Es geht auch nicht um die 12 Mitgliedsstaaten damals, sondern um die Ukraine heute. Die sich im Krieg befindet. Da sind fast vierzig Jahre alte Betrachtungen vielleicht nicht ganz so aussagekräftig.
Hallo,
das verstehe ich nicht, das kann man mir und vielleicht auch anderen wahrscheinlich nur mit sehr vielen Worten erklären, aber passt schon, würde am Thema vorbeigehen.
Gruss
Czauderna
Und genau deswegen war das ein sehr sinnvolles und stichhaltiges Argument, denn seinerzeit war viele aus den gleichen Gründen gegen den Beitritt Spaniens und Portugals und für alle anderen Erweiterungen gilt dies sinngemäß. Tatsächlich sind Spanien und Portugal bis heute Nettoempfänger, aber wie bei allen Rechnungen dieser Art werden dabei die positiven Effekte für Unternehmen und Privatpersonen in den anderen Ländern (insbesondere bei den Nettozahlern) nicht mit einbezogen.
Gerade was die Ukraine angeht, wäre ein Beitritt ein Riesengewinn gerade für die deutschen Unternehmen, denen mit der Ukraine ein ganzes Heer an billigen, aber vergleichsweise gut ausgebildeten Arbeitskräften zur Verfügung stünde, dessen Arbeitsergebnisse dann ohne Zölle und Wartezeiten wunderbar in die Produktionsketten eingebaut werden könnten.
Deutschland ist ja nicht größter Nettozahler, weil bei uns die Wirtschaft am Boden liegt, sondern weil wir so viel exportieren und das können wir, weil wir einen Großteil der Vorprodukte insbesondere für unsere Kraftfahrzeuge billig in Osteuropa fertigen lassen. Der EU-Beitritt Rumäniens und Ungarn war gerade für die deutsche Automobilindustrie eine Sternstunde. Auf einmal konnte man das, was man dort produzierte, ohne Zölle und Wartezeiten nach Deutschland karren, ohne Verzögerungen von mehreren Tagen einkalkulieren zu müssen (mit entsprechender Mittelbindung und entsprechenden Risiken).
Der EU-Beitritt einer dann stabilen und friedlichen Ukraine wäre dann das nächste derartige Ereignis, denn schon seit ein paar Jahren überlegt man sich, wohin man aus dem natürlich auch immer teurer werdenden Rumänien ziehen könnte, um noch billiger zu produzieren. Afrika ist zu instabil und Zentralasien aufgrund des aufwendigen Transports recht teuer und unhandlich. Die Ukraine wäre aufgrund des Landweges hingegen ideal.
Kurz: wer hier mit Ausgaben der EU argumentiert, übersieht die potentiellen Gewinne für deutsche Unternehmen. Da verbirgt sich übrigens auch ein Grund für Orbans Widerstand: der weiß genau, dass Ungarn nach einem Beitritt der Ukraine viele Produktionsstätten dorthin verlieren würde.
Vielleicht kann man auch durch heutige Betrachtungen der Entwicklung, die sowohl die EU als auch die genannten Länder seither genommen haben, eine umso bessere Prognose für die Entwicklung treffen, die die EU und die Ukraine in den kommenden vierzig Jahren erfahren werden.
Bist Du beiläufig sicher, dass der Krieg länger als ein Beitrittsverfahren gehen wird?
Da stimme ich dir zu, aber das eine schließt ja das andere nicht aus.
Der Prozess muss ja irgendwann mal starten. Ich verstehe natürlich die Bedenken, aber wenn man zur Regel machen würde, dass ein Land im Kriegszustand kein EU-Beitragskandidat sein darf, macht man es Russland in Zukunft halt doch sehr einfach.
Die Ukraine hat aktuell einen CPI von 33. Rumänien hatte im Jahr vor seinem Beitritt einen Wert von (umgerechnet) 31 und Bulgarien kam sogar 1 Jahr nach seinem Beitritt auf 36.
Das sind die Werte der aktuellen Beitrittskandidaten:
Albanien: 36
Bosnien: 34
Georgien: 56
Moldau: 39
Montenegro: 45
Nordmazedonien: 40
Serbien: 36
Türkei: 36
Ähnliches bei Demokratieindex:
Ukraine: 5,42
Georgien: 5,2
Bosnien: 5
Türkei: 4,35
Was kann man sich sonst anschauen? Bei der Alphabetisierungsrate steht die Ukraine bei 99,8%. Das schaffen auch Länder wie Deutschland, Österreich oder Schweden nicht. Bei der Kindersterblichkeit liegt die Ukraine (2020) bei 8,1 auf 1000 Geburten. Das ist besser als die Türkei, Georgien oder Albanien. Und wem das wichtig ist: 85% der Ukrainer sind Christen.
