Wenn ich ( Handwerksmeister ) mich mit meinem Sohn ( M.A. und jetzt im dualen Studium auf dem Weg zum Master ) unterhalte, suche ich eine Parallel/Vergleich mit meiner Berufsausbildung zu finden.
Kann mir jemand helfen?
Hallo!
Wenn ich ( Handwerksmeister ) mich mit meinem Sohn ( M.A. und
jetzt im dualen Studium auf dem Weg zum Master ) unterhalte,
suche ich eine Parallel/Vergleich mit meiner Berufsausbildung
zu finden.
Kann mir jemand helfen?
Handwerkslehre und Meisterschule sind unmittelbar berufsqualifizierend, in einem bestimmten handwerklichen Bereich praktisch einsetzbar. Nach Abschluß seiner Lehre kann der Dachdecker fachgerecht ein Dach decken, der Metallbauer bekommt eine Schweißnaht zustande und der Landmaschinenmechaniker den Mähbalken wieder in Gang.
Einem Hochschulabsolventen wurden keinerlei praktische Fertigkeiten oder womöglich Kenntnisse über spezielle Produkte vermittelt. Man müßte ihn vor sich selbst schützen, damit er sich mit Werkzeug nicht weh tut, niemanden gefährdet und nichts kaputt macht. Während ein Mechaniker nach seiner Lehre weiß, welchen Abzieher er nehmen muß, um das Lager von der Welle zu bekommen, hat der Student bestenfalls gelernt, die auf die Gewindeflanken im Abzieher wirkenden Kräfte zu berechnen, ohne je einen Abzieher mit eigenen Augen gesehen, geschweige denn in der Hand gehabt zu haben.
Dem Landmaschinenmechaniker solltest du lieber nicht das Uhrwerk einer Armbanduhr zur Reparatur in die Hand drücken, obwohl das auch bloß Mechanik ist. Die Lehre hat ihn nicht befähigt, sich in die Technik der Armbanduhr einzuarbeiten. Im Unterschied dazu versteht der Maschinenbaustudent nichts von Landmaschinen, nichts von Armbanduhren (solltest du dem Studi keinesfalls in die Hand geben), überhaupt nichts von irgendwelchen Produkten, aber ihm wurden die physikalischen und mathematischen Grundlagen vermittelt, sich in jedes einschlägige Gebiet einschließlich der Randgebiete einzuarbeiten. Während ein Uhrmacher nach seiner Ausbildung irgendwas mit Uhren zu tun haben wird, ist der Maschinenbauer qua Ausbildung nicht auf bestimmte Produktarten festgelegt. Kann sein, daß er mit Uhren oder Landmaschinen zu tun bekommt, daß er Turbinen für Wasserkraftwerke konzipiert, Werkzeuge für Spritzgußmaschinen entwickelt, Aufzüge für Dachdecker konstruiert, an Materialzusammensetzungen für Schweißelektroden experimentiert oder Schliff und Form von Friseurscheren für ermüdungsarmes Arbeiten optimiert. Erst während der ersten Jahre der Berufstätigkeit wächst der Hochschulabsolvent in praktische Anwendungen seines theoretisches Gerüsts hinein.
Etwa im Maschinenbau reichen die Anwendungen von der Apothekerwaage über künstliche Kniegelenke bis zur Zugbrücke, im Grunde die ganze Bandbreite menschlichen technischen Tuns. Deshalb kann ein Studium auf Details von Anwendungen gar nicht eingehen. Anwendungen kommen aufgrund des Werdegangs der einzelnen Professoren vor, Der ursprünglich aus einem Luftfahrtunternehmen kommende Prof. rechnet Regelvorgänge am Beispiel irgendwelcher Korrekturtriebwerke an Raketen vor, während sein früher mal bei Caterpillar arbeitender Kollege die in der Praxis zwar völlig anderen, aber mathematisch identischen Vorgänge anhand von Hydraulik vorrechnet. Von Hydraulik und Raketen haben die Studis nicht den Schatten einer Ahnung - müssen sie auch nicht - denn sie sollen nur physikalische Vorgänge mathematisch fassen. Die Praxis kommt erst später im Beruf.
Menschen, die mit handwerklichem Können ein verschlissenes Kugellager austauschen oder ein Dach decken, sind unverzichtbar. Ebenso unverzichtbar sind Leute, die Lager und Welle mit der geeigneten Materialzusammensetzung konstruieren oder beim Dach Windlasten und Schubkräfte errechnen und das erforderliche Tragwerk dimensionieren. Leute, die einen Pflug instand setzen können, werden dringend gebraucht. Das setzt aber voraus, daß sich jemand an Formgebung und Material des Pflugs und den auftretenden Kräften einen Wolf rechnete und der Pflug nach seiner Konstruktion gefertigt wurde.
Der Vergeich endet mit der Feststellung, daß gewerbliche Ausbildung und Hochschulstudium trotz einiger Schnittmengen sehr verschiedene Fertigkeiten vermitteln.
