Verbot der Kontaktaufnahme mit dem Jenseits

Verehrte Hilde, gern beantworte ich Ihre Fragen.

Sehr geehrter Herr Sondermann,

herzlichen Dank für Ihre wirklich sehr ausführliche und
erschöpfende Antwort.

Bei meiner Frage ging es tatsächlich um Okkultismus, Schwarze
Messen, Geisterbeschwörungen, etc.

Habe aus meinem Bekanntenkreis in letzter Zeit einige
Geschichten in diesem Zusammenhang gehört, die mich neugierig
gemacht haben. Andererseits bin ich aber sehr skeptisch. Daher
auch meine Frage. Gäbe es in der Bibel ein explizites Verbot,
wäre dies meines Erachtens ein indirekter „Beweis“ dafür, dass
solche Dinge tatsächlich funktionieren, sonst müßte man sie ja
nicht eigens verbieten.

Ich bin Katholikin, aber wahrscheinlich keine besonders gute
im Sinne der Amtskirche und bibelfest bin ich erst recht
nicht, obwohl ich ab und zu tatsächlich in der Bibel lese.

Bitte erlauben Sie mir noch einige Nachfragen:

1.)
Ist der Gott des alten Testaments, also der Gott der Juden,
der gleiche Gott, wie Gottvater, also der Vater von Jesus
Christus? Antwort: Ja! Jesus war bekennender Jude. Dem Judentum verdankt das Christentum den Eingottglauben (Monotheismus), darüberhinaus auch Sittlichkeitsforderungen, und die Messiaserwartung. Im Alten Bund galt Gott als ein Gott, der immer für den Menschen da war, da ist, und da sein wird, als Lebensbegleiter. Das kommt im Namen „Jahwe“ (Ich bin der, der allzeit für Euch da ist") gut zum Ausdruck.

Mir ist der Zusammenhang von altem und neuem Testament nicht
so ganz klar.
So sehen Sie, dass das alte Testament den Nährboden bereitet hat für Jesus Christus, der nur auf dieser Grundlage seine Botschaft vom Reich Gottes hat verkünden können.
Wenn ich im alten Testament lese, stoße ich oft auf grausame
und schreckliche Geschichten. Nach meinem laienhaften
Verständnis weht im alten Testament nicht der Geist der
Nächstenliebe und der Güte. Aber das ist sicher
Interpretationssache.
Im alten Testament gibt es sehr viele soziale und ethische Forderungen, wie zum Beispiel beim Propheten Amos. Auf der anderen Seite finden sich auch „Schauergeschichten“, die Sie hier ansprechen.

Wie also ist umzugehen mit dem Alten Testament, mit der Bibel überhaupt? Für den Christen ist das Gottesbild Jesu normativ. Es ist ein Gott der Güte, Liebe und Milde. Jesus von Nazareth ist in seiner Person normativ, und nicht etwa die Schriften des alten und neuen Testaments. Soll heissen, und das überrascht Sie jetzt vielleicht, dass das Christentum genuin KEINE BUCHRELIGION ist, obschon sie eine Bibel hat, der eine besondere Stellung zukommt. Im Unterschied aber zu den großen Buchreligionen wie dem Judentum oder Islam, findet der Mensch nicht vom Schriftwort aus zu Gott, sondern Gott selbst hat sich in Jesus Christus unüberbietbar selbst mitgeteilt. Das Christentum hat also eine „deszendente“ Theologie (von oben nach unten), Judentum und Islam eine „aszendente“ Theologie (von unten nach oben). Daher kann der Christ auch sehr entspannt und wissenschaftlich die Schriften erforschen. Er muss stets am Gottesbild Jesu Maß nehmen, dass uns selbstverständlich im Neuen Testament überliefert ist. Es ist daher nicht legitim die Bibel aufzuschlagen, mit der Nadel in das Alte Testament zu stechen, und zu sagen, dass nun sei „Wort Gottes“ und unbedingt normativ. Das ist übrigens der Hauptirrtum mancher Sekten, wie der „Zeugen Jehovas“. Als Christ liest man die Bibel am besten von hinten nach vorne.

2.)
Was ist mit all den Menschen, die zeitlich vor der Kreuzigung
und Auferstehung Jesu verstorben sind?

Wie erlangen diese das ewige Leben?

