Verzweiflung mit Berichterstattung

Hallo,

in einer Satiresendung wurde nebenbei auf eine Vorfall in den USA aufmerksam gemacht:


Als Quelle wurde „unilad“ angegeben. Das ist eine englische Publikation. Ich habe das weiter zurückverfolgt und bin am Ende auf diesen Bericht eines Fernsehsenders aus Georgia gestoßen: wtoc.com (wer sich interessiert dafür google selbst, mich stört die Vorschau hier in meinem Post)

In dem Sternbericht heißt es: die Frau schoss um sich, nachdem sie sich über kalte Pommes beschwert hätte und sei dann der McD-Angestellten hinter die Theke/in die Küche gefolgt.

Im Originalbericht aus USA liest es sich anders (bzw. hört es sich anders an, wenn man den Video anklickt): Die Frau hat sich beschwert. Es gab ein Wortgefecht. Sie kippte ihr Getränk auf die McD-Angestellte und den Manager der Filiale. Daraufhin kam es zu einem Gerangel/einer Schlägerei (Übersetzung: ich packte sie an den Haaren und schleuderte sie über den Boden). Die Kundin ging nach draußen und kam mit ihrer gezogenen Waffe zurück, die sie dann einmal (?) in den Boden abschoss. Sie bekam das Geld für ihr Essen zurück, verließ die Filiale, die Polizei wurde gerufen, die die Frau in der Nähe ohne weitere Probleme verhaftete.

Beide Versionen sind kein Ruhmesblatt für die Gesellschaft der USA und ihren Umgang mit Waffen. Aber die verkürzte Darstellung im Stern (wo sich der Reporter nicht mal die Mühe gemacht hat, den Originalbericht anzusehen, zumindest nicht zitiert hat) stellt die Sache doch anders da. Stern Version sagt einfach: Amerikaner spinnen. Verlängerte Version zeigt: Der Vorfall zeigt, warum der laxe Umgang mit Waffen bedrohlich sein kann.

Lest ihr noch Kurzmeldungen? Glaubt ihr, was ihr lest?

Total anders: Gestern ging ein Bericht durch verschiedene Presseportale, über Eltern, die ihr Kind in einem Zoogeschäft vergessen haben. Und das erst nach einer Stunde (angeblich) bemerkten. https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&ei=F5tbXfOnF87OwALA3KGABg&q=kind+im+zoogeschäft+vergessen&oq=kind+im+zoogeschäft+vergessen&gs_l=psy-ab.3...3008.7955..8238...0.0..0.210.3092.16j11j2…0…1…gws-wiz…35i39j0i67j0i131j0j0i131i67j0i22i30j0i13j0i13i30j0i13i5i30j0i8i13i30j33i160.LHVdwA1j5aw&ved=0ahUKEwizj4ba8JDkAhVOJ1AKHUBuCGAQ4dUDCAo&uact=5

Bei uns lief das unter Lokalnachrichten. Über social Media wurde klar, das einiges, was in den Artikeln steht, nicht stimmte (oder ausgelassen wurde). Es haben sich Leute geäußert, die (angeblich) vor Ort waren. Kleinigkeiten, z.B. ob das Kind geschlafen hat oder geschrieen hat usw. Kleinigkeiten, richtig - aber: irgendwie würde ich mich schon auch auf Details verlassen können, wenn ich etwas lese. Etwas, was nirgends, auch nicht lokal, berichtet wurde, man aber als Ortsansässige sofort versteht: die Eltern haben keine Stunde gebraucht, um das Fehlen zu bemerken, sie haben es nach 20 Minuten bemerkt, waren aber bereits in Richtung Heimatort gefahren. Dank massiver Baustellen und entsprechenden Staus dauerte es 40 Minuten bis sie wieder im Laden waren. Auch eine Kleinigkeit, aber es zeigt, dass man durch Nicht-Erwähnen von Details einen Vorfall anders darstellen kann, ohne dass einem Manipulation nachgewiesen werden kann (bzw. den Reportern das wahrscheinlich nicht klar war - zumindest nicht, bis es überall in Kommentaren hieß; Wie kann man das eine Stunde lang nicht bemerken!!