Die gewerbliche Ausbildung ist produkt- und anwendungsorientiert, während die Hochschulausbildung Grundlagen vermittelt. Die Grundlagen sind zwar sehr breit, aber es sind in der Technik für eine schier unüberschaubare Vielfalt der Anwendungen immer die gleichen Grundlagen. Deshalb gibt es gemessen an der Vielfalt gewerblicher Ausbildungsgänge nur eine vergleichsweise geringe Zahl verschiedener Studiengänge in den angewandten Naturwissenschaften.
Gruß
Wolfgang
Hirn und Hand
Hallo
Wolfgang hat ja schon einige sehr gute Vergleiche gebracht.
Ich habe beides absolviert, eine Berufausbildung und ein Studium, kann also zumindestens für den Bereich Chemie/Naturwissenschaften etwas dazu sagen.
In der Lehre kriegten wir viele Dinge beigebracht mit der Kommentar:
‚Das ist nun mal so‘
Im Studium lernte ich dann, warum das so ist.
Dafür lernten wir in der Lehre viele praktische Dinge intensiv, die im Studium zwar auch, aber längst nicht so umfangreich dargeboten wurden.
In der Lehre wird eher die Hand angesprochen, im Studium eher das Hirn.
Völlig isoliert sind beide aber nie und ein Mansch der nur mit der Hand arbeiten kann, ohne sein Hirn zu nutzen wird wohl nur Steine kloppen können, und einer der sein Hirn nur ohne Hand verwenden kann wird wohl eine verkopfte Karikatur eines Professors.
Als Meister kriegst Du im Vergleich zur Lehre natürlich weit mehr Kopffutter und näherst Dich an die kopferten Akademiker. Allerdings bist Du (wie Wolfgang schon schrieb) recht spezialisiert, wohingegen ein Studierter eher eine Rohform ist, die in der ersten Zeit der Beruftätigkeit geprägt wird.
Gandalf
Hallo,
laut DQR (6 oder 7 mal googeln) sind Meister und Bachelor gleichwertig! Theoretisch! Praktisch kann ich das nicht überprüfen.
Wenn man Geselle ist kann man in D. (fachgebunden und Erfahrung) studieren.
Gruß
Hans
Hallo
laut DQR (6 oder 7 mal googeln) sind Meister und Bachelor
gleichwertig! Theoretisch! Praktisch kann ich das nicht
überprüfen.
Das ist das Resultat der krampfhaften Versuchs die Besonderheiten des deutschen dualen Systems in das System des DQR und damit in den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) zu pressen, um eine (scheinbare) Vergleichbarkeit innerhalb Europas zu schaffen.
Das das nicht funktionieren kann, liegt eigentlich auf der Hand, sh. den Post von Gandalf unten.
Wenn man Geselle ist kann man in D. (fachgebunden und
Erfahrung) studieren.
Die Betonung liegt deutlich auf _Kann_. So einfach kommt als Geselle außerdem auch nicht in ein Studium, da gilt es noch ein paar Voraussetzungen zu erfüllen.
Gruß
Dan
Moin,
Das ist das Resultat der krampfhaften Versuchs die
Besonderheiten des deutschen dualen Systems in das System des
DQR und damit in den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR)
zu pressen, um eine (scheinbare) Vergleichbarkeit innerhalb
Europas zu schaffen.
dem stimme ich nur bedingt zu.
Durch diese Klassifikation wurde das Duale System durchaus aufgewertet und wird jetzt im Ausland eher als qualifiziert wahrgenommen.
Und ich bin sicher, daß ein deutscher Meister in den USA und GB mit Sicherheit ein akademischer Abschluss wäre.
Das das nicht funktionieren kann, liegt eigentlich auf der
Hand, sh. den Post von Gandalf unten.
Auch hier eine Relativierung.
Der Bachelor ist, zumindestens was Chemie und Naturwissenschaften allg. angeht, noch nicht in der Industrie ‚angekommen‘ und ich fürchte, das wird auch nicht so schnell passieren.
Mir wurden jetzt mehrere Anzeigen gezeigt nach dem Motto:
Gesucht wird Meister/Techniker/Bachelor
Was die Wertigkeit des Bachelor-Abschlusses in der Industrie gut anzeigt.
In meinem Fach kann ich auch bestätigen, daß die 1:3 Vorgabe (Master : Bachelor) überhaupt nicht läuft.
Mir sind nur sehr wenige Bachelor-Absolventen bekannt, die kein Masterstudium anschließen. Von den wenigen, die es auf den Arbeitsmarkt treibt, sehe ich häufig einige ein Jahr später wieder, im Masterstudium.
Das gilt wie gesagt speziell für Chemie und weitestgehend auch für die Naturwissenschaften, die ich übersehen kann (Bio und Physik), wie es in anderen Fakultäten aussieht kann ich nicht genau sagen, tendentiell ist aber auch dort die 1 : 3-Vorgabe Makulatur.
Gandalf
Und ich bin sicher, daß ein deutscher Meister in den USA und
GB mit Sicherheit ein akademischer Abschluss wäre.
Nicht nur das. Ein Associate Degree (wie Facharbeiter) ist im Ausland akademischer Abschluß.