Sie konnten ja gar nicht an den christlichen Gott glauben,
weil sie ihn gar nicht kannten. Außerdem ist der Tod ja erst
mit der Auferstehung Jesu besiegt, d. h. das ewige Leben gibt
es erst seit der Auferstehung.
Da kann ich Sie beruhigen! Schon der Neandertaler wird in der Liebe Gottes seine ewige Heimat gefunden haben. Die Begriffe VOR Christus und NACH Christus setzen ja die Dimensionen von Raum und Zeit voraus, die es nur in der innerweltlichen Raumzeitlichkeit geben kann.In der Ewigkeit kann es keine Zeitlichkeit in unserem Sinn geben, das Zeitlichekit auch Leid einschließt durch die zeitliche Vergänglichkeit…

Außerhalb der Zeitlichkeit aber gibt es dann auch kein „vor“ und kein „nach“. Wie sollte Gottes Liebe auch gnadenlos an Menschen früherer Generationen vorübergehen? Und mit der Aussage, dass erst der Kreuzestod die Auferstehung der Toten verursacht hat, wäre ich mit Prof. Herbert Haag zusammen etwas vorsichtig.Gewiss wird hier die Auferweckung des Menschen unüberbietbar offenbart, die Bestimmung unseres Lebens deutlich, aber nicht verursacht. Der Glaube an die persönliche Auferweckung von Gott her beruht auf dem Glauben an die Liebe Gottes, der keinen Tod zulässt. So ist es ja auch bei uns Menschen, wir lassen den Tod eines geliebten Menschen nicht zu. Wo schon unsere Liebe nach Leben und Lebendigkeit strebt, wie sollte es da bei einem Gott der Liebe anders sein?
Hinzu kommt, dass Jesus selbst in der Auseinadersetzung über die Frage nach dem ewigen Leben zwischen Pharisäern und Sadduzäern im Neuen Testament bereits selbst sagt, dass Gott ein Gott des Lebens ist. Er hat bereits an das ewige Leben, und die lebenschaffende Liebe Gottes geglaubt. Und dieser Glaube war für ihn die Basis, auch in das menschlcih verursachte Marytrium zu gehen. Nichts konnte ihn trennen von der (lebenschaffenden) Liebe Gottes.

War gestern wieder mal in der Kirche im Gottesdienst. Dort
fiel ein Satz (ich glaube in der Predigt oder im Evangelium).
Wahrscheinich kennen Sie die Bibelstelle auswendig:

Jesus sagt:
„Ihr seid meine Freunde, wenn Ihr tut, was ich Euch auftrage“

Ich bin richtig erschrocken. Was bedeutet das? Ist Gottes
Liebe an Bedingungen geknüpft? Was ist, wenn ich nicht tue,
was mir Gott aufträgt? Komme ich dann in die Hölle?

Andererseits heißt es ja auch oft, dass Gottes Gnade und Güte
unendlich sind und dass Gott immer verzeiht.
Dann müßte er ja auch verzeihen, wenn jemand nicht getan hat,
was Gott ihm aufgetragen hat, oder?
Selbstverständlich ist das so. Christus selbst spricht vom Zigtausendfachen Vergeben und Verzeihen.

Das ethisch moralische Handeln dient im Christentum nicht dazu, sich erst die Liebe und Gnade Gottes „erleisten“ zu müssen. Auch hier liegt ein bedeutender christlicher Aspekt. Das moralische Handeln ist nicht Voraussetzung der Liebe Gottes, sondern Folge! Im christlichen Handeln zeigt sich die dankbare Reaktion des Menschen für seine Erlösung von der Angst, durch Schwäche aus der Liebe Gottes herauszufallen!! Das ist christliche Erlösung. Interessant ist bei Jesus von Nazareth, dass er wohl im Hinblick auf das rechte christliche Leben den Akzent von der „Orthodoxie“ auf die „Orthopraxie“ verschiebt! Für ihn ist das christliche Handeln wichtiger als Menschen, die den ganzen Tag „Herr, Herr“ sagen, mit schiefem Kopf in die Kirche laufen, und doch diese geschenkte Liebe Gottes in der Welt nicht aufleuchten lassen, sondern eher noch verdunkeln.Es gibt eine authentische christliche Spiritualität gewiss auch außerhalb der Kirche…Ich hoffe Ihnen ein wenig geholfen zu haben, und grüße Sie! Stephan Sondermann

Fragen über Fragen…

Vielen Dank erstmal.

LG Hilde

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Sehr geehrter Herr Sondermann,

erneut besten Dank.

Ich will Ihre Gedult nicht überstrapazieren, aber Sie bringen abstrakte und komplizierte Zusammenhänge sehr gut auf den Punkt. Herrlich! Wenn Gottesdienste auch so wären, wären die Kirchen überfüllt.

Daher noch eine letzte Frage:

Verhätnis Gut und Böse.

Ich habe mir das immer so zusammengereimt:

Da Gott allmächtig ist, hätte er verhindern können, dass sich Luzifer, der gefallene Engel, von Gott abwendet, samt der Engel, die sich Luzifer angeschlossen haben (Dämonen).

Gott hat es aber nicht verhindert, weil eine gewisse Polarität nötig ist. Der Mensch muss auch die Möglichkeit haben, sich dem Bösen zuzuwenden und dem Guten zu entsagen, wenn er dies will oder durch sein Verhalten bewirkt hat.

