Versteuerung bei Camjob?

Hallo!

Ich habe da eine Frage, denn mit Steuern etc kenn ich mich nun überhaupt nicht aus…
Also wie sieht es bei „Camgirls“ aus? Wie müssen die ihren Verdienst anmelden? Die verdienen ja jeden Monat unterschiedlich, je nach dem wie fleißig sie waren.
Ich wüsste jetzt überhaupt nicht, wo ich da anfangen sollte, wenn man noch nicht einmal jemals eine Lohnsteuerkarte in seinem Leben gehabt hat :smile: bzw überhaupt mal einen Verdienst hatte.

Sorry für die dummen Fragen, aber ich hab keinen blassen Schimmer!!

Dankeschön

Ich vermute Sie unterhalten einen kleinen Gewerbetrieb, so ähnlich wie ein Kiosk um die Ecke. Als erste Sofortmassnahme sollten Sie so etwas wie ein Kassenbuch (oder ein extra Bankkonto) führen in dem für jeden Tag des Jahres die Einnahmen und Ausgaben feststellbar ist. Daneben sollten sie auch alle Rechnungen und belege nach Datum sortieren und aufbewahren. Was Sie im Endeffekt benötigen ist eine geordnete und vollständige Sammlung aller Belege über die Einnahmen und die ausgaben als Camgirl. Dabei gilt am Anfang stets: Zuviel ist immer besser als zu wenig! Die Betonung liegt nämlich auf vollständige Sammlung.

Wenn sie dann dabei bleiben wollen, sollten Sie mit den gesammelten Werken (Belegen) und ihren Kontoauszügen bei Zeiten einen Steuerberater besuchen, der macht ihnen das dann, is halb so wild…

Ich arbeite ja nicht „frei“…sondern bin bei einer Agentur angestellt…mit Arbeitsvertrag usw…
man sagte mir nur, ich müsse das mit den steuerabgaben selbst regeln…

nur wie??

Hallo Kristina,

Also wie sieht es bei „Camgirls“ aus? Wie müssen die ihren
Verdienst anmelden?

das hängt vom Einzelfall ab. Aber der Reihe nach:

Nichtselbständige Tätigkeit im Sinn eines Arbeitsverhältnisses darf man da in D wohl ausschließen. Es geht also, wie Diogenes annimmt, um einen Gewerbebetrieb, und die Sache mit der Lohnsteuerkarte kannst Du vergessen.

D.h. am Anfang steht die Anmeldung des Gewerbes bei der Gemeinde. Keine Sorge, die Leute bei der Gemeinde kennen das, da ist nichts Peinliches dran. Und sie werden sich hüten, da nicht dicht zu halten.

Wie genau die Besteuerung funktioniert, hängt davon ab, wie der Vertrag mit dem Portal gestaltet ist.

Das wohl üblichste Modell ist, dass der Betreiber des Portals nur das Portal, den Server etc. zur Verfügung stellt und das Entgelt erhebt, und ein Vertrag unmittelbar zwischen dem Chat-Gast und dem Camgirl entsteht: D.h. Einnahmen des Camgirls ist alles, was der Chat-Gast bezahlt, und für die genannten Leistungen behält der Betreiber sein Entgelt ein, das sind dann Betriebsausgaben des Camgirls. Dazu kommen noch Anschaffung und Unterhalt der Webcam, eventuell Beleuchtung, Deko, Accessoires etc. als Betriebsausgaben.

Es gibt wohl auch Betreiber, bei denen zwei Verträge entstehen: Chat-Gast mit Betreiber und Betreiber mit Camgirl. Meines Wissens ist dieses Modell eher unüblich, weil man damit leicht in die Gegend von sittenwidrigen ergo nichtigen Verträgen rutscht, ferner als Betreiber Schwierigkeiten bekommen kann, wenn im Chat Livetreffen angebahnt werden.

Bei dem ersten beschriebenen Modell kann eines schwierig werden: Selbst wenn das Camgirl selber nicht viel von seinen Einnahmen sieht, weil ein erheblicher Teil davon an den Betreiber des Portals geht, landet man da schnell oberhalb der Kleinunternehmergrenze (§ 19 I UStG) landen, und es wird Umsatzsteuer erhoben. - Beispiel: 60 min Chat am Tag bei zweihundert Tagen im Jahr sind bei 1,50 €/min bereits 18.000 €/Jahr, die Kleinunternehmergrenze ist von Anfang an überschritten. Das Problem daran ist, dass es kaum möglich sein wird, vom Betreiber eine ordentliche Rechnung zu bekommen, die die USt-Zahllast per Vorsteuerabzug verringern würde.

