Verschränkter Relativsatz, Latein

Hallo!
Kann mir jemand mit eigenen Worten den verschränkten Relativsatz erklären, am besten mit ein paar Beispielen? Oder weiss jemand ne gute Seite dafür…?
Und was ist dabei der Unterschied zwischen einer „normalen“ Übersetzung des Verschränkten Relativsatzes und der „Parenthese“??

Danke im Voraus
vandersauf

Hi,

wird ein Relativsatz mit einer ihm untergeordneten Konstruktion, z.B. AcI oder p.c., oder einem ihm untergeordneten Gliedsatz verschränkt, dann wird die Konstruktion des Relativpronomens durch den untergeordneten Satz bzw. die untergeordnete Konstruktion bestimmt. Soweit jedenfalls die Definition. Besonders häufig ist die relative Verschränkung mit einem AcI, wobei das Relativpronomen im Akkusativ erscheint und Subjektsakkusativ des AcI ist. Für eine Übersetzung empfehle ich dir, das Relativpronomen durch ein Demonstrativpronomen zu ersetzen und so zu übersetzen. Dies funktioniert immer bei sogenannten nicht notwendigen Relativsätzen (also solche, die für das Verständnis des Satzes nicht notwendig sind, sondern nur Zusatzinfos hinzufügen).

Bsp.: Hostes ad flumen Axonam contenderunt, quod esse post castra nostra demonstratum est.

Das Relativpronomen quod (Akk. Sg. neutrum) ist der Subjektsakkusativ des AcI, der von „demonstratum est“ (es wurde gezeigt) ausgelöst wird. Der zugehörige Infinitiv ist esse. Ersetzt man quod durch das entsprechende Demonstrativpronomen, wird daraus:

Hostes ad flumen Axonam contenderunt; hoc esse post castra nostra demonstratum est.

Übersetzt heißt das: Die Feinde eilten zum Fluss Axona. Es wurde gezeigt, dass dieser hinter unserem Lager war. (das heißt also: dass dieser hinter unserem Lager floss.) Dabei habe ich die Übersetzung als dass-Satz gewählt, was du - wie ich annehme - „normale“ Übersetzung nennst. Auch die anderen Übersetzungsvarianten des AcI, die du schon kennen dürftest, sind möglich, von denen insbesondere noch die wie-Parenthese zu nennen ist: … Dieser floss, wie gezeigt, hinter unserem Lager. Im Prinzip bist du damit fertig; jedenfalls gäbe es in einer Latinumsklausur keinen Fehler. Jedoch ist es möglich, auch im Deutschen eine enge Verknüpfung der beiden Sätze durch die Verwendung eines Relativsatzs herzustellen. Dies kann man vor allem durch eine Formulierung mit „von“ oder mit der wie-Parenthese erreichen:

von: Die Feinde eilten zum Fluss Axona, von dem gezeigt wurde, dass er hinter unserem Lager floss.
wie-Parenthese: Die Feinde eilten zum Fluss Axona, der - wie gezeigt wurde - hinter unserem Lager floss.

Es gibt auch Relativsätze, die für das Verständnis des Satzes notwendig sind. Eine Übersetzung mit Demonstrativpronomen ist dann nicht möglich, sondern man muss eine Übersetzung mit Relativsatz wählen, wie die oben erwähnte Formulierung mit „von“ oder die wie-Parenthese. Trotzdem kann dir die Übersetzung mit Demonstrativpronomen hilfreich sein, wenn du den Satz schwer überblickst.

Beispiel: Syrus, quem Marcus in horto laborare dicit, laborem iam finivit.

Hier ist das Relativpronomen quem (Akk. Sg. maskulin) Subjektsakkusativ des AcI, der von dicit ausgelöst wird. Angenommen, du hast Schwierigkeiten, den Satz zu überblicken. Dann ersetze quem durch hunc:

Syrus laborem iam finivit. Marcus hunc in horto laborare dicit.
Das heißt: Syrus hat die Arbeit schon beendet. Marcus sagt, dass dieser im Garten arbeitet. (Ich möchte betonen, dass dies in der Klausur einen Fehler geben würde. Es eignet sich nur als Zwischenschritt.)

Damit solltest du den Sinn des Satzes verstehen und nun kann man im Deutschen die Verknüpfung per Relativsatz wiederherstellen:

von: Syrus, von dem Marcus sagt, dass er im Garten arbeitet, hat die Arbeit schon beendet.
wie-Parenthese: Syrus, der - wie Marcus sagt - im Garten arbeitet, hat die Arbeit schon beendet.