Wenn es das Böse nicht gäbe, käme ja jeder zwangsläufig zu Gott, egal wie böse er gehandelt hat. Massenmörder, Vergewaltiger, Sadisten, Kinderschänder, Betrüger und Diebe kämen dann ebenso zum Licht, wie die Ordensschwester oder der rechtschaffende Dorfpfarrer.

Wenn nun Gott aber immer und jedem verzeiht, dann macht diese Polarität von Gut und Böse aber keinen Sinn mehr.

Das ist so ähnlich, als würde man bei einem Examen zusammen mit den Aufgaben gleich die Lösungshinweise mit austeilen. Dann hätte jeder Teilnehmer die volle Punktzahl und beste Karrierechancen. Vor allem gäbe es niemanden, der bei dem Examen durchgefallen ist.

Diese Vorgehensweise wäre aber sinnlos, denn dann könnte sich die Spreu nicht vom Weizen trennen.

Verstehen Sie was ich meine?

Andererseits schreiben Sie aber, dass der Mensch sich Gottes Liebe nicht erst verdienen muss. Gott liebt also jeden, die Ordensschwester genauso, wie den Massenmörder.

Die Ordensschwester ist also nicht deshalb Ordensschwester, weil Sie „in den Himmel kommen will“, sondern weil sie Gottes Liebe und Heil erkannt hat, ist sie Ordensschwester geworden.

Ein guter Mensch zu sein, ist Folge und nicht Bedingung für Gottes Liebe.

Was ist dann die funktionale Bedeutung des Bösen?

LG Hilde

Verehrte Hilde,

in Ihrer Frage nach dem Verhältnis von Gut und Böse liegt zum Teil schon die Antwort, zum anderen Teil sprechen sie die der Polarität von Gut und Böse eine „Filterfunktion“ zu, die es so gewiss nicht gibt.
Um über Gut und Böse zu sprechen, benötigen wir die Engellehre nicht, denn was für die Engel gilt, gilt in Bezug auf die kreatürliche Freiheit auch für den Menschen.
Die Aussage, dass Gott alles Böse verhindern könnte (im Konjunktiv) kann man so nicht stehen lassen. Schon der bedeutende Theologe Karl Rahner sagte einmal, dass man von einer uneingeschränkten Allmacht Gottes nicht reden kann. Gott verzichtet in dem Augenblick, wo er einen freien Menschen schafft auf Macht. Also ging zwar ursprünglich alle Macht von Gott aus, ohne, dass er zu jedem Zeitpunkt allmächtig ist. Warum er das tut, liegt nah: die Würde des Menschen liegt in seiner kreatürlichen Freiheit begründet, ansonsten wäre er nur eine fremdbestimmte Marionette eines despotischen Gottes. Auch der Wert der menschlichen Entscheidungen hat hier seinen Ursprung.
Das Böse sollte daher eher als ein Mangel definiert werden, ein Mangel an Gutem, ein Mangel an Liebe. Insofern kommt dem Bösen keine eigene Seinsqualität zu, ist also auch so nicht von Gott geschaffen. Wenn Sie dem Bösen eine Funktion zusprechen wollen, dann würde ich dies mehr als philosophische Reflektion dahingehend betrachten, dass das Gute erst durch den Hintergrund, dass es auch das Böse und das Chaos „gibt“, erkennbar ist. Im Bild: ohne Dunkelheit kein Licht.
Die Botschaft von der grenzenlosen Güte und Liebe Gottes verbietet jedoch anzunehmen, dass Gott das Böse „geschaffen“ hat, oder zulässt, um den Menschen hiermit zu examinieren, zu prüfen. Ohne jetzt zu weit zu gehen, und alttestamentliche „Prüf-Gedanken“ im Hinblick auf das Leid anzustellen, müssen wir als Christen davon ausgehen, dass sich Gott gerade den Sündern liebevoll zuwendet. Gewiss kenenn Sie das Gleichnis vom verlorenen Sohn.
Jesus stellt sich vor die Ehebrecherin, damit sie nicht gesteinigt wird, und erinnert die „Rechtschaffenen“ an ihre eigenen Balken vor Augen. Gerade den „Sündern“ wendet sich dieser Jesus von Nazareth in besonderer Weise zu, was den Hass der allzu „Frommen“ seiner Tage auf sich gezogen hat. Was also mit den Betrügern, Dieben, etc unserer Tage?
Wir dürfen nach dem Gottesbild Jesu davon ausgehen, dass sie (salopp gesagt) eine zweite Chance bekommen. Sie werden ihr Fehlverhalten einsehen, und angesichts der erfahrenen Liebe Gottes gewiss auch unter ihrer eigenen Lieblosigkeit leiden. Aber sie werden gewiss die Chance erhalten sich zu korrigieren. Uns als Menschen steht es nicht zu über sie zu richten, solang es nicht um innerweltliche Belange geht, dafür stehen die Gerichte. Aber warum ein Mensch gewalttätig wurde, warum er gestohlen hat, etc. weiß wohl Gott am besten.
Ob dies auch für einen Menschen steht wie Adolf Hitler, kann ich nicht beantworten, und wird unter Theologen öfter angesprochen und kontrovers diskutiert. Aber über den sollten wir uns vielleicht auch nicht allzu viel Sorgen machen….
Es grüßt Sie herzliche: Stephan Sondermann