Wieauchimmer: Die Gewinnermittlung besteht jetzt aus dem laufenden Aufzeichnen von Einnahmen und Betriebsausgaben, Einnahmen minus Ausgaben sind der Gewinn, der in der Einkommensteuererklärung erklärt wird. Wenn etwa im gegebenen Beispiel der Betreiber 80 Cent/min für seine Leistungen einbehält, bleiben im Jahr 8.400 € minus übrige Betriebsausgaben, lass es 800 € sein, dann fällt keine Einkommensteuer und keine Gewerbesteuer an.

Zur Sache mit der Umsatzsteuer führe ich jetzt nichts weiter aus, weil ich Deine Vorkenntnisse nicht kenne.

Schöne Grüße

MM

Servus,

das kann nicht stimmen, was die Agentur da erzählt.

Entweder es gibt einen echten Anstellungsvertrag. Dann ist die Agentur Arbeitgeber und muss Lohnsteuer einbehalten. Dann ist die ESt-Erklärung ganz leicht, weil der Arbeitgeber auf den monatlichen Abrechungen und auf der Jahresbescheinigung das steuerpflichtige Entgelt selber ausrechnet und bescheinigt.

Oder es geht um sowas wie einen Werkvertrag - das würde dann auf eine selbständige ggf. gewerbliche Tätigkeit hinauslaufen und es gäbe einen Sinn, wenn die Agentur meint, die Versteuerung sei Sache der Auftragnehmerin. Ein Werkvertrag ist schon deswegen wahrscheinlicher, weil keine Agentur einem Camgirl präzise Weisungen erteilen kann, wie sie sich im Chat genau zu verhalten hat - da wäre wieder das Problem mit der Sittenwidrigkeit.

Was ist denn genau in dem Vertrag geregelt? Was steht als Überschrift drüber? Gibt es Urlaub, Regelungen für den Krankheitsfall? Gibt es genau vorgeschriebene Online-Zeiten? Welche Vereinbarungen sind für die konkrete Durchführung der Tätigkeit getroffen? Wie ist das Entgelt genau formuliert?

Schöne Grüße

MM

lol…

das ist ein Griff ins pralle Leben.

tendenziell würde es mich überraschen, wenn sich so eine Agentur Arbeitnehmer anlacht. Die Frage ist, ob Sie Arbeitszeit und Arbeitsort bzw. Arbeitseinsatz frei bestimmen können. Wenn nicht wären Sie wohl AN und damit lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig. Ich unterstelle mal, dass es kein 400 € (pro Monat)-Job ist.Dann brauchen Sie eine Lohnsteuerkarte

Können Sie frei bestimmen, würden Sie wohl, wie meine Vorredner anmekren, selbständig sein und ein Gewerbe ausüben.

ich würde mich martin anschliessen, es kann durchaus sein, dass die aussage deiner agentur vom Finanzamt später nicht als begründung für irgendetwas anerkannt wird, sondern das Amt wird den vertrag sehen wollen und dann selbst entscheiden! Hier im forum können wir jetzt mit allerletzter sicherheit nichts sagen. es hängt halt alles von diesem vertrag ab.

wende dich mit dem agentur vertrag mal an einen juristen oder steuerberater und stelle die folgende frage: Bin ich selbständig oder bin ich arbeitnehmer?

so auf die schnelle würde ich - als misstrauischer mensch - denken, deine agentur hat es so gedreht, dass du doch selbständig bist. aber, ohne vertrag kann ich nur raten.

Danke das ihr euch alle damit befasst…ich stelle wirklich dämliche fragen!!

Also auf dem Vertrag stünde Arbeitsvertrag (kein fester Arbeitsvertrag-Nebenberuf)…in dem Vertrag sei geregelt Beginn,Probezeit,Tätigkeit,Aufgabengebiet,Kündigung,Vergütung…

Servus,

ich stelle wirklich dämliche fragen!

auch nicht dämlicher als der durschnittliche ebay-Powerseller. Zumal diese Grauzone insofern hochinteressant ist, als sich da keine Behörde richtig ranwagt, obwohl da noch satt Geld zu holen wäre - was gleichzeitig den Status der betroffenen Arbeitnehmer erheblich aufwerten würde, u.a. würde es reichen, den Job eine Weile zu machen, um daraus Ansprüche auf Arbeitslosengeld I zu erwerben. - Der Bundesrechnungshof hat sich bereits heftig drüber beklagt, dass sich um den (im weitesten Sinn) benachbarten Rotlicht-Bereich fast kein Finanzamt in D wirklich kümmert.

