Vererbung von Genen

Liebe/-r Experte/-in,

Ich habe mir einmal Folgendes überlegt:

Ein Mensch hat ja ca. 23000 Gene.
Wenn man für eine Generation 25 Jahre annimmt, dann hatte ich vor 500 Jahren 2^20, also über 1 Millionen Vorfahren.
Wenn es jetzt nicht zum sogenannten Ahnenschwund gekommen ist, wo auch Verwandete 3. Grades geheiratet haben, dann ist es ja unmöglich, dass ich genetisch von all diesen eine Millionen Vorfahren etwas habe, oder?

Also kann man „genetisch“ höchstens 23000 Vorfahren haben, oder?
Auch wenn in meinem Stammbaum jetzt 1 Millionen Vorfahren aus dem 16. Jahrhundert verzeichnet sind.

Also die Wahrscheinlichkeit, dass ich von einem bestimmten Vorfahren im 16. Jahrhundert auch nur ein Gen habe liegt bei 23000:1000000, also 23:1000.

Liege ich da richtig?

Danke!

Mit freundlichen Grüßen,

Jörg!

Lieber Jörg,

bei der Neukombination der Erbinformationen von einer Generation auf die nächste werden DNA-Abschnitte neu kombiniert und nicht einzelne Gene. Das bedeutet, dass ein Mensch durchaus Abschnitte eines Gens von vielen verschiedenen Vorfahren haben könnte. Insofern müsste deine Rechnung anstatt von 23000 Genen eher von 4 Milliarden Basenpaaren (die sich auf den 46 Chromosomen befinden) ausgehen. Wenn Du dann von 1 Million Vorfahren ausgehst, dann hast Du im Schnitt 4000 Basenpaare Erbinformation von jedem Vorfahren.
Es wird jedoch nicht gleichverteilt sein, da in jeder Generation jedes Chromosom nur an einigen wenigen Stellen neu kombiniert wird. Vielmehr werden von manchen Vorfahren gar keine Informationen mehr vorhanden sein, von anderen dafür überproportional viel.

Hoffe das war hilfreich

Apoll

Hallo Jörg,

rechnerisch halte ich dies für richtig, biologisch aber aus mehreren Gründen für fragwürdig. Du schränkst ja selber ein, dass die Zahl möglicher Vorfahren kleiner sein könnte wegen Verwandtenhochzeit. Deutlich erschwerend kommt meines Erachtens hinzu, dass alle heutigen Menschen einen sehr eingeschränkten Genpool haben. Deine Rechnung geht von Unabhängigkeit der genetischen Ausstattung deiner Vorfahren im 16ten jahrhundert aus. Die ist aber nicht gegeben. Vor 10.000 Jahren ging die Menscheit durch einen Flaschenhals von weinger als 10.000 Individuen. Siehe ergänzend dazu auch das Konzept der mitochondrialen Eva (zB Wikipedia). Dort wird die mitochondriale DNA auf eine einzige Frau zurückgeführt. Das heisst aber, das schon deine Vorfahren im 16ten Jahrhundert viele Gene miteinander geteilt haben.
Weiterhin ist bekannt, das räumlich nahe beieinander lebende Indiviuen einer Population mehr Gene mit einander teilen, als weiter entfernte. Also, wenn du zB aus Westphalen bist und deine Vorfahren da seit dem 16ten Jahundert gelebt haben, werden auch immer wieder welche aus den verschiedenen Zweigen der Familien Kinder miteinander gezeugt haben und so den Genpool eingeengt haben. Du bist dann mit den Westphalen näher verwand als zB mit den Franken.
Meine Quintessenz ist also: du hast rechnerisch 1 Mio Vorfahren, die haben sich aber verschiedene Gene bzw. allelische Variationen schon miteinander geteilt.
Ein weitere Kritikpunkt ist übrigens, dass du in deine Berechnung nur proteinbildende Gene einbeziehst. Heute weiß man aber, das viel von dem, was man früher junk-DNA genannt hat, Funktionen erfüllt, wie zB die Codierung von microRNA, die ihrerseits wieder genregulatorische Funktionen haben können. Damit würde aber die Zahl der Gene wieder ansteigen.

Ist also wie so oft in der Biologie alles nicht so einfach.

Viele Grüße

Marcus

HI Jörg,

also ehrlich gesagt, kann ich deiner REchnung nicht folgen. das macht aber nichts, denn ich kann dir auch so sagen, dass es ganz nach einer Milchmädchenrechnung aussieht. :wink:

Denn was du überhaupt nicht bedacht hast, ist das große Schlüsselwort: Allele. Ein Gen kommt in mehreren Varianten vor (Allele). Wie oft, das ist von Gen zu Gen und Organismus zu Organismus verschieden.

Und dann gibts ja noch die intergenischen SEquenzen, die zwar nichts codieren, aber doch immerhin absolut wichtig für die innerartliche Vielfalt sind. Die müssen ja auch irgendwoher gekommen sein. Wieviel davon da sind, ist ebenfalls schwer zu bestimmen. In deiner Rechnung tauchen die nicht auf.

Nichts für ungut, aber so einfach kann man das nicht rechnen. Und eine Wahrscheinlichkeit von 23:1000 scheint mir auch echt hoch zu sein. Andererseits sind 500 Jahre evolutionstechnisch betrachtet auch ein sehr kurzer Zeitraum und da kann schon recht viel von übrig sein.

Ich weiß, das wolltest du nicht hören, aber du hast hoffentlich einen Eindruck, wie komplex dieses Thema ist - und das von einer Person, die sich damit auch nur oberflächlich auskennt, denn ich bin keine Evolutionsbiologin. *gähn*

Viele Grüße, zurück.

Hallo Jörg,

sorry, konnte nicht 100 %ig folgen - aber hast Du bedacht, dass zahlreiche Gene auch relativ unverändert weitergegeben werden dürften, also bei zahlreichen Menschen identisch sind? Ich denke da u. a. an die sog. house keeping genes, bspw. relevante Enzyme.

Beste Grüße,

litterae