Vertretungsfach "Allgemeinbildung"

Ich hab mir da grad sowas überlegt. Bei uns in den Nachrichten ist grad, dass ein Elternvertreterverband an Gymnasien dafür klagen will, dass 11% Unterrichtsausfall zu viel seien und die Schulen das gefälligst auf 8% reduzieren sollen. Sehe ich ein, Unterrichtsausfall ist doof.

Andererseits sehe ich auch ein, dass das für die Schulen mit der Vertretung gar nicht leicht zu organisieren ist. Entweder schickt der kranke Lehrer irgendwelche Unterrichtsmaterialien - super, wenn das klappt! Ich könnte das nicht in jedem Fall leisten, denn ich wäre ja aus gutem Grund krank und dann eben nicht in der Lage, noch mal fix eben ein kluges Arbeitsblatt zu entwickeln.

Wenn das also dem erkrankten Lehrer auch so geht, dann brauchen wir einen Vertretungslehrer. Der zufällig das gleiche Fach in dieser Stufe unterrichtet (der sollte ja eine grobe Vorstellung haben, was da grad Lehrstoff ist). Der zufällig Zeit hat. Und der zufällig nicht eh schon Fantastillionen von Überstunden hat. Okay, gehen wir davon aus, dass wir so jemanden finden. Aber bis der dann genau weiss, was die Schüler in der letzten Stunde hatten und sich wenigstens halbherzig auf die Klasse eingeschossen hat - bis dahin ist doch der erkrankte Kollege auch wieder genesen. Ist also auch doof.

Natürlich könnte man in der Vertretungsstunde dann „irgendwas zum Thema gehörendes“ machen. Ist aber meistens auch blöd, weil das halt dann nicht direkt zum Lehrplan passt und der Stoff eh nachgeholt werden muss. Außerdem geht das nicht in allen Fächern so richtig gut, plus es erfordert ein ordentliches Engagement vom Vertretungslehrer.

Kurz gesagt: Unterrichtsausfall ist blöd. Vertretung ist auch blöd.

Gleichzeitig jammern alle Leute aber doch immer, dass die Schüler mit dem Abitur „nichts praktisches“ können. Also keinen HartzIV-Antrag ausfüllen, keine Steuererklärung machen, wissen nicht wer oder was am Wochenende gewählt wird und wie man den Müll trennt* und lauter so Kram.

Und bei ungefähr 10% Ausfallquote vom Unterricht - das könnte man doch kombinieren. Gingen wir mal davon aus, dass Schüler 20 Wochenstunden Unterricht haben (wilde Schätzung), dann sind das 2 Stunden pro Woche pro Klasse. Dafür lohnt sich’s doch, pro Schule ungefähr einen (oder zwei halbe oder was-auch-immer) „Vertretungslehrer Fach Allgemeinwissen“ einzustellen. Der hat dann halt seine Unterrichtsvorbereitung pro Klassenstufe „Vertretungsstunde 1 bis 100“ und hat somit seine Unterlagen quasi immer in der Schublade (die Vorbereitung ist immens, logisch!) und kann bei Krankheit dann sofort einspringen. Vorteile wären:

  • sinnvolle Beschäftigung bei Unterrichtsausfall
  • „Allgemeinwissen“ ist kein Schaden
  • möglicherweise unabhängig vom Lehrplan sondern nach Interesse der Schüler

Nachteile:

  • wir brauchen mehr Lehrer (was ja ein generelles Problem ist - wobei ich mir an dieser Stelle absolut auch Quereinsteiger, ehrenamtliche „Fachleute“ etc. vorstellen könnte)
  • die Leute haben einen überaus flexiblen Stundenplan, können also selber nur wenig planen
  • sicherlich gibt’s auch mal Überschneidungen, wenn mehr als ein Lehrer gleichzeitig ausfällt, man kriegt also nicht 100% abgedeckt
  • für langfristige Ausfälle muss sicher eine „fachliche“ Vertretung her

Was meint Ihr dazu? Warum ist noch kein kluger Mensch auf diese Idee gekommen?

*Ja, ich weiss, das betrifft nicht jeden. Ja ich weiss, manche können das. Ja, ich weiss, manches wird auch im „normalen“ Unterricht besprochen. Das hier sind nur dumm gewählte Beispiele

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Hi Jana!

