Hallo Tilli,
dabei interessierte mich im besonderen, wie sich die beziehung zu den eltern ändert. also die der verliebten tochter zum vorher bewunderten vater oder so.
Meine älteste Tochter und die beiden Jungs entstammen meiner ersten Ehe. Diese drei gingen insgesamt aber recht problemlos durch die Zeit der ersten Verliebtheit.
Meine jüngste Tochter ist auch die leibliche Tochter meines jetzigen Mannes und natürlicherweise ist seine Beziehung zu ihr ein wenig anders als zu seinen Stiefkindern. Das bedeutet auch, dass er so Manches bei ihr weniger gelassen sah, als bei den anderen Drei, und der erste Freund gehörte dazu.
Da die Jüngste ohnehin immer die Streitbarste von allen war und immer wieder Dinge in Frage stellen und provozieren musste, nahm es mich persönlich nicht wunder, dass ihr erster Freund völlig dem widersprach, was wir uns als „Schwiegersohn“ gewünscht hätten. Er war ein auf Äußerlichkeiten fixierter, selbstgefälliger Lackaffe, dessen beschränkter Horizont nur von seiner Borniertheit übertroffen wurde - kurz: Er machte es uns leicht, ihn nicht leiden zu können
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Das stürzte uns einigermaßen in Probleme, da wir immer ein offenes, gastfreundliches Haus hatten, in dem bis dato jeder willkommen war. Nach dem ersten gemeinsamen Abendessen mit dem Auserwählten unserer Tochter war uns die Lust auf Wiederholungen jedoch bereits gründlich vergangen.
Da wir Meideverhalten aber nicht für sinnvoll erachteten, blieb es natürlich zunächst dabei. Beim Kindsvater - ein eigentlich extrem gelassener und gutmütiger Charakter - führte das zu einem zunehmenden und bis dahin nicht gekannten Zynismus im Umgang mit dem Knaben. Er ließ ihn auflaufen, wo immer er konnte, und da der Schnösel nicht in der Lage war, zu erkennen, was Sache war und glaubte, durch entsprechende Frechheit die Sache für sich entscheiden zu können, wurden sowohl die gemeinsamen Mahlzeiten als auch die sonstigen Begegnungen zu einem unerschöpflichen Quell an messerscharfen Freundlichkeiten.
Als sich der Knabe (übrigens gerade 14 Jahre alt) eines Tages erdreistete, meinem Mann nahezulegen, sein Essen doch vielleicht lieber an einem anderen Ort als dem Familienesstisch einzunehmen, wenn er mit seiner Gegenwart Probleme hätte, warf dieser ihn raus. Er tat das (äußerlich) völlig ruhig und sachlich, indem er sich neben seinen Stuhl stellte und ihn aufforderte, jetzt sofort das Haus zu verlassen und es nicht wieder zu betreten.
Die Antwort des Schnösels (der ungerührt weiter aß) „Das werde ich natürlich nicht tun, denn derjenige, der sich ständig daneben benimmt, sind ja wohl Sie“ veranlasste sogar das verliebte Tochterkind zu einem schlagartigen Erblassen und in der Folge zu einem hastigen Aufstehen und - den Jungen im Schlepptau - fluchtartigen Verlassen des Raumes.
In der Folge bekamen wir unsere Tochter kaum noch zu sehen. Sie fand sich - gezwungenermaßen - lediglich zum gemeinsamen Abendessen ein, das sie schweigend hinter sich brachte. Ihr Vater litt wie ein Hund, da sie ihn mit eisiger Verachtung strafte. Nachgegeben hat er aber nicht. In diesen Wochen hackte und sägte er schätzungsweise 10 Ster Holz.
Ich suchte immer wieder den Kontakt zu ihr, da mir klar war, dass sie eine Brücke brauchte, über die sie gehen konnte, wenn sie dazu bereit war. Auch ihre Schwester kümmerte sich um sie, während die beiden Jungs kaum eine Gelegenheit ausließen, ihre negative Meinung über den jungen Mann kundzutun und das Feuer immer wieder zu schüren.
Als dieser unsre Tochter schließlich wegen eines anderen Mädchens verließ, zerriss ihr Schmerz, der sich bei weitem nicht nur auf den Verlust ihres Freundes bezog, meinem Mann und mir beinahe das Herz. Glücklicherweise kannten wir zumindest ihren Hang zur Inszenierung und wussten, dass sie durch diese bereits ein Stück Bewältigung leistete. Schließlich betrat mein Mann eines Tages gegen ihren erklärten Willen ihr Zimmer und die beiden redeten. Damit war die Krise überwunden.
Schöne Grüße,
Jule