?

ich habe ebenfalls folgende dinge gelesen, welche ich selbst leider nicht verifizieren/falsifizieren kann:

„come to me all you who are burdened and i will refresh you“
diese passage stammt anscheinend von einem isistempel.

„…unless a grain of wheat falls to the ground and dies, it remains only a single seed, but if it dies, it produces many seeds“
dieses bild soll von osiris stammen.

„in my fathers house are many mansions“
soll vom book of the dead kommen.

weiters soll auch die auferweckung von toten eher aus dem ägyptischen raum kommen, da im judentum der umgang mit toten körpern verpönt war.

meinst du jetzt, dass die ersten christen im ägyptischen raum die geschichten nach ihrem gutdünken zurechtgerückt haben, oder eher, dass jesus einen ägyptischen background hatte?

danke vielmals und liebe grüssli
coco

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo,

ich habe ebenfalls folgende dinge gelesen, welche ich selbst
leider nicht verifizieren/falsifizieren kann:

„come to me all you who are burdened and i will refresh you“
diese passage stammt anscheinend von einem isistempel.

Hier spiegelt sich wider, dass auch die Ägypter an ein Leben nach dem Tod geglaubt haben

„…unless a grain of wheat falls to the ground and dies, it
remains only a single seed, but if it dies, it produces many
seeds“
dieses bild soll von osiris stammen.

Ich kenne diese Passage nicht aus dem Äg., wobei ich damit nicht sage, dass es sie nicht gibt - aber es gibt ja doch ne Menge Texte, die auf uns gekommen sind :smile: Zumindest waren die Ägypter Ackerbauern, die „Weisheit“ ist für eine landwirtschaftlich geprägte Region also nicht verwunderlich. Ich persönlich würde jetzt spontan erstmal anzweifeln, dass die Ägypter es in dem Sinne gebraucht haben wie die Christen, aber ohne nähere Quellenangabe und Lektüre des Originaltextes lehne ich mich da nicht weiter aus dem Fenster.

„in my fathers house are many mansions“
soll vom book of the dead kommen.

Mag sein

weiters soll auch die auferweckung von toten eher aus dem
ägyptischen raum kommen, da im judentum der umgang mit toten
körpern verpönt war.

Was den Umgang mit Toten im Judentum betrifft kann ich nicht viel sagen, aber wenn mich nicht alle meine Sinne täuschen wurde doch auch Jesus nach seinem Tod gewaschen und gesalbt. Die Ägypter waren natürlich ein besonderes Beispiel was das Leben im Jenseits angeht, daher ja auch Mumifizierung, Grabbeigaben, Texte in Gräbern, Särgen, Mumienbinden etc. Und da ist der Gedanke auch von Anfang der Überlieferung an bezeugt, also ziemlich alt.

Wie man aber sieht, wenn Deine Quellen alle „stimmen“: sie stammen aus vielen verschiedenen Texten und nicht aus „dem einen“ Gebet. Das geht auch in ähnliche Richtung wie der Hinweis meines Namensvetters, sicherlich gab es nicht nur ägyptische Wurzeln und sicherlich auch nicht nur eine.

meinst du jetzt, dass die ersten christen im ägyptischen raum
die geschichten nach ihrem gutdünken zurechtgerückt haben,
oder eher, dass jesus einen ägyptischen background hatte?

Sowohl als auch. Jesus hat ja einig Zeit als Kind in Ägypten gelebt, nach der Flucht vor den Truppen des Herodes. Da ist er natürlich auch mit den äg. Riten in Berührung gekommen. Aber auch später wird er immer wieder darauf gestoßen sein, was an den geschichtlichen Ereignissen dieser Zeit liegt.

Ein kurser Exkurs, falls Du (oder jemand anderes :smile:) es nicht genau einordnen kann: Ägypten war „gerade erst“ (seit 31 v. Chr) römische Provinz geworden, vorher waren die Perser und die Makedonen (Griechen) da, unter letzteren gab es eine Art Klassizismus der alten Traditionen. Durch die Verbindung Caesars und Marc Antons mit Kleopatra (VII.) kannte man in Rom das „sagenhafte“ Land am Nil, außerdem erlebte die griechische Kultur eine wahre Blüte - und damit über Griechenland auch Ägypten. Besonders wurde das deutlich in der Verbreitung des Isis und Sarapis-Kultes im gesamten Mittelmeerraum. Sarapis wurde von Ptolemaios (I., Sohn des Lagos) „eingeführt“ als eine Art Allgott mit griechischem Aussehen und äg. Namen, der schnell über die Landesgrenzen hinaus besondere Verehrung genoss. Und zwar im ganzen Reich, das unter Augustus ja ordentlich gewachsen war, so bildete sich einerseits der Sarapis-Kult schnell aus, andererseits auch die Anerkennung des „Divi Filius“ Augustus, der zumindest in der östlichen Reichshälfte sehr Nahe an der Göttlichkeit war. Quintessenz: das äg. Gedankengut breitete sich in der Mittelmeerwelt aus.

Das war natürlich eine gute Grundlage, auf der man aufbauen konnte. Und als dann auch noch die Christen in Ägypten als Eremiten lebten, kamen sie direkt mit der alten Kultur in Berührung (wobei man sich nicht der Illusion hingeben darf, dass das Ägypten zur Zeit der Kopten nocht sehr viel mit dem ursprünglich pharaonischen Land zu tun hatte).

So long
Christian