Versandhandel - Storno, Rückerstattung und Kaufvertrag

Helft mir mal bitte in folgendem Fall auf die Sprünge.

Verbraucher kauft etwas über den Versandhandel.
Versandhandel markiert die Sendung als „elektronisch zum Versand angemeldet“
Verbraucher bekommt die Ware nicht und hakt nach.
Versandhandel sagt „Ups, untergegangen“ und überweist den Kaufbetrag zurück. Bei weiterem Interesse möge man bitte neu bestellen.
Verbraucher ist nur überschaubar begeistert von dieser Option, ist die Ware doch jetzt 50 % teurer…

Eigentlich müsste ja mit der Markierung „zum Versand angemeldet“ der Kaufvertrag zustande gekommen sein… ich erinnere da was aus grauer Vorzeit und 2 übereinstimmenden Willenserklärungen.

Kann der Versandhandel einseitig zurücktreten oder kann der Verbraucher auf Lieferung wie ursprünglich bestellt bestehen?

Der Käufer kann auf Lieferung der Kaufsache zum vereinbarten Kaufpreis bestehen. Die Versandnachricht wäre eine hinreichende Begründung. Falls im Voraus bezahlt wurde, wäre die Aufforderung zur Zahlung (Überweisung, PayPal, was auch immer) oder die vom Verkäufer durchgeführte Abbuchung (Lastschrift, Kreditkarte, was auch immer) genügend, um von einem Kaufvertrag auszugehen. Von diesem kann der Verkäufer sich nicht einseitig lösen.

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Hm. Kann man nicht irgendwo in den AGB „verstecken“, dass der Kaufvertrag erst mit Versendung der Ware entsteht? Und das auch unabhängig von der gewählten Bezahlweise?

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Jein.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind Vertragsbestandteil (§ 305 Abs. 1 BGB). Sie setzen daher einen gültigen Vertrag voraus und können nicht dessen Zustandekommen regeln (das Problem von Henne und Ei).

Das gilt selbst dann, wenn der Kauf über eBay läuft. Zwar haben Käufer und Verkäufer den eBay-AGB zugestimmt, die auch das Zustandekommen der Kaufverträge regeln. Die AGB gelten aber als solche nur im Verhältnis von eBay zu dessen Kunden, also im Verhältnis zu den Verkäufern und Käufern. Im Verhältnis der Verkäufer und Käufer untereinander sind die AGB keine AGB. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 07.11.2001, Az. VIII ZR 13/01, überzeugend für Recht erkannt. Damals ging es nicht um eBay, sondern um ricado, und AGB wurden noch im AGBG geregelt und nicht wie heute im BGB. Wie die Zeit vergeht! Wer kennt heute noch ricardo?

Irrelevant waren die ricardo-AGB und sind auch die eBay-AGB nicht. Ob ein Vertrag zustande kommt und, wenn ja, welchen Inhalt er hat, ist durch Auslegung zu ermitteln (§§ 145 ff. BGB). Entscheidend ist, wie ein objektiver Dritter ohne eigene Interessen an dem einen oder anderen Ergebnis das Verhalten des Erklärenden an Stelle des Erklärungsempfängers bei verständiger Würdigung verstehen musste. Wenn bei einer Online-Auktion die eBay-AGB definieren, wie ein Kaufvertrag zustande kommt, dann ist das Verhalten von Verkäufer und Käufer unter anderem an dem zu messen, was in den AGB zum Vertragsschluss zwischen Verkäufer und Käufer steht; nicht, weil es AGB sind (das sind sie in dieser Beziehung ja nicht), sondern weil sie ausdrücken, wie man sich bei eBay verhält, wenn man einen Kaufvertrag schließen möchte, und weil Verkäufer und Käufer das Verhalten des jeweils anderen nach diesen Maßstäben auslegen müssen.

Das ist ein bisschen wie mit dem Halven Hahn: Wenn ein Bayer in Köln einen solchen bestellt und sich auf ein (erstaunlich preisgünstiges) halbes Hähnchen freut, aber nur eine Semmel mit Käse bekommt, dann hat der Gastronom Recht: Es gilt, was man in Köln unter einem Halven Hahn versteht, nicht das, was der unkundige Tourist sich darunter vorstellt. So gilt auch bei eBay die Auslegung nach den „örtlichen“ Gepflogenheiten.

Du hast insofern Recht, als sich in den Klauseln, die der Verkäufer AGB nennt, Regeln zum Vertragsschluss finden könnten, auf die es nicht als AGB, aber als Auslegungsregeln ankommt. Dann müsste man sich, wenn der Kauf außerhalb von eBay stattgefunden hat, allerdings fragen, ob der Verkäufer wirklich davon ausgehen durfte, dass der Käufer die AGB nach solchen Regeln durchsuchen würde.

Indes habe ich in meiner ersten Antwort die Möglichkeit außer Acht gelassen, dass sich der Verkäufer ausdrücklich, zum Beispiel in einer E-Mail, zum Vertragsschluss erklärt. Wenn er eine Zahlung anfordert und dabei klar zu erkennen gibt, dass der Vertrag selbst mit der Zahlung nicht als geschlossen gilt, dürfte es schwer sein, trotzdem einen Vertragsschluss anzunehmen.

Außerdem sollte man in der Rechtspraxis nie vergessen, dass auch Amts- und Landgerichte manchmal tendenziell überraschende Entscheidungen treffen. Umso mehr Spielraum bei der Auslegung von Gesetzen, Rechtsgeschäften und Willenserklärungen besteht, desto größer die Gefahr für den, der eigentlich Recht hat. Das gilt natürlich ebenso für alle Texte auf wer-weiss-was inklusive der meinen. Auch die Gefahr, dass ich mit meiner Einschätzung danebenliege, will stets bedacht sein.

Schließlich muss man in der Rechtspraxis bedenken, dass manche Richterinnen und Richter nach der Schweinehund-Theorie vorgehen. Sie schauen sich den Fall an, ermitteln mit ihrem gesunden Judiz, was rauskommen muss, und schauen, ob sich das gesetzlich begründen lässt. Einen Versand zu „vergessen“, um dann einen deutlich erhöhten Preis zu verlangen, hinterlässt schon einmal einen schlechten ersten Eindruck.

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Vielen Danke schon einmal, da lag ich ja mit meinen Gedanken nicht ganz falsch.

Hier noch ein paar weitere Infos

Hat der Verkäufer nicht. Es kam eine übliche Auftragsbestätigung mit dem Inhalt ‚Bestellt via Portal XYZ, der Verkäufer wird sich melden, wenn Versand erfolgt‘. Die Versandmeldung erfolgte auch.

Und dann aktuell die Storno der Bestellung und Gutschrift des Betrages. Bin offen gesagt ein wenig angefressen, hatte ich doch online bestellt da es offline den Artikel im weiteren Umkreis nicht gibt. Warenwert ursprünglich unter 10€.

Bin jetzt noch am überlegen, ob ich den Verkäufer anranze, dass er einen gültigen Vertrag mit mir hat oder ob mir die Lebenszeit dafür zu schade ist - und ich hoffentlich den Artikel hier wieder ganz normal erwerben kann.

Herzlichen Dank für deine umfangreichen Ausführungen! Sehr informativ!