Es fällt mir ehrlich gesagt schwer einen Ausschlussgrund (abgesehen vom Krieg) für die Ukraine zu finden, der nicht ebenso auf einen der bisherigen bzw. aktuellen Beitrittskandidaten ebenso (wenn nicht sogar mehr) zutreffen würde.
Ich glaube nicht, dass Desperado es wie früher machen wird, sich nach einigen Tagen zurückmeldet, seine Ideen wiederholt als hätte niemand hier etwas geschrieben und durchblicken lässt, dass außer ihm niemand Ahnung hat.
Bestimmt wird er sich diesmal dafür bedanken, dass er dank eurer Erläuterungen die Sache jetzt viel differenzierter und in einem anderen Licht sieht!
Ist denn das hier der Wille der meisten EU-Bürger?
Orbáns Schwiegersohn István Tiborcz, verheiratet mit Orbáns Tochter Ráhel, soll bei der Ausstattung von Städten und Gemeinden mit neuer öffentlicher Beleuchtung mittels eines „organisierten Betrugsmechanismus“ illegal Millionen Euro EU-Fördergelder kassiert haben.
[…]
Dem Olaf-Bericht zufolge erhielt die Firma Elios Innovativ, an der Tiborcz bis 2015 beteiligt war, in den Jahren 2009 bis 2014 von 35 ungarischen Städten und Gemeinden Aufträge zur Erneuerung der öffentlichen Beleuchtung. Die wurden von der EU mit insgesamt 43,7 Millionen Euro bezuschusst. Olaf stellte nicht nur in sämtlichen Fällen Regelverstöße fest, sondern spricht bei 17 der 35 Aufträge von einem „organisierten Betrugsmechanismus“.
[…]
Der Fall Tiborcz ist nur ein besonders eklatanter Fall, aber längst nicht der einzige aus Orbáns Umfeld. Firmen seines Vaters und von einem seiner Brüder erhielten ebenfalls direkt oder indirekt EU-Fördergelder in Millionenhöhe. Einer der größten Nutznießer der EU-Zahlungen in Ungarn ist Orbáns derzeitiger „Lieblingsoligarch“ Lörinc Mészáros, ein Kindheitsfreund und derzeit Bürgermeister in Orbáns Geburtsdorf Felcsút. Mészáros stieg in den vergangenen Jahren vom einfachen Gas-Installateur zu einem der reichsten Ungarn auf. Geschätztes Vermögen: rund 350 Millionen Euro.
Mit „wir“ meinst Du also die Großunternehmen. Ich meinte damit eher die Bürger der EU. Daher also dieses Mißverständnis.
Klar, wenn man mit den Augen der Großkonzerne auf die Sache blickt sieht die Angelegenheit anders aus… die können ja auch ihre Firmensitze in Steuerparadiese versetzen um eben nicht am Wiederaufbau der Ukraine mitbezahlen zu müssen und ihre Fabriken in Deutschland schließen und die Arbeitsplätze dann in die Ukraine verlagern, die dort mit Geldern der deutschen Steuerzahler subventioniert werden.
Nein, ich meine, dass die Unternehmen, die in diesem Land Millionen Menschen beschäftigen, davon profieren können, wenn die Ukraine der EU beitritt, und davon wiederum profitieren nicht nur diese Millionen Menschen, sondern auch der ganze Rest, weil die Millionen Menschen Steuern zahlen und die Unternehmen auch und davon bezahlt der Staat die ganze Party, von der wir alle profitieren.
Nach dieser Logik hätte der Lebensstandard der Menschen in Deutschland seit 2004 mit der Aufnahme vieler osteuropäischer Staaten (die übrigens alle Nettoempfänger deutscher Transferzahlungen sind) durch die Decke schießen müssen. Das Gegenteil ist passiert… Tut mir leid, dass die Realität Deine schöne Geschichte zum Einsturz bringt.
Deutschland liegt bei der Lebensqualität weltweit auf dem 9. Platz:
Wenn laut dir der Lebensstandard seit 2004 gesunken ist, muss man sich schon fragen, was für ein Paradies Deutschland deiner Meinung nach damals gewesen sein muss…
Nein, das, was Du schreibst, hat weder etwas mit Logik noch mit „dieser Logik“ zu tun.
Wenn Du ein Land findest, das exakt über die gleiche Bevölkerungsstruktur, die gleiche sektorale Aufteilung, die gleiche Infrastruktur, die gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen verfügt wie Deutschland (also quasi ein Zwilling) und die Entwicklung von diesem Land ohne EU-Erweiterung mit der Entwicklung vom Original-Deutschland vergleichst, würdest Du den Unterschied zugunsten des Original-Deutschlands erkennen.