Dieses:

Also auf dem Vertrag stünde Arbeitsvertrag (kein fester
Arbeitsvertrag-Nebenberuf)…in dem Vertrag sei geregelt
Beginn, Probezeit, Tätigkeit, Aufgabengebiet, Kündigung, Vergütung…

zeigt, dass der Agenturinhaber entweder dumm wie ein Teller Bratkartoffeln ist oder sämtliche eventuell in Frage kommenden Behörden so fett geschmiert hat, dass keiner dran denkt, ihm ans Leder zu gehen. Letzteres ist vor allem bei der Sozialversicherung eher unwahrscheinlich, weil da so viele verschiedene Leute im Spiel sind, dass man gar nicht weiß, wohin man die Handsalben verteilen soll.

Offenbar ist da irgendein beliebiger Arbeitsvertrag ungefähr 1:1 abgekupfert worden. Das bedeutet für den Agenturinhaber: Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht für seine Arbeitnehmer, Recht auf bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etc. etc.

Wieauchimmer: Wenn jetzt noch eine konkrete Regelung der Arbeitszeiten ins Spiel kommt, braucht der Arbeitnehmer erstmal gar nichts machen, außer rechtzeitig einen Fachanwalt (Arbeitsrecht hier wichtiger als Steuerrecht) zu kontaktieren, und sich dann am Ende des Jobs drüber freuen, dass er einige Zeit lang für lau, ohne Arbeitnehmeranteile, sozialversichert war und dass sich das FA die Lohnsteuer mit einiger Wahrscheinlichkeit beim Arbeitgeber eintreibt: Die ausgezahlten Beträge sind Netto-Auszahlungen, auch wenn die Beträge, die der Arbeitgeber hätte einbehalten müssen, auf keiner Abrechnung stehen.

Man kann die Behandlung von steuer- und sozialversicherungspflichtigem Arbeitslohn nicht einzelvertraglich bestimmen.

Kommt natürlich drauf an, was für Kumpels der Betreiber der Agentur hat. Albaner sollten besser keine dabei sein, wenn man die beschriebene Tour angeht.

Schöne Grüße

MM

Düsseldorfer Modell
Hallo,

auch nicht dämlicher als der durschnittliche ebay-Powerseller.
Zumal diese Grauzone insofern hochinteressant ist, als sich da
keine Behörde richtig ranwagt, obwohl da noch satt Geld zu
holen wäre - was gleichzeitig den Status der betroffenen
Arbeitnehmer erheblich aufwerten würde, u.a. würde es reichen,
den Job eine Weile zu machen, um daraus Ansprüche auf
Arbeitslosengeld I zu erwerben. - Der Bundesrechnungshof hat
sich bereits heftig drüber beklagt, dass sich um den (im
weitesten Sinn) benachbarten Rotlicht-Bereich fast kein
Finanzamt in D wirklich kümmert.

Da muss ich doch widersprechen. Unter der Bezeichnung Düsseldorfer Modell sind die Steuerfahndungsstellen im Bereich Prostitution und Abschöpfung einer zwar pauschalierten, aber wenigstens erhobenen Steuer aktiv. Ich habe dazu einige seriöse Links rausgesucht :wink:

http://www.hellweg24.de/news/2007/weniger-schwarzarb…

http://zeus.zeit.de/text/archiv/2002/03/200203_titel…

http://209.85.129.104/search?q=cache:Hq73Nq9EAdcJ:ww…
ich mag keine pdf Links, deshalb hier der google-cache

http://209.85.129.104/search?q=cache:Hq73Nq9EAdcJ:ww…

Ich gehe davon aus, dass das Düsseldorfer Verfahren mittlerweile bundesweit eingesetzt wird. Einen passenden Link konnte ich aber auf die Schnelle nicht finden.

http://www.ka-news.de/kaspezial/news.php4?show=pma20…

Schöne Grüße
C.

Servus Cirwalda,

Ich gehe davon aus, dass das Düsseldorfer Verfahren
mittlerweile bundesweit eingesetzt wird.

das kann ich nicht ausschließen. Das Aufsätzlein zu dem Thema in NWB, in dem davon die Rede war, dass sich die Anwendung im wesentlichen auf die OFDn Düsseldorf und Karlsruhe/Stuttgart beschränkte, und dass diese magere Praxis vom Bundesrechnungshof bitter beklagt worden sei, ist wohl ungefähr ein Jahr alt (ergo noch nicht abgelegt, ich brauchs gar nicht versuchen zu finden, und die NWB-Onlinerecherche ist ein richtiger Festplattenfüller) - seither mag da einiges anders geworden sein: Zumal es sich mit dem Bundesrechnungshof im Rücken wesentlich leichter lebt, weil das Düsseldorfer Verfahren zwar pragmatisch und durch seinen Erfolg legitimiert ist, aber sich nicht so recht aus geltendem Recht ableiten lässt, so dass sich jeder, der das anwendet, halt schon aus dem Fenster lehnt.

Schöne Grüße

MM