Ich versuche Kurzmeldungen zu vermeiden, aber was im Kleinen auftritt, gibt es auch im Großen.

Siboniwe

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Ganz aus der Luft gegriffen ist das mit der Lügenpresse eben nicht :slight_smile: Man muss ja ständig die Nachrichtenseiten voll bekommen (wegen des weissen Papiers oder den Klicks) , aber kosten darf es nichts, denn die Konkurrenz ist groß.

Zu 1: ja, zu 2: nein. Wenn es etwas ist, das ich wichtig oder interessant finde, mache ich’s wie du und forsche nach. Meistens stellt sich heraus, es ist Blödsinn und/oder völlig aus der Luft gegriffen und/oder tendenziös dargestellt. Man wird extrem misstrauisch. Anstrengend, das Ganze …
Gruß,
Eva

Servus,

imho sind hier gleich mehrere Dinge schief gegangen:

  • Es ist selten eine gute Idee, wenn man von einem Artikel abschreibt, der selber von einem Artikel abgeschrieben hat (noch dazu in einer anderen Sprache)
  • Unilad hat wohl nur den ersten Absatz des ursprünglichen Artikels abgeschrieben, in dem eben nur die Schilderung des Managers vorkommt. Den Teil hat der Spiegel ja auch einigermaßen korrekt widergegeben (bei Unilad wird aus dem Manager aber plötzlich eine Mitarbeiterin wurde). Es fehlt allerdings der Hauptteil der Geschichte mit der anderen Version.
  • Unilad ist mit Sicherheit keine geeignete Quelle für Nachrichten. Die Artikel dort kann man am Klo oder im Wartezimmer lesen, das war’s dann auch schon. Dieser Punkt ist dem Spiegel auf jeden Fall vorzuwerfen.

Meine persönliche Erfarung ist, dass bei Nachrichtenartikeln nie alles stimmt. Jedes Mal, wenn mir persönlich Details über eine Geschichte bekannt waren, fielen mir Unterschiede zum Artikel auf. Meistens Kleinigkeiten, aber auch die können sich summieren und gerade bei so einem ‚lustigen‘ Artikel wird bei der journalistischen Sorgfalt vermutlich gerne mal ein Auge zugedrückt. Hier ging es halt rein um das Klischee der waffenverückten Amis, das so wunderbar ins Bild passte.

Meistens bleiben die Fehler unentdeckt und selbst wenn er bemerkt wird, kommt es in den seltensten Fällen zu einer Richtigstellung. Ein aktuelles Beispiel wäre Geschichte um Gretas Segeltörn, wo zuerst alle Medien berichten, wie schädlich der nicht wegen der zusätzlichen Flüge wäre. Die Richtigstellung, dass es doch nicht so viele Flüge wären, liest du in kaum einer großen Zeitung.

Wer alles glaubt, was Zeitungen so schreiben, ist doof. Wer deswegen meint, bei jeder Gelegenheit ‚Lügenpresse‘ zu plärren, ist noch doofer.

Seit Tagen hast Du mich nicht mehr ge-
sehen und deinen Besuch immer aufge-
schoben. Du ahnst ja nicht, wie meine feige
Eifersucht mich quält und mich jeder Nerv
juckt, wenn ich an deinen großen und langen
Brief an die Freundin mit dem blonden Ross-
Schwanz denke. Am liebsten ließe ich mich tot-
fahren. Aber ich kann meine Haare auch so wie sie
bürsten, wenn du magst! Weißt Du noch,
wie wir letzte Woche zusammen waren und
wie wir im Walde saßen und Du meine scharfe Fo-
tographie betrachtet und die dann an dein Her-
ze genommen und liebkost hast? Wie Du meine Beine
bewundert und wie du liebevoll meine Arme
auseinanderlegtest, um mich mit aller Kraft zu
umarmen? Niemand beobachtete uns außer den
Vögeln! Als dann nach heißer Glut der Samen
unserer Liebe aufging und der Treueschwur
aus Dir herausbrach und eindrang in meine
Ohren, da war es klar wie ich mich ent-
scheide. Das war der schönste Tag meines Lebens."

