Hallo zusammen,
der Verhaltenskodex kann für die Zukunft sicher relevant sein, denn auch auf eine Selbstverpflichtung können sich Betroffene bei Verletzung des Kodex (beschränkt) berufen.
Der Ansatz ist aber meiner Meinung nach nicht in Ordnung. Es handelt sich nicht um einen Verhaltenskodex für Versicherungen sondern um einen Verhaltenskodex für den Vertrieb (die Vermittlung) von Versicherungen! Ein großer Unterschied!
Leider ist es in Deutschland auf Grund der starken Lobbyarbeit von Versicherungen so, dass die meisten Vermittler sehr eng an einen bestimmten Versicherungskonzern (inkl. aller Tochterunternehmen, die auch andere Namen tragen können) gebunden sind. Diese Menschen sind in aller Regel selbständig mit allen Unsicherheiten, gleichzeitig aber abhängig von einem Versicherungskonzern, deren Handelsvertreter (HGB §84) sie sind. Der Handelsvertreter hat in aller Regel eine sehr schwache Position gegenüber der Versicherung.
Wenn man in Deutschland ernsthaft an einer Verbesserung beim Vertrieb von Versicherungen (gemeint ist ein echter Kundenschutz) interessiert wäre, würde man rechtliche Voraussetzungen schaffen, die die Rechte der Vermittler gegenüber Versicherungen und die Unabhängigkeit stärken. Die Lobby dafür aber ist schwach.
Ein Beispiel für gesetzliche Veränderungen, die den Kunden nicht geschützt haben, aber dies zum Ziel hatten:
Beratungsprotokoll (insbesondere bei Vertretern von Versicherungskonzernen, wohl auch in Banken nicht anders): Hier wurde in der Beratungssoftware einfach ein zusätzlicher Bereich eingebaut, wo Fragen anzukreuzen sind. Die Textfelder können mit vorgefertigten (teilweise schon rechtssicher von der Versicherung zu Verfügung gestellt) Textbausteinen befüllt werden. Ergebnis: der Kunde hat noch ein weiteres Formular zu unterschreiben. Die Beratungsdokumentation wird (natürlich!) so erstellt, dass der Anbieter auf der sicheren Seite ist und wenn es Streit gibt hat der Kunde ja schon dafür unterschrieben, dass er/sie es doch nicht anders gewollt hat. Toll!!
Aushändigung der Versicherungsbedingungen und vorgeschriebenen Informationen vor Vertragsschluss. Das können bei einer einfachen Privathaftpflichtversicherung für 50, 60€ pro Jahr gerne mal 60 - 80 Seiten sein. Weil die Schrift besonders groß und deutlich ist, damit es leicht zu lesen ist??? Natürlich nicht! Vorteil für den Kunden? Fehlanzeige! Diese Informationen konnte der Kunde/Interessent bei mir (bei anderen Kollegen gewiss ebenso) auch vor dem Gesetz zu jedem Zeitpunkt erhalten.
Bei beiden Veränderung gilt der alte Satz: Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht!
Lösungsansatz: Ein Beispiel voran. Kaufe ich mir ein neues Auto will ich als Käufer nicht bis ins letzte Detail gehen müssen, um mir auch sicher zu sein das richtige zu tun. Ich habe auch nicht vor KfZ-Sachverständiger zu werden. Und in der Tat, ich verlasse mich auf gewisse Mindeststandards, die durch festgelegte Institutionen kontrolliert werden. Autos müssen zunächst in Deutschland zugelassen werden, danach regelmäßig überprüft werden.
Als Konsequenz empfehle ich verbindliche Mindeststandards für Versicherungsbedingungen (Wahrheit und Klarheit, keine Spielräume für Interpretationen), Schadensabwicklung (z.B. kurze Fristen in denen die Versicherung Stellung nehmen muss), Erreichbarkeit kompetenter Ansprechpartner, Kostentransparenz (weil es sich nicht, wie beim Auto, um ein völlig abstraktes Produkt handelt, dass man anfassen kann), usw.
Bei Versicherungen gibt es zumindest sogenannte Musterbedingungen je nach Art der Versicherung, die auch von Versicherungen verwendet werden. Warum dieses Rad nicht deutlich weiterdrehen?
Mit herzlichen Grüßen
Michael Schreiber