Engelsturz und Teufel: Historisches
Dann erkläre mir doch mal, wie die Idee des Engelsturzes in
die Welt kam. Schließlich muß Milton mit seinem „Paradise
lost“ eine fundierte Quelle gehabt haben.
Natürlich hatte er. Schließlich ist die Vorstellung vom Sturz der Engel ein gängiger Topos der europäischen Literatur seit seiner Enstehungszeit in der hebräischen (apokryphen) Legenden- und Apokalypsen-Literatur des 3.-2. Jhdts v.u.Z. Nur existiere sie halt in der Abfassungszeit des Hiob (200-300 Jahre vorher) noch nicht. Dazu schrieb ich oben unter „Gottessöhne“ etwas. Genaueres findest du im FAQ:1518 [Kleine Geschichte des Teufels].
Ergänzend dazu: Die Hauptquellen sind
Das Buch „Daniel“
Das Buch der „Weisheit“
„Das Leben Adams und Evas“ (hier mit einer zu Tränen rührenden Geschichte, die Satan selbst erzählt)
Die „Schatzhöhle“, sowie
Das „Testament Adams“ und schließlich vor allem
Das Buch „Henoch“ (die äthiopische Version).
Diese Texte wurden zur Entsehungszeit des Neuen Testamentes fleißig gelesen, so daß es nicht wundert, daß diese Ideen ebendort aufgegriffen wurden (z.B. in Off. 12.7-10).
Die (auf die Erde) gestürzte himmlische Gestalt war ein Wesen namens Sammael (siehe FAQ:1518), zunächst ebensowenig ein „Engel“ (hebr. mal’ak) wie Satanail-Satan. In der Legenden- und Apokalypsen-Literatur wurde aber die gesamte israelitische (und allgemein-semitische) Dämonologie wie Kraut und Rüben durcheinander gemischt. Die urspünglichen babylonischen Gottessöhne waren die mit Göttern identifizierten Sterne. Lichtgestalten also. Das war offenbar in der mündlichen Mythenüberlieferung noch bekannt.
Von diesen Lichtgestalten wurden nun in der benannten Literatur einige als eifersüchtig auf den Menschen dargestellt: Sie weigerten sich, diesen zu verehren. Dafür gings ab auf die Erde (oder in die Unterwelt). Das ist eine der Umdeutungen der Schöpfungs- und auch der Eden-Geschichte, die in dieser Zeit kursierten. Die beteffende Gestalt wurde dann schließlich sogar mit Satan identifiziert, der von der Figur, wie sie noch im Hiob auftritt (Verhandlungspartner und Beauftragter Gottes), zu einem Gegenspieler Gottes umgedeutet wurde.
Zeitgleich wurde die Passage aus 1.Mose 6.2-4 aufgegriffen: Die Göttersöhne ließen sich durch die Schönheit menschlicher Frauen verführen (unfaßlich - tz) und machten Sex mit ihnen, wodurch sie selbst auf die Erde „fielen“ und ihre Göttlichkeit verloren. Es ist nicht ganz falsch, darin den kulturgeschichtlichen Ursprung der Identifizierung „Sex=Sünde“ zu sehen, der für die europäische Geschichte so fatal wurde.
Das, zusammen mit der bei Lukas 10.18 falsch wiedergegebenen Passage des Jesaja 14.12 (siehe FAQ:1518) führte zu der Identifizierung des gefallenen „Engels“ (der nie einer war) mit dem römischen Lichtgott Luciferus.
Die Erzengel (archangeloi) gehörten auch in der hier genannten Literaturepoche zu den untersten Kategorien der Engel (Das „Testament Adams“ nennt 9 Kategorien, die das Vorbild später für Pseudo-Dionysius Areopagita waren, siehe unten). Von denen gab es eine nicht genannte Vielzahl, die hebräische Literatur erwähnt sieben, und vier davon haben (interpretierbare) Namen: Gabriel, Michael, Rafael, Uriel (dieser nur im Henoch erwähnt). Satan zählt keineswegs dazu.
Die ganze Legendenbildung um den „Engelsturz“ gehört also nicht zum alttestamentlichen Kanon.
Zu deinen „Emanationen“ hat Rolf bereits etwas gesagt. Dieser Begriff stammt aus der gnostischen, besser aus der neuplatonischen Philosophie (explizit bei Plotin). Dieser Begriff lief der christlichen creatio ex nihilo vollkommen verquer, dennoch griff ein unbekannter Autor namens (Pseudo-)Dionysos Areopagita ihn auf zur Erklärung seiner 3x3-stufigen Engelshierarchie (die niederen Stufen „emanieren“ aus den höheren, eine völlig überflüssige Konstruktion). Das ist aber dann zu dem oben Erwähnten nochmal wieder ca. 700 Jahre später!
Die obersten Stufen bilden die Seraphen und Keruben, die unterste die Erzengel und Engel. Die in der Legendenliteratur erwähnten „gefallenen“ Wesen standen aber noch über den Seraphen.
Was nun die Fliegenklatsche angeht: Deine „vier Söhne Gottes“ („Wahrheit, Bewußtsein, Liebe und Licht“) gab es nicht, und zur Zeit der Hiobgeschichte schon gar nicht.
zufrieden?
Gruß
Metapher