Die Einebnung der Dialekte ist weltweit. Ich komme aus dem Westerzgebirge, wohne aber seit 1956 in den USA.
In Schwarzenberg, meiner Heimatstadt gibt es heute unter den jungen Leuten nur noch eine handvoll die gut west erzgebirgisch sprechen koennen. Ich kann es noch sehr gut wie mir wiederholt alte Ezzgebirgler erstaunt bestaetigen.
Auch hier im noerdlichen New England stirbt der Dialekt aus. Boston - Vermont - Maine - alle hatten sie ihren charakteristischen Dialekt. Heute moechte man am liebsten die verbliebenen Dialektsprecher ins Museum stellen, so rar sind sie geworden.
Der Trend ist aber wohl kaum umkehrbar: Die Fuelle neuer Worte die ununterbrochen in die Schriftsprachen einstroemen, kann ein Dialekt gar nicht verarbeiten.
Nicht nur Dialekte , sondern auch Sprachen sterben aus diesem Grund aus. Heutzutage muss man seinen Heimatdialekt lernen und pflegen wie eine Fremsprache, statt ihn zu verachten, wie es immer noch viele Menschen tun. Gruss Helmut - Ossie/Wessie/Ami
Heutzutage muss man seinen Heimatdialekt lernen
und pflegen wie eine Fremsprache, statt ihn zu verachten, wie
es immer noch viele Menschen tun.
Hallo!
Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern, wo es sogar verschiedene Formen des „Platt“ gibt (gab?). Auch ich finde es schade, dass immer weniger Menschen so sprechen wie ihre Großeltern oder Urgroßeltern. Nur auf den Dörfern hört man ab und zu noch alte Leute „Meckelbörger Platt“ sprechen. Ich persönlich habe einmal in der Grundschule ein Jahr lang am Plattdeutschunterricht teilgenommen, aber kaum etwas behalten. Ich finde es allerdings nicht richtig, eine Mundart wie eine Fremdsprache zu erlernen. Das hört sich nur gekünstelt an und hat mit dem eigentlichen Dialekt eher wenig zu tun, da es meist nicht nur eine Version eines Wortes gibt, sondern mehrere. Krampfhaft Vokabeln lernen kann auch nicht die Lösung sein. Jugendliche sollten sich von alleine für so etwas interessieren. „Learning by doing“ (besser gesagt autodidaktisches Erlernen) ist wohl die geeignetere Variante. Einfach mit älteren Leuten in der Umgebung reden, sich für sie und ihre „Sprache“ interessieren und nebenbei lernen - das wäre die beste Möglichkeit. Leider ist es aber so, dass kaum jemand „Bock hat“, sich mit solchen Dingen zu befassen.
Du hast natürlich recht, Helmut,
Aber dieses Phänomen wird ja seit Jahrhunderten schon beklagt. Die Ursachen dafür, dass dieses Abschleifen lokaler und regionaler Spracheigenheiten sich immer mehr beschleunigt, hat vielfältige Gründe.
Da ist zum einen die Schulbildung. Aus praktischen Gründen wird in den Schulen natürlich die Hochsprache gelehrt. Die Mundart gilt als ungebildet, ungehobelt und vulgär. Zeitungen, Radio und Fernsehen verbreiten die Hochsprache noch viel nachhaltiger und nicht zuletzt zwingt die Mobilität die Menschen, sich der Hochsprache (bestenfalls noch mit regionaler Einfärbung) zu bedienen, um verstanden zu werden.
Waren früher Dialekte von Ort zu Nachbarort jeweils leicht unterschiedlich, verwischen diese lokalen Dialekte immer mehr und vermischen sich zu einem sog. Regiolekt, der in einem größeren Gebiet zumindest die wesentlichsten Merkmale der in ihm aufgegangenen Dialekte bewahrt.
Diese Entwicklung zu beweinen hat wenig Sinn, die Zeit geht darüber hinweg. Schon beginnen sich die Sprachen zu mischen und eine Art Pidgin dürfte wohl in ein paar hundert Jahren am Ende dieser Entwicklung stehen.
„Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben sprießt aus den Ruinen.“ Tröstlich, der gute Schiller!
Grüße
Eckard.