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Liebe Hilde,

von Jesus ist mir eine solche Aussage und damit Bibelstelle nicht bekannt. Die bekannteste Geschichte, die sich in der Bibel um „Kontaktaufnahme mit dem Jenseits“ dreht, stammt aus dem Alten Testament. Im 1. Buch Samuel, Kapitel 28, lässt König Saul von der Totenbeschwörerin in En-Dor den Geist des verstorbenen Propheten und Richter Samuel heraufrufen.
http://www.bibleserver.com/text/LUT/1.Samuel28

Ein „Verbot“ der Totenbefragung findet sich im Buch des Propheten Jesaja, Kapitel 8, Vers 19:
http://www.bibleserver.com/index.php?ref=Jesaja+8%2C…
Vielleicht ist daraus die Fehlinformation entstanden, von der Sie gehört haben: eine Verwechslung von Jesaja/Jesus.

Noch schärfer formuliert findet sich ein Verbot im 5. Buch Mose: www.bibleserver.com/index.php?ref=5.Mose+18%2C10-12&…

Dass ein solches Verbot ausgesprochen wird, heißt meiner Ansicht nach übrigens nicht, dass eine „Kontaktaufnahme mit dem Jenseits“ möglich ist - sondern nur, dass es Menschen gab, die von sich behaupteten, diesen Kontakt herstellen zu können, und andere, die deren Dienste in Anspruch nahmen. Für die alttestamentlichen Autoren widersprach diese Vorgehensweise dem Glauben an den einen Gott und einzigen Herrn.

Von dieser Voraussetzung dürfte auch Jesus ganz selbstverständlich ausgegangen sein. Die Frage der Totenbeschwörung ist für ihn gar kein Thema, denn ihm geht es um Gott, der „nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden“ ist (Lukas 20,38 http://bit.ly/JWCXOn) und dessen Reich „nahe herbeigekommen“ ist (Lukas 10,11 http://bit.ly/KyLglP).

Herzliche Grüße
Alexander

Guten Abend, Herr Sondermann,

nochmals danke. Einfach hervorragend.

Ich kenne die Geschichte von Hiob. Satan sagt ja sinngemäß, dass Hiob nur deshalb gottestreu ist, weil Gott so gut für ihn sorgt, weil es Hiob sehr gut geht und Satan stellt die Theorie auf, dass sich Hiob von Gott abwenden würde, wenn es Hiob sehr schlecht erginge, etc. Sie kennen die Geschichte sicher besser als ich.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann ist diese Geschichte aber nicht als Prüfung zu verstehen, denn Gott will den Menschen ja gerade nicht prüfen. Gottes Liebe ist bedingungslos.

Wenn wir nochmals kurz zu meinem Beispiel mit dem Examen zurückkommen und zu den mitverteilten Lösungshinweisen, dann bedeutet das aber auch, dass die fleißigen und guten Studenten die Betrogenen sind, weil die faulen und dummen Studenten genauso zum Erfolg kommen.

Der Mörder kann genauso in den Himmel kommen, wie die Ordensschwester.

Ihrer Meinung nach ist es dann also sehr unwahrscheinlich, dass es verlorene Seelen gibt, die das Heil nicht erfahren und die die Ewigkeit nicht erlangt haben? Die also in der Hölle schmoren müssen?

LG Hilde

Bitte entschuldigen Sie. Mir ist noch was eingefallen.

Sie schreiben, dass es das Böse nicht als eigenständige und aktive Macht gibt.

Jesus wurde aber doch von Satan in der Wüste in Versuchung geführt, bzw. Satan hat dies zumindest beabsichtigt.

Wie ist diese Geschichte zu verstehen, wenn Satan keine eigenständige und gegen Gott gerichtete Macht ist? Was hätte Jesus zu befürchten, wenn er wirklich in Versuchung geführt worden wäre? War Jesus in Gefahr und wenn ja, in welcher Hinsicht?

Und noch ein anderer Gedanke:

Jesus könnte doch auch Satan vergeben. Aber wahrscheinlich würde dies daran scheitern, dass Satan das gar nicht wollte. Vergebung kann man ja ablehnen.