Noch ein Beispiel: Illi vivunt, quos extinctos esse arbitramur. Hast du Schwierigkeiten damit, ersetze quos durch hos: Illi vivunt. Hos extinctos esse arbitramur. Das heißt: Jene leben. Wir glauben, dass diese ausgelöscht seien. Auch hier muss man sagen, dass dies in der Klausur ein Fehler wäre, aber damit solltest du den Inhalt verstanden haben und in der Lage sein, einen deutschen Relativsatz zu formulieren. Mit von: Jene leben, von denen wir glauben, dass sie ausgelöscht seien. wie-Parenthese: Jene leben, die - wie wir glauben - ausgelöscht sind. Etwas freier, aber in einer Latinums-Klausur voll OK: Jene leben, die wir für ausgelöscht halten.

Ich hoffe, dich hat die Unterscheidung zwischen notwendigen und nicht notwendigen Relativsätzen nicht durcheinandergebracht. Also: Bei nicht notwendigen verschränkten Relativsätzen kann man mit Demonstrativpronomen übersetzen, kann aber auch die Formulierung mit „von“ oder die wie-Parenthese wählen. Bei notwendigen verschränkten Relativsätzen MUSS man eine Übersetzung mit Relativpronomen wählen (mit „von“ oder wie-Parenthese), aber die Übersetzung mit Demonstrativpronomen ist hilfreich für das Verständnis. Bist du unsicher, übersetze einfach immer mit „von“ oder mit wie-Parenthese.

Gruß

Marco

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Vielen vielen Dank, ist echt hilfreich!
Aber hast du das alles selbst geschrieben oder gibt’s das auf ner Seite??

Gruss vandersauf

Vielen vielen Dank, ist echt hilfreich!
Aber hast du das alles selbst geschrieben oder gibt’s das auf
ner Seite??

Hab ich im wesentlichen selber geschrieben, oder besser in vereinfachter Version abgeschrieben aus der Lateinischen Grammatik von Rubenbauer-Hoffmann-Heine ( http://www.amazon.de/Lateinische-Grammatik-B-Hans-Ru… ).

Gruß Marco

Kann mir jemand mit eigenen Worten den verschränkten
Relativsatz erklären, am besten mit ein paar Beispielen? Oder
weiss jemand ne gute Seite dafür…?

Hallo,

vandersauf!

Eine erschöpfende Erklärung hast du ja schon bekommen.
Ein Tipp fürs Übersetzen: Kopple den Relativsatz ab, indem du ein Semikolon davordenkst, und fasse das Relativpronomen dann als Relativen Satzanschluss auf, den du im Deutschen ja mit dem Demonstrativpronomen wiedergibst; wenn der lat. Satz dann noch weitergeht, machst du aus diesem so übersetzten Relativsatz am besten eine Parenthese. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten (siehe unten).
Beispiel Cicero, pro Milone 1:
Si quid est in me ingenii […], QUOD sentio, quam sit exiguum,
Wenn ich etwas an Talent besitze - wie gering DIES ist, merke ich -
aut si qua exercitatio dicendi, in QUA me non infiteor mediocriter esse versatum […]
oder wenn einige rhetorische Ausübung - dass ich mich DAMIT einigermaßen beschäftigt habe, leugne ich nicht -
aut si huiusce rei ratio aliqua ab optimarum artium studiis ac disciplina profecta, a QUO ego nullum confiteor aetatis meae tempus abhorruisse,
oder wenn ein gewisses Maß an Theorie in dieser Sache, gewonnen aus dem gründlichen Studium der besten Wissenschaften - dass ich mich in jedem Augenblick meines Lebens mit IHR befasst habe, gebe ich zu -,
(dann darf den Ertrag davon mit vollem Recht der Aulus Licinius hier
von mir einfordern.)
Als Hilfsübersetzung beim Übersetzungsvorgang kannst du auch statt des Parenthese die folgende Art der Umschreibung anwenden, sprachlich nur ein Notbehelf, aber man kann damit immerhin zeigen, dass man die Satzkonstruktion und den Sinn erfasst hat:
… etwas an Talent, von dem ich weiß, wie gering es ist
[–> das, wie ich weiß, …]
… einige rhetorische Ausübung, von der ich nicht leugne, dass ich mich …
[–> mit der ich mich, wie ich nicht leugne, …]
ein gewisses Maß an Theorie, von der ich zugebe, dass ich …
[–> mit der ich mich, wie ich zugebe …]
Salve!
Hannes