Hatte ich dazu nicht schon etwas geschrieben? Ach ja:
Es gibt aber noch ein paar Dinge, die Du übersiehst. Um zwei aufzuführen:
Dass u.a. Polen und Ungarn der EU beitreten würden, wurde nicht erst am 30.4.2004 bekannt gegeben. Die Investitionen in diesen Ländern u.a. durch deutsche wurden natürlich schon im Vorfeld im Hinblick auf den Beitritt in die Wege geleitet und natürlich haben u.a. deutsche Unternehmen auch schon lange vor dem EU-Beitritt in diesen Ländern Produktionsanlagen errichtet. So um 2002 herum hatten bereits praktisch alle großen Automobilzulieferer Werke in Ungarn und zum Teil auch schon in Rumänien. Es gab insofern keinen schlagartigen Anstieg, sondern eine schleichende Entwicklung.
Unter Anstieg des Lebensstandards scheinen viele Menschen, die keine Ahnung von Wirtschaft haben, zu verstehen, dass ihnen und allen anderen Menschen der aktuelle Finanzminister höchstpersönlich einen Sack voll Geld in die Hand drückt. So ist das aber tatsächlich nicht. Es wird allein schon deshalb immer arme Menschen geben, weil die Armutsgrenze relativ zum Durchschnittseinkommen bestimmt wird. So lange es kein Einheitseinkommen gibt, muss es zwangsläufig auch Armut geben.
Meine Beitrittitskepsis richtet sich auch nicht nur gegen die Ukraine sondern gegen alle derzeitigen, von Dir aufgeführten Mitglieds-Kandidaten.
Und bei Serbien sind mir die Demokratiewerte oder sonstigen Werte völlig egal, selbst wenn sie bei optimalen Prozenten liegen würden – für mich ist Serbien mit Vukovic das trojanische Pferd Putins.
Mit Serbien würde definitiv die Bürgerkriegsgefahr in Europa wachsen und man stelle sich die Einstimmigkeitsklausel vor, wenn es um Abstimmungen gegen Russland ginge.
Dann würden europäische Entscheidungen in Moskau getroffen.
Ich vermute, das hier niemand behaupten wird, unser kapitalistisches System sei perfekt und gerecht. Natürlich denken Unternehmen nur an sich selbst, und natürlich ist es fraglich, dass manche Menschen 100x so viel verdienen wie andere.
Du aber bist mit deinem „Denken“ im 19. Jh stecken geblieben und tust so, als würde in Deutschland in jedem Winter die halbe Bevölkerung hungern.
Außerdem ist dir gar nicht klar, dass die vielen deutschen Unternehmen, so kritikwürdig vieles an ihnen ist, den deutschen Reichtum erwirtschaften, von dem wir alle profitieren .
Du siehst auch gar nicht, wie unglaublich reich und sicher wir hier im Vergleich zu 95 Prozent der Weltbevölkerung leben. Von daher sind deine Einlassungen naiv und arrogant.
Mist, schon wieder so viele Worte, wo doch das Leseverständnis bei dem einen oder anderen nach drei Zeilen erlischt…
Aufgrund der Unmöglichkeit zur Erfüllung dieses wissenschaftlichen Standards kannst Du wirklich jedes geschichtliche Ereignis als vorteilhaft für die Menschen in Deutschland klassifizieren ohne irgendeinen Widerspruch anerkennen zu müssen.
Wo habe ich die Armutsquote als Gradmesser für den Lebensstandard genannt? Oder versuchst Du wieder mir irgendwelche Aussagen unterzuschieben, gegen die Du dann argumentierst?
Und das wäre ohne die Milliarden an osteuropäische EU-Staaten nicht der Fall? Dann kann man den EU-Mitgliedsbeitrag auch einfach Schutzgeld nennen.
Norwegen, Island, die Schweiz, Kanada, Australien… sind keine EU-Mitglieder aber haben einen sehr hohen Lebensstandard. Wie ist das denn ohne EU-Mitgliedschaft möglich?
Fakt ist, dass der Lebensstandard in Deutschland seit der Aufnahme von noch mehr Nettoempfängern in die EU gesunken ist. Es ist wohl nicht so weit hergeholt zu behaupten, dass sich der Lebensstandard hierzulande durch Milliarden an Steuergelder in Richtung Kiew weiter verschlechtern wird.
Gar nicht. Sofern Du Dich wieder erwarten auf irgendeinen Gradmesser festlegen willst, dann mach das gerne.
Na, sagen wir es mal so: „Desperado meint, dass sich irgendetwas irgendwie verhält“ ist halt ganz besonders weit von wissenschaftlichen Standards entfernt. Alle, die sich dem Thema bisher wissenschaftlich genähert haben, kamen zu dem Ergebnis, dass Deutschland ganz besonders von der EU profitiert.