Um dem ganzen einen Sinn zu geben, lese man nur jede zweite Zeile!

Erinnert mich an meine Schwiegereltern. Dort wurde lange Zeit eine lokale Tageszeitung gelesen bis mein Schwiegervater nicht mehr gut sehen konnte und er sich die Zeitung von der Schwiegermutter vorlesen lies. Der wurde das bald zu mühsam und sie wechselte zur BlÖd-Zeitung, weil da die Texte kürzer und die Sätze unkomplizierter waren (und immer noch sind).

Das war nur der Vorspann.

Jedesmal, wenn wir zu den Schwiegereltern kamen verfeuerte mein Mann die Zeitung (die hatten noch einen Herd mit Feuer in der Küche stehen). Meine Schwiegermutter versuchte die Zeitung immer zu verstecken und das entwickelte sich zum Spiel zwischen den beiden.

Das war der zweite Teil vom Vorspann.

Jedesmal kam aber auch die Diskussion auf, dass in der BlÖd-Zeitung vieles steht, was einfach nicht stimmt. Schwiegermutter: „Das weiß ich doch! Ich glaub ja auch höchstens die Hälfte!“
Herr Bongani (= männliche Form von Siboniwe): "Aber woher weiß du, welche Hälfte du glauben kannst?"


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Stimmt wohl leider alles. Aber es gibt schon Unterschiede. Über das Hetzblatt mit vier Buchstaben braucht man nicht zu reden, dieses wird nur noch von der geradezu widerlichen AfD-Facebook-Seite übertrumpft.

Beim Hamburger Abendblatt z. B. stößt der aufmerksame Leser aber auch ständig auf Journalisten, die die Thematik ihres Artikels nicht wirklich beherrschen. Bei der Süddeutschen, der Zeit und dem Spiegel bilde ich mir dagegen ein, der Wirklichkeit näher zu kommen, oder zumindestens einigen Seiten der Wirklichkeit.

Natürlich gibt es große qualitative Unterschiede zwischen den einzelnen Medien und in der Regel kann man recht gut einschätzen, was von einer Meldung zu halten ist, wenn man weiß, aus wessen Feder sie stammt. Probleme gibt es in der Regel auch eher im regionalen Bereich, wo erstens halt nicht die Besten der schreibenden Zunft am Werk sind und wo zweitens die Maßstabe auch deutlich niedriger liegen.

Hier mal eine Statistik aus dem Bericht des Presserates:

Man sieht also, das der Großteil der Beschwerden gege Regional- und Boulevardzeitungen gerichtet sind. Ich wage mal zu behaupten, dass es fast immer um unsaubere Arbeitsweisen ging und in den seltensten Fällen eine Absicht seitens der Zeitung dahinter steckte.

Wenn man sich die härteste Reaktion des Presserates (Rüge) anschaut, so scheint die BILD mit neun Nennungen mit weitem Abstand am öftesten aus. Zufall ist das eher keiner und in Österreich schaut es ganz ähnlich aus.

Wie gesagt sind die meisten ‚Ungenauigkeiten‘ eher vernachlässigbar, es muss aber klar sein, dass so gut wie alle Artikel auf Aussagen von Menschen basieren und die sind bekannterweise immer mit etwas Vorsicht zu genießen.

Die schönste Ironie ist ja, dass sich besorgte Bürger gerne auf ‚unabhängige‘ Medien verlassen, die keinerlei Kontrolle unterstehen. Aber denen geht es ja in erster Linie darum, dass Meldungen ihrer Blase entsprechen. Der Wahrheitsgehalt ist da bestenfalls geduldeter Beifang. Wenn man sich ansieht, welche ‚Quellen‘ manche User hier zum Besten geben, weiß man auch gleich, woher der Wind weht.