Wenn der Mensch frei ist, dann hat er auch die Möglichkeit, sich bewußt gegen Gott zu entscheiden. Was passiert wohl mit solchen Menschen nach ihrem Tod, bzw. mit ihrer Seele?

Bin schon sehr gespannt. Freue mich auf Ihre Ausführungen.

Schönen Abend, Hilde

Liebe Hilde,

anbei einige Antworten zu Ihren Fragen, Antworten, die kurz gehalten sind, jedoch einen Extrakt darstellen jahrelanger Studien.
Zunächst zur Hiobsgeschichte: Der Monotheismus des Judentums hatte ein Problem zu lösen: Das Leid, das Böse. Dualistische Religionen, wie es sie im Umfeld gab, kannten dieses Problem nicht, weil sie eine Gottheit für das Gute, und eine für das Schlechte besaßen.
Es entstanden Lösungsversuche: Leid als Strafe Gottes, Leid als Prüfung Gottes.
Das Buch Hiob stellt dabei einen vom Schicksal verfolgten gläubigen Menschen dar, der zwar mit Gott hadert, jedoch trotz des Leids vom Gottesglauben nicht abfällt: ein Vorbild, ein bemerkenswerter Mann. Atheistische Reaktionen gab es damals nicht, oder zumindest nicht so schnell wie heute. Insofern handelt es sich sehr wohl um eine Prüfung: jedoch dürfen wir dies nicht als reine Gottesoffenbarung betrachten, sondern um den menschlichen Versuch, eine Theologie zu entwickeln, die Gottesglaube und Leid in Einklang zu bringen.
Im Buche Hiob erklären die Freunde des Hiob immer wieder, dass dieses Unheil eine Folge ist früherer Fehlverhalten, ggf. auch seiner Ahnen. Es handelt sich dabei um das theologische Modell des sog. „Tun-Ergehens-Zusammenhangs“, der die Leidfrage mit dem Gottesglauben in Einklang bringen wollte. Aber dieses Gottesbild widerspricht diametral dem Gottesbild Jesu, eines liebevollen, fürsorgliceh, und verzeihenden Gottes. Lesen Sie einmal im Johannesevangelium Kapitel 9, Verse 1-3. Auch die Jünger Jesu dachten noch in diesem Tun-Ergehens-Zusammenhang, und Jesus setzt ihn souverän außer Kraft. Er ist falsch in Bezug auf die Gottesbeziehung. (Nicht aber im innerweltlichen Bereich, wo gewagtes Autofahren zum Unfall führt…)
Sie sehen also: wir müssen die Bibel von hinten nach vorne lesen. Sich auf bestimmte alttestamentliche Textstellen festzulegen, und zu sagen, dies sei nun göttliche Offenbarung ist oftmals ein völlig willkürlicher Rückgriff auf eine frühere Entwicklungsstufe des Monotheismus, bzw. des christlichen Glaubens.

Ja, Sie haben mich richtig verstanden, dass ich vom Gottesbild Jesu her davon ausgehe, dass es faktisch keine „verlorenen Seelen“ gibt. Jeder Priester muss auch einem Mörder, wenn dieser tiefe Reue und echten Vorsatz bekundet die Absolution erteilen!

Die christliche Moral ist keine Angstmoral. Das sittliche Gute und Wertvolle Handeln ist nicht motiviert aus der Angst, in die „Hölle“ zu kommen, und von Gott gestraft zu werden. Schon der Dekalog im AT, also die 10 Gebote vom Berg Sinai, sind in unseren Bibelübersetzungen sehr schlecht aus dem Hebräischen übersetzt. Da heisst es zum Beispiel: Du sollst nicht lügen, nicht stehlen,……In Wirklichkeit steht dort aber: Du wirst keinen Mord begehen, du wirst nicht stehlen, nicht lügen, also im Futur 1. Warum? Weil der theologische Gedanke dahinter der ist, das der Mensch, der wirklich einmal die gerenzenlose Liebe und Güte Gottes erfahren hat in dieser Liebe bleiben möchte. Er spürt, dass es nur eine Liebe gibt, die von Gott ausgeht, und zu ihm hinführt. In der Liebe zu bleiben, bedeutet so im Leben Gottes zu bleiben. Die Sünde entfernt von ihr, jedoch seit der Erlösungstat Jesu soll der Mensch ein für allemal begreifen, dass es keine Sünde gibt, die ihn je mehr von Gott trennen kann, und damit von der Quelle des Lebens. Daher ist die Botschaft von der Erlösung ganz konkret eine Erlösung von der Angst vor der Sünde, vor dem Verlust des ewigen Lebens. Entfernt sich ein Mensch sehr weit von dieser Liebe, bedarf es gewiss einen mehr oder weniger langen Prozess zur Erkenntnis, zur Reue und zur Umkehr. Aber darüber haben wir Menschen oder die Kirchen nicht zu entscheiden.
Sie fragen nach Menschen, die sich bewusst gegen Gott entscheiden. Ich hätte Verständnis dafür, wenn man ihnen einen Gott verkündet, der sie strafend in die Hölle wirft, wenn sie kein tugendhaftes Leben führen. Die Kirche hat das lang genug getan, und die Quittung hat sie jetzt auch dafür. Wir alle sind Sünder vor Gott. Und eines: wer wirklich die Liebe Gottes, auch nur einen Moment je erfahren hat, und erkannt hat, dass er in dieser Liebe eine ungeahnte Zukunft vor sich hat wird wohl kaum zum überzeugten Atheisten mutieren.