Hallo und guten Tag und herzliche Grüße nach Neuengland
- so einfach ist das mit der Verflachung der Dialekte, glaube ich, nicht. Zum Einen: Es gibt auch Länder, wo Dialekte nicht verflachen, sondern sich als Umgangssprache durchsetzen, sogar in Rundfunk und Fernsehen. Die deutschsprachige Schweiz zum Beispiel. Mít dem Ergebnis, dass aktuelle schweizer Fernsehbeiträge und Interviews in Deutschland mit Untertiteln laufen müssen. Die versteht nämlich außerhalb der Schweiz keiner mehr! Zum Zweiten: Verachtet werden in Deutschland nur wenige Dialekte (sächsisch zum Beispiel). Die meisten werden hoch geschätzt, gepflegt, finanziell gefördert, an Volkshochschulen gelehrt. Aber zum Glück immer weniger gesprochen. (Immer, wenn ich diesen Satz in einer Diskussion bringe, kommt ein Aufschrei der Empörung. Aber ich weiß, was ich sage). Zum Glück deshalb, weil es immer noch viele Menschen gibt, die es nicht schaffen, ihre spezielle Mundart und Hochdeutsch getrennt zu denken und zu sprechen. Mit dem Ergebnis, dass diese Menschen sich sozial und beruflich nur in einem winzigen Gebiet verwirklichen können. Oder können Sie sich einen Manager, Kunstsammler, Physikprofessor vorstellen, der auf einem Bankett in sagen wir mal Hamburg in breitem Rheinisch zum Kellner sagt: „Könn Se misch mal dat Brot überschneiden?“ Der Grund für das Dilemma ist: Zweck einer Mundart ist nicht nur die Kommunikation, sondern zugleich die Abgrenzung. Deshalb unterscheiden sich Mundarten von Dorf zu Dorf, manchmal von Straße zu Straße. Und zwischen Köln und Aachen liegen zwar nur 68 Kilometer, aber linguistisch Welten. Der Vorteil: Mundart gibt Heimatgefühl, man fühlt sich Zuhause, geborgen. Der Nachteil: Wer nichts anderes kann, hat in der großen weiten Welt Probleme. Die Welt ist ein Dort, aber für diese bleibt ihr Dorf die Welt.
Etwas völlig Anderes ist es, meine ich, wenn es sich nicht um eine Mundart, sondern um eine eigene Sprache handelt. Wie das Niederdeutsche. Dass diese herrliche Sprache immer weniger gesprochen wird und das immer weniger Menschen die Werke niederdeutscher Dichter wie Fehrs oder Reuter lesen können, finde ich traurig.
Ein Drittes noch: In Deutschland entsteht seit einigen Jahren eine ganz neue Mundart. Sie heißt Kanak-Sprak, wird von türkischen Einwanderern der zweiten und dritten Generation gesprochen und hat eine völlig eigene Syntax und Diktion. Aber genau die Funktion, die andere Mundarten auch haben: Identifikation mit einer Gruppe, Abgrenzung gegen andere: „Ey, wassn los ey?“ Und auch hier gibt es jene Menschen, die nur diese Sprache beherrschen und damit in einer sehr kleinen Welt zu leben gezwungen sind.
Friedhelm
was ist so toll dran, wenn
man vom süden in den norden reist (oder umgekehrt) und nicht mehr verstanden wird???
nach einheitlichem zahlungsmittel (na gut, ein wenig national geprägt) wäre doch eine einheitliche europäische sprache wünschenswert, oder?
Hallo und guten Tag und herzliche Grüße nach Neuengland
- so einfach ist das mit der Verflachung der Dialekte, glaube
ich, nicht. Zum Einen: Es gibt auch Länder, wo Dialekte nicht
verflachen, sondern sich als Umgangssprache durchsetzen, sogar
in Rundfunk und Fernsehen. Die deutschsprachige Schweiz zum
Beispiel. Mít dem Ergebnis, dass aktuelle schweizer
Fernsehbeiträge und Interviews in Deutschland mit Untertiteln
laufen müssen.
Die versteht nämlich außerhalb der Schweiz
keiner mehr!
Für Schwaben und Badenser ist Schwyzerdytsch gut verständlich.
Das sind immerhin mehrere Millionen Deutsche.
Zum Zweiten: Verachtet werden in Deutschland nur
wenige Dialekte (sächsisch zum Beispiel).
Schwäbisch wird als witzig oder niedlich empfunden.
Die meisten werden
hoch geschätzt, gepflegt, finanziell gefördert, an
Volkshochschulen gelehrt. Aber zum Glück immer weniger
gesprochen. (Immer, wenn ich diesen Satz in einer Diskussion
bringe, kommt ein Aufschrei der Empörung. Aber ich weiß, was
ich sage). Zum Glück deshalb, weil es immer noch viele
Menschen gibt, die es nicht schaffen, ihre spezielle Mundart
und Hochdeutsch getrennt zu denken und zu sprechen. Mit dem
Ergebnis, dass diese Menschen sich sozial und beruflich nur in
einem winzigen Gebiet verwirklichen können.
Leider wahr.
Oder können Sie
sich einen Manager, Kunstsammler, Physikprofessor vorstellen,
der auf einem Bankett in sagen wir mal Hamburg in breitem
Rheinisch zum Kellner sagt: „Könn Se misch mal dat Brot
überschneiden?“ Der Grund für das Dilemma ist: Zweck einer
Mundart ist nicht nur die Kommunikation, sondern zugleich die
Abgrenzung. Deshalb unterscheiden sich Mundarten von Dorf zu
Dorf, manchmal von Straße zu Straße. Und zwischen Köln und
Aachen liegen zwar nur 68 Kilometer, aber linguistisch Welten.