Die Idee finde ich gut. Wir hatten an meiner vorherigen Schule schon einmal etwas ähnliches ausprobiert: Es gab einen Ordner, in den jeder Unterrichtsvorschläge einheften konnte, die in einer Doppelstunde und unvorbereitet durchgeführt werden konnte.
Dabei waren dann Wortschatzübungen, Matherätsel, usw.

In meinem Deutschunterricht in der BF1 hatte ich mal ein Projekt „Auf eigenen Füßen stehen“ gemacht, wo die Schüler lernten, was der Unterschied zwischen Kalt- und Warmmiete ist, was man unter Nebenkosten versteht, was eigentlich 3-Zimmer-Wohnung, Nebenraum und Nutzfläche bedeutet und wofür die Kaution ist. Am Ende konnten Sie bei einer Wohnungsanzeige ausrechnen, was die monatlich insgesamt kosten würde, wie man eine Kündigung schreibt oder die Ankündigung einer Mietminderung usw.
Die waren davon so begeistert, dass sie als nächstes lernen wollten, wie man eine Steuererklärung ausfüllt!! :stuck_out_tongue_winking_eye:

Einen Springer an der Schule für solche Vertretungsstunden fände ich gut, weil man dann, wenn man krank ist, nicht so ein schlechtes Gewissen hat.

Ich bin an der Berufsschule und leider haben wir viele Schüler, die aus verschiedensten Gründen kaum allein arbeiten können oder wollen. Das ist eigentlich das größte Problem am Stundenausfall.

Ich möchte die Idee gern weiterspinnen…

Grüßle

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Tolle Idee! Und großen Respekt an @DropDeadDiva dass sie wirklich mal so etwas angeboten hat.

Meine Schuljahre sind schon ein wenig her, damals™ und hier® war solch ein Sachbezug durchaus vorhanden - geschadet hat es nicht (ich erinnere mich dunkel an einen Vergleich diverser Autowerbungen und der Ausarbeitung der Vor- und Nachteile der Schesen)

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Hallo in den Süden,
ich halte das für eine extrem gute Idee! Unter „Allgemeinbildung“ lässt sich vieles verankern, was im Lehrplan nicht zwingend vorhanden, aber im Leben für den Alltag wichtig ist.
Das sind ja nicht nur Formulare, die später mal auszufüllen sind, sondern auch einfache Dinge:

  • Wie finde ich ohne Handy, Maps oder Navy den Weg von A zu B?
  • Stromausfall für 1-5-24 St-unden.
  • Ich habe Hunger. Im Kühlschrank sind 3 Eier, ein bisschen Käse und Ketchup, Margarine. Außerdem eingetrocknete Brotreste.
    Na ja, halt so Was.
    Wenn es nicht nur um „Beschäftigung“ gehen soll, gibt es bannig viele Themenbereiche. Und sei es die Art und Weise, wie man seinen Kleiderschrank am Besten organisiert.
    LG
    Amokoma1
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Das sollen Kinder lernen?
Ich bin dafür, dass sie direkt lernen, solch ein Zeug gar nicht erst zu kaufen, sondern wie man dafür sorgt, dass man immer etwas Vernünftiges im Kühlschrank hat und sich damit gesund ernährt.

Ja, ich finde schon. Es sind nämlich in der realen Kühlschrankwelt von Kindern eben nicht die zu bevorzugenden Produkte (über die können wir beide uns sicher einig werden) regelmäßig zu finden. Üblicherweise kaufen und „kochen“ in Deutschland nicht die Kinder ein. Die müssen meiner Meinung nach auch nicht die Rollen der für sie zuständigen Erwachsenen übernehmen. Das wäre maßlose Überforderung und gleichzeitig Freifahrt für Erziehungsberechtigte, die sich mit dem Deckmäntelchen „partnerschaftliche Erziehung“ aus ihrer Verantwortung stehlen.
Upps, da war ich sehr vehement.
Ich mein das aber ziemlich ernst - hat auch Einiges damit zu tun, dass mehr und mehr klassische Erziehungs- und auch Bildungsaufgaben von Eltern als neue Aufgaben von „Schule“ gefordert werden. Parallel dazu mischen sich Eltern zunehmend in völlig übliche schulische Vorgänge ein. Irgendwas stimmt da ganz und gar nicht.
Das kann nicht auf dem Rücken der Kinder ausgekocht werden.
LG
Amokoma1

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