Verehrte Hilde, gern beantworte ich Ihre Fragen.
Sehr geehrter Herr Sondermann,
herzlichen Dank für Ihre wirklich sehr ausführliche und
erschöpfende Antwort.Bei meiner Frage ging es tatsächlich um Okkultismus, Schwarze
Messen, Geisterbeschwörungen, etc.Habe aus meinem Bekanntenkreis in letzter Zeit einige
Geschichten in diesem Zusammenhang gehört, die mich neugierig
gemacht haben. Andererseits bin ich aber sehr skeptisch. Daher
auch meine Frage. Gäbe es in der Bibel ein explizites Verbot,
wäre dies meines Erachtens ein indirekter „Beweis“ dafür, dass
solche Dinge tatsächlich funktionieren, sonst müßte man sie ja
nicht eigens verbieten.Ich bin Katholikin, aber wahrscheinlich keine besonders gute
im Sinne der Amtskirche und bibelfest bin ich erst recht
nicht, obwohl ich ab und zu tatsächlich in der Bibel lese.Bitte erlauben Sie mir noch einige Nachfragen:
1.)
Ist der Gott des alten Testaments, also der Gott der Juden,
der gleiche Gott, wie Gottvater, also der Vater von Jesus
Christus? Antwort: Ja! Jesus war bekennender Jude. Dem Judentum verdankt das Christentum den Eingottglauben (Monotheismus), darüberhinaus auch Sittlichkeitsforderungen, und die Messiaserwartung. Im Alten Bund galt Gott als ein Gott, der immer für den Menschen da war, da ist, und da sein wird, als Lebensbegleiter. Das kommt im Namen „Jahwe“ (Ich bin der, der allzeit für Euch da ist") gut zum Ausdruck.Mir ist der Zusammenhang von altem und neuem Testament nicht
so ganz klar.
So sehen Sie, dass das alte Testament den Nährboden bereitet hat für Jesus Christus, der nur auf dieser Grundlage seine Botschaft vom Reich Gottes hat verkünden können.
Wenn ich im alten Testament lese, stoße ich oft auf grausame
und schreckliche Geschichten. Nach meinem laienhaften
Verständnis weht im alten Testament nicht der Geist der
Nächstenliebe und der Güte. Aber das ist sicher
Interpretationssache.
Im alten Testament gibt es sehr viele soziale und ethische Forderungen, wie zum Beispiel beim Propheten Amos. Auf der anderen Seite finden sich auch „Schauergeschichten“, die Sie hier ansprechen.
Wie also ist umzugehen mit dem Alten Testament, mit der Bibel überhaupt? Für den Christen ist das Gottesbild Jesu normativ. Es ist ein Gott der Güte, Liebe und Milde. Jesus von Nazareth ist in seiner Person normativ, und nicht etwa die Schriften des alten und neuen Testaments. Soll heissen, und das überrascht Sie jetzt vielleicht, dass das Christentum genuin KEINE BUCHRELIGION ist, obschon sie eine Bibel hat, der eine besondere Stellung zukommt. Im Unterschied aber zu den großen Buchreligionen wie dem Judentum oder Islam, findet der Mensch nicht vom Schriftwort aus zu Gott, sondern Gott selbst hat sich in Jesus Christus unüberbietbar selbst mitgeteilt. Das Christentum hat also eine „deszendente“ Theologie (von oben nach unten), Judentum und Islam eine „aszendente“ Theologie (von unten nach oben). Daher kann der Christ auch sehr entspannt und wissenschaftlich die Schriften erforschen. Er muss stets am Gottesbild Jesu Maß nehmen, dass uns selbstverständlich im Neuen Testament überliefert ist. Es ist daher nicht legitim die Bibel aufzuschlagen, mit der Nadel in das Alte Testament zu stechen, und zu sagen, dass nun sei „Wort Gottes“ und unbedingt normativ. Das ist übrigens der Hauptirrtum mancher Sekten, wie der „Zeugen Jehovas“. Als Christ liest man die Bibel am besten von hinten nach vorne.
2.)
Was ist mit all den Menschen, die zeitlich vor der Kreuzigung
und Auferstehung Jesu verstorben sind?Wie erlangen diese das ewige Leben?