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Guten Morgen, Herr Sondermann,

an den (vermeintlich) normativen Charakter der 10 Gebote hatte ich auch schon gedacht. Ich wußte allerdings nicht, dass diese schlecht überstetzt wurden. So wie Sie das darlegen, macht das allerdings Sinn.

Ich gehe aber jeder Wette ein, dass das kaum jemand weiß, zumindest nicht der normale sonntäglioche Kirchgänger. Wer weiß,welche Bibelstellen noch schlecht übersetzt wurden und daher von ihrer ursprünglichen Beduetung abweichen.
Da das Christentum aber keine Buchreligion ist (wie Sie ja zuvor einmal bemerkt haben), ist das wahrscheinlich nicht so entscheident, außer für den Leser, der andere Informationen erhält, als er eigentich erhalten sollte und der im schlechtesten Fall sich ein völlig falsches und unzutreffendes Gottesbild zusammenreimt.

Könnten Sie bitte noch ein paar Zeilen zu der Versuchung Jesu durch Satan schreiben? Wenn Satan, bzw. das Böse keine eigenständige Macht sind, dann ist Satan in diesem Zusammenhang womöglich als eine Metapher für die Schwächen und dunklen Seiten des Menschen Jesu zu verstehen, nach dem Motto: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Kann man das so sehen?

Was ich in dem Dialog mit Ihnen bisher über Christus und den christlichen Glauben erfahren habe, das habe ich in jahrelangem Religionsunterricht und Kirchgang nicht annähernd erfahren.

Das war eine echte Bereicherung.

Herzlichen Dank dafür!!!

Hilde

Liebe Hilde, zunächst auch Ihenn herzlichen Dank für Ihre anerkennenden Worte! Es freut mich, Menschen wie Ihnen Antworten geben zu können.Wie Sie schreiben, haben Sie Vieles von dem trotz Unterricht und Kirchgang so nicht gehört. Das ist auch eine sehr interessante Erfahrung beim Theologiestudium.Man lernt mit der Zeit, dass es einen nicht geringfügigen Unterschied gibt zwischen den Befunden der wissenschaftlichen Theologie, und dem, was mancher Pfarrer, Kaplan oder Diakon predigt (Bischöfe eingeschlossen…).Dabei kommt es aber auch sehr darauf an, wen Sie als Prediger antreffen…
In der Deutung der „Versuchungsszene“ liegen Sie in Ihrer Interpretation völlig richtig. Bei „Satan“ geht es selbstverständlich um eine Metapher. Es geht dabei nicht um das personalisierte Böse (der Böse), sondern um das Böse, die Versuchung. Gerade in der Versuchungsszene werden die großen Versuchungen von Machtsucht, Ehrsucht und Habsucht sehr schön bildlich dargestellt. Ein wichtiger Sinn besteht dabei darin zu erkennen, dass Jesus von Nazareth ein Mensch war wie jeder von uns. Durch die Theologien der Kirchengeschichte war das nicht immer so. Da gab es Zeiten, wo Jesus als ein als Mensch nur verkleideter Gott angesehen wurde. Immer wieder gab es die Gefahr, Jesus völlig zu vergöttlichen. Das ist schlichtweg falsch, und ignoriert die wahre Würde des Menschen Jesus. Der Theologe und Bischof Walter Kasper hatin Bezug auf die Definition Jesu die meiner Ansicht nach beste Formulierung getroffen: Jesus von Nazareth stand in einer ganz einmaligen und einzigartigen Beziehung zu Gott. Es geht also nicht um eine Symbiose, um eine Vermischung der Wesenheiten.Bei einem Seminar in der theol. Erwachsenenbildung meinte einmal eine Dame, es stünde aber doch in Johannes 10,30 „Ich und der Vater sind eins“…woraufhin ich erklärte, dass es ja auch so ist, wenn man damit nicht „Einer“ verwechselt. Das griechische Johannesevangelium meint : Der Vater und ich sind uns eins, sind uns einig. Das aber setzt die persönliche, unterschiedene Differenz von Vater und Sohn voraus, bestätigt aber die besondere Beziehung.
(Die Theologen sprechen von der Definition zwischen Vater und Sohn, die nur in der „ontologischen Relation“, der „seinsmäßigen Beziehung“ definiert werden kann. Sie sehen: die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift ist mitunter nicht ganz so einfach für den Laien. So kommt es dann auch, das beim ältesten Zeugnis der „Auferstehung“ Jesu, der Apostel Paulus in 1Kor15 gar nicht von „Auferstehung“ spricht, als ob der Mensch Jesus von Nazarth aus eigener Kraft auferstanden sei, sondern theologisch sehr klug ausschließlich von der „Auferweckung“ spricht. Sie ist also eine Liebestat von Gott her, und zeigt an Jesus prototypisch die Zukunft des Menschen.
Auch wenn Jesus diesen o.g. Versuchungen standgehalten hat, so zeigte er auch Verhaltensweisen, die nicht ganz so heroisch waren: zorniges Schimpfen mit den Jüngern am Olberg, die eingeschlafen waren, wütendes Umstoßen der Tische am Tempel von Jerusalem, Vertreibung der Händler…
Verehrte Hilde, da Sie ein sehr waches Interesse am christlichen Glauben haben, empfehle ich Ihnen noch die für Laien sehr verständlichen und hoch spirituellen kleinen Taschenbücher von Pater Dr. Anselm Grün, erschienen im Vier Türme Verlag Münsterschwarzach, als generell alle Werke dieses Benediktiners. Er blickt mit tiefenpsychologischer Tiefenschärfe auf die Bibel und unseren Glauben, so wie es Dr. Eugen Drewermann schon getan hat, jedoch ohne die Lehrerlaubnis verloren zu haben…
Es grüßt Sie herzlich: Stephan Sondermann
(P.S. verzeihen Sie mir bitte Tipp-und Interpunktionsfehler, da ich Ihre Antworten unredigiert „aus der Feder“ schreibe…