In Süddeutschland ist es noch viel viel „schlimmer“.
Der Vorteil: Mundart gibt Heimatgefühl, man fühlt sich
Zuhause, geborgen.
Ausserdem bietet Mundart Ausdrucksmöglichkeiten, im Vergleich dazu das Hochdeutsche geradezu steril und beschränkt erscheint.
Der Nachteil: Wer nichts anderes kann, hat
in der großen weiten Welt Probleme. Die Welt ist ein Dort,
aber für diese bleibt ihr Dorf die Welt.
Leider wahr.
Etwas völlig Anderes ist es, meine ich, wenn es sich nicht um
eine Mundart, sondern um eine eigene Sprache handelt. Wie das
Niederdeutsche.
Auch Schwäbisch, Bairisch und Alamannisch (zusammengefasst als Oberdeutsch) sind eher eigene Sprachen als nur Mundarten.
Ich frage mich, wo da der Unterschied liegt.
Auch Hessisch und Pfälzisch zählen meiner Meinung nach als eigene Sprachen (Mitteldeutsch)
Dass diese herrliche Sprache immer weniger
gesprochen wird und das immer weniger Menschen die Werke
niederdeutscher Dichter wie Fehrs oder Reuter lesen können,
finde ich traurig.
Damit relativieren Sie meiner Meinung nach Ihr Gesamtes zuvor Geschriebenes.
Ein Drittes noch: In Deutschland entsteht seit einigen Jahren
eine ganz neue Mundart. Sie heißt Kanak-Sprak, wird von
türkischen Einwanderern der zweiten und dritten Generation
gesprochen und hat eine völlig eigene Syntax und Diktion. Aber
genau die Funktion, die andere Mundarten auch haben:
Identifikation mit einer Gruppe, Abgrenzung gegen andere: „Ey,
wassn los ey?“ Und auch hier gibt es jene Menschen, die nur
diese Sprache beherrschen und damit in einer sehr kleinen Welt
zu leben gezwungen sind.
Friedhelm
Interesssant.
Ihre Trennung zwischen Mundarten und eigenständigen Sprachen
ist mir jedoch nicht klar geworden.
Gruss,
Hallo!
Es wird immer wieder gesagt, ist aber auch leider wahr, dass junge Leute kaum noch Dialekt sprechen. Ich selbst gehöre auch zu denen. Die ersten vier Jahre meines Lebens bin ich eigentlich nur mit dem Plattdeutsch meiner Oma aufgezogen worden, dann kam ich in den Kindergarten und sprach künftig nur noch Hochdeutsch, denn für die Schule sollte ich das ja können. Das Ende vom Lied ist nun, dass ich Platt zwar einwandfrei verstehen und auch lesen kann, ich mir (abgesehen von einigen Standardsätzen) mündlich aber so unsicher bin, dass ich nur noch Hochdeutsch spreche.
Die Ursachen dafür sind vielfältig. Vor allem in der Schule wird im normalen Unterrichtsgespräch hochdeutsch gefordert - in meiner Heimatregion wird inzwischen das Plattdeutsche in AG-Form unbedingt erhalten. Dann ist die Migrationsrate innerhalb Deutschlands heute früher als damals, verbunden und verursacht durch die beruflich gefordete Flexibilität.
Heute moechte man am liebsten die
verbliebenen Dialektsprecher ins Museum stellen, so rar sind
sie geworden.
Um sie dort zu konservieren? Nein, dann sollten wir lieber die Sprache pflegen, soweit wie möglich, denn Dialekt kann man nicht lernen - das klingt gekünstelt. „Learning by doing“ wäre eine Möglichkeit, ist gleichzeitig aber durch die ebenfalls nicht mehr wirklich Dialekt sprechen könnenden Eltern unwahrscheinlich. Es bleiben die Großeltern, doch welcher Jugendlicher hat dazu schon Lust?
Der Trend ist aber wohl kaum umkehrbar: Die Fuelle neuer Worte
die ununterbrochen in die Schriftsprachen einstroemen, kann
ein Dialekt gar nicht verarbeiten.
Richtig, Englisch gilt heute die Sprache, die früher das Hochdeutsche war. Inzwischen fast selbstverständlich und einigen doch unbekannt. Aber diejenigen, denen es unbekannt ist, sprechen meistens noch Dialekt.
Heutzutage muss man seinen Heimatdialekt lernen
„lernen“ ist, wie ich glaube, nicht das richtige Wort, „ständiger Umgang“ das zutreffendere…
und pflegen wie eine Fremdsprache, statt ihn zu verachten, wie
es immer noch viele Menschen tun.
Ich würde eigentlich gerne richtig flüssig „Platt schnacken“ können, aber ich kann ja nicht für alle sprechen…
Gruß sannah