Sie konnten ja gar nicht an den christlichen Gott glauben,
weil sie ihn gar nicht kannten. Außerdem ist der Tod ja erst
mit der Auferstehung Jesu besiegt, d. h. das ewige Leben gibt
es erst seit der Auferstehung.
Da kann ich Sie beruhigen! Schon der Neandertaler wird in der Liebe Gottes seine ewige Heimat gefunden haben. Die Begriffe VOR Christus und NACH Christus setzen ja die Dimensionen von Raum und Zeit voraus, die es nur in der innerweltlichen Raumzeitlichkeit geben kann.In der Ewigkeit kann es keine Zeitlichkeit in unserem Sinn geben, das Zeitlichekit auch Leid einschließt durch die zeitliche Vergänglichkeit…
Außerhalb der Zeitlichkeit aber gibt es dann auch kein „vor“ und kein „nach“. Wie sollte Gottes Liebe auch gnadenlos an Menschen früherer Generationen vorübergehen? Und mit der Aussage, dass erst der Kreuzestod die Auferstehung der Toten verursacht hat, wäre ich mit Prof. Herbert Haag zusammen etwas vorsichtig.Gewiss wird hier die Auferweckung des Menschen unüberbietbar offenbart, die Bestimmung unseres Lebens deutlich, aber nicht verursacht. Der Glaube an die persönliche Auferweckung von Gott her beruht auf dem Glauben an die Liebe Gottes, der keinen Tod zulässt. So ist es ja auch bei uns Menschen, wir lassen den Tod eines geliebten Menschen nicht zu. Wo schon unsere Liebe nach Leben und Lebendigkeit strebt, wie sollte es da bei einem Gott der Liebe anders sein?
Hinzu kommt, dass Jesus selbst in der Auseinadersetzung über die Frage nach dem ewigen Leben zwischen Pharisäern und Sadduzäern im Neuen Testament bereits selbst sagt, dass Gott ein Gott des Lebens ist. Er hat bereits an das ewige Leben, und die lebenschaffende Liebe Gottes geglaubt. Und dieser Glaube war für ihn die Basis, auch in das menschlcih verursachte Marytrium zu gehen. Nichts konnte ihn trennen von der (lebenschaffenden) Liebe Gottes.
War gestern wieder mal in der Kirche im Gottesdienst. Dort
fiel ein Satz (ich glaube in der Predigt oder im Evangelium).
Wahrscheinich kennen Sie die Bibelstelle auswendig:Jesus sagt:
„Ihr seid meine Freunde, wenn Ihr tut, was ich Euch auftrage“Ich bin richtig erschrocken. Was bedeutet das? Ist Gottes
Liebe an Bedingungen geknüpft? Was ist, wenn ich nicht tue,
was mir Gott aufträgt? Komme ich dann in die Hölle?Andererseits heißt es ja auch oft, dass Gottes Gnade und Güte
unendlich sind und dass Gott immer verzeiht.
Dann müßte er ja auch verzeihen, wenn jemand nicht getan hat,
was Gott ihm aufgetragen hat, oder?
Selbstverständlich ist das so. Christus selbst spricht vom Zigtausendfachen Vergeben und Verzeihen.
Das ethisch moralische Handeln dient im Christentum nicht dazu, sich erst die Liebe und Gnade Gottes „erleisten“ zu müssen. Auch hier liegt ein bedeutender christlicher Aspekt. Das moralische Handeln ist nicht Voraussetzung der Liebe Gottes, sondern Folge! Im christlichen Handeln zeigt sich die dankbare Reaktion des Menschen für seine Erlösung von der Angst, durch Schwäche aus der Liebe Gottes herauszufallen!! Das ist christliche Erlösung. Interessant ist bei Jesus von Nazareth, dass er wohl im Hinblick auf das rechte christliche Leben den Akzent von der „Orthodoxie“ auf die „Orthopraxie“ verschiebt! Für ihn ist das christliche Handeln wichtiger als Menschen, die den ganzen Tag „Herr, Herr“ sagen, mit schiefem Kopf in die Kirche laufen, und doch diese geschenkte Liebe Gottes in der Welt nicht aufleuchten lassen, sondern eher noch verdunkeln.Es gibt eine authentische christliche Spiritualität gewiss auch außerhalb der Kirche…Ich hoffe Ihnen ein wenig geholfen zu haben, und grüße Sie! Stephan Sondermann
Fragen über Fragen…
Vielen Dank erstmal.
LG Hilde