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Guten Tag, Herr Sondermann,

danke für die Buchtipps.

Noch ein letztes Feedback meinerseits zu Ihren Ausführungen:

Einerseits:

Wenn Gott immer und jedem verzeiht, dann ist das natürlich eine feine Sache. Der Mensch trägt praktisch kein Risiko, egal wie böse und verdorben er zu seinen Lebzeiten war.

Die Anständigen und Braven werden aus meiner Sicht dadurch aber ad absurdum geführt. Sie haben nichts davon, dass sie sich ihr gesamtes Leben über zusammengerissen und gemaßregelt haben. Sie kommen am Ende genauso weit, wie die schlechten und bösen Menschen.

Andererseits:

Wenn jemand ein guter und anständiger Mensch ist, weil er sich etwas davon verspricht, z. B. das ewige Leben, dann ist dieses Verhalten nicht ehrlich und nicht authentisch. Ganz im Gegenteil: Es ist sogar ziemlich böse, aus Berechnung heraus Gutes zu tun.

D. h. die echten guten und anständigen Menschen sind gut und anständig, weil sie eben so sind. Sie wollen oder können gar nicht anders ein.

Wenn umgekehrt aber jemand ein schlechter und böser Mensch ist, weil er darauf spekuliert, dass er am Ende ja sowieso von Gott die Absolution erhält, weil Gott ja immer verzeiht, dann kann das aber auch nicht in Ordnung sein.

Gott verzeiht vielleicht nur denjenigen, die auch wirklich von ganzem Herzen bereuhen und ernsthaft umkehren wollen.

Jemand der sein ganzes Leben über bewußt böse gehandelt hat, weil er weiß, dass ihm ohnehin nichts passieren kann, weil Gott ja immer verzeiht, der zeigt ja auch nur aus Berechnung heraus Reue. Diese Reue ist dann aber nicht echt.

Nur ein paar Gedanken meinerseits…

Schöne Zeit, Hilde

Liebe Hilde, nach einigen Tagen erhöhten Arbeitsaufkommens kann ich Ihnen nun endlich noch einige Zeilen zu Ihrem Thema schreiben.

Zu Ihrem „Einerseits“ möchte ich nur an Lukas 15,11-32 erinnern: das Gleichnis vom verlorenen Sohn, bzw. von barmherzigen Vater. Beobachten Sie doch einmal genau die Gefühlslage des älteren Bruders, der stets ein rechtschaffenes Leben geführt hat. Er ist voller Neid und Hass gegenüber dem „sündigen“ Bruder. Für ihn ist auch alles „ad absurdum“ geführt: der Vater steckt dem jüngeren Sohn gar noch den Ring an den Finger, läßt schlachten und ein frohes Fest feiern. Wie lieblos, wie gottlos sind also mitunter Menschen, die Religion als Rückbindung zu Gott nur aus dem Motiv des egoistischen Wohlergehens leben und die Moral nur aus der Angst, aus dieser Liebe hinauszufallen. Es ist die pharisäische Haltung, die hier negativ zum tragen kommt, und stets eine Gefahr bedeutet für einen gutmeinenden religiösen Menschen. Weiterhin: Sie schreiben, dass ein Mensch, der ein Leben lang böse gehandelt hat, und im Hinterkopf gewiss ist, dass Gott ihm verzeihen wird, nur aus unlauteren Motiven Reue zeigen kann, die im Endeffekt nicht echt ist. So kann es sein! Beobachten Sie doch dazu einmal in diesem Gleichnis vom verlorenen Sohn die Motivation des Zurückkehrenden! Ist er etwa umgekehrt, weil er einen Gewissensimpuls empfangen hat? Nein! Er hatte abgewirtschaftet. Ein Professor in meinem Studium sagte humorvoll,„nur, weil der nix mehr zu fressen hatte, das war alles“. Lesen Sie doch dazu auch das 15. Kapitel des Lukas in Bezug auf „Das verlorene Schaf“( das ihm mehr Freude bereitet als die 99 Gerechten…), oder die verlorene Drachme.
Das Problem der „Fromme“ (Pharisäer) damals wie heute, ist, das wir Gott so viel Liebe, Gnade und Güte nicht glauben. Es handelt sich also um eine Form von Unglaube.
Papst Johannes Paul der 2. wurde in dieser Frage einmal interviewt und meinte, dass er hoffe, dass „die Hölle“ leer sei…
Wir dürfen Gott nicht vereinnahmen für unsere Moralvorstellungen. Wir dürfen ihn nicht in unseren Dienst stellen, um eine Motivation zum rechten Handeln zu erhalten.
Oft genug ist es in der Kirchengeschichte passiert, dass Gott als Moralwächter missbraucht wurde. Es wurde neben der Hölle als Drohmittel auch von einem zürnenden Gott, der alles sieht gesprochen. Wundert es uns, wenn die Frohbotschaft zur Drohbotschaft verkommt, sich die Menschen von der Kirche und von Gott abwenden? Wir müssen unser eigenes Gottesbild immer wieder überdenken, und mit Hilfe des Evangeliums korrigieren. Weitere moraltheologische Aspekte habe ich Ihnen bereits in älteren Beiträgen zukommen lassen.
Ich wünsche ihnen ein frohes Pfingstfest! Herzlichen Gruß! Stephan

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Guten Tag, Herr Sondermann,

Sie sollten ein Buch schreiben. Ihre Ausführungen sind nach wie vor sehr bereichernd und aufschlussreich.

Wenn Gott bösen und ungerechten Menschen verzeiht, dann wird er wahrscheinlich auch all denjenigen verzeihen, die lediglich aus Berechnung heraus gut waren.

Denn wenn Gott immer verzeiht, dann logischerweise auch den Pharisäern und Heuchlern.

Gott wird diesen Menschen möglicherweise zugute halten, dass sie nicht in göttlichen, sondern eben in menschlichen Kategorien denken und handeln.

Wenn man als Mensch bei einem anderen Menschen gut angesehen sein will, dann ist man geneigt, sich diesem Menschen gegenüber eben auch höflich und zuvorkommend zu verhalten, weil man annimmt, bei einem Menschen nicht angesehen zu sein, zu dem man unverschämt und gemein ist. Die Lebenserfahrung zeigt, dass diese Annahme auch tatsächlich zutrifft.

Stellt sich nur die Frage, weshalb man bei einem anderen Menschen angesehen sein will. Weil man jemanden wirklich mag oder weil man bei dieser Person etwas erreichen will. Dabei kann Liebe auch egoistisch und niederträchtig sein, wenn sie fordert, erwidert zu werden, d.h. wenn Liebe als taktisches Mittel eingesetzt wird, um Liebe zu erhalten.

Auch im zwischenmenschlichen Bereich ist daher die Art von Höflichkeit wertvoller, die keinen Zweck verfolgt.

Die Höflichkeit eines Autohändlers oder eines Versicherungsvertreters gegenüber seinen potentiellen Kunden ist oftmals sehr durchschaubar, dennoch üblich. Wer würde bei einem (absichtlich) unfreundlichen Autohändler kaufen?

Es ist naheliegend, dass manche Menschen diese zwischenmenschlichen Erfahrungen auf ihr Verhältnis zu Gott übertragen.

Zusammenfassend kann man dann wohl sagen, dass es für das Seelenheil der Menschen absolut keine Gefahren gibt. Alle kommen zum Licht, auf alle Fälle und garantiert?

Schöne Grüße, Hilde