Von äußerer zu innerer Überzeugung

Moin!
Das alte neue Problem, bzw. ein Teil davon, inzw. habe ich ja eine hübsche Diagnose - Dysthemie, so hat alles seine Ordnung und das Leiden einen Namen. Nach allem, was ich darüber gelesen habe, passt das perfekt, seit Jugendjahren. Der Krug geht so lang zum Brunnen, bis er bricht.

Ich verstehe die Zusammenhänge, die mir meine Therapeutin erklärt, ich kann sie wiedergeben ( und hab das bei anderen auch teilweise schon erfolgreich getan :smile: ), auf vieles bin ich auch schon selber gekommen.
Ich finde das alles glasklar logisch und sinnvoll, kann auf Nachfrage auch überzeugend argumentieren, wie dies und jenes zustande kam und wie ich mich verhalten müsste, um die Dinge zu verbessern. Bei mir selber scheitere ich daran.

Das Problem: es kommt nicht bei der Gefühlsebene an. Null. Dementsprechend hapert es grundlegend an der Umsetzung des Verstandenen. Ich kann mich zu allem möglichen zwingen, Pflichten werden ja von mir immer erfüllt (allein die Tatsache, dass ich immer wieder täglich aufstehe spricht da Bände - erstaunlich ist nur, wie lang man das aushalten kann), aber es fehlt die innere Überzeugung dabei.

Auch wenn ich etwas tun soll, was mir gut tut, was ich gerne will (wollen soll), entspr. das eher der Erfüllung einer Erwartung (das macht man, weil es einem gut tun soll). Die Wirkung ist dann auch entspr. mau. Schöne Hobbies, die ich habe/hatte/haben könnte werden zur Pflichtübung - weil mir das ja angeblich gut tut und ich verliere ganz schnell den Spaß daran. Auch beim Tun kommt keine Freude auf (was ich immer wieder probiere), am Ergebnis kann ich mich kaum freuen - es ist eben „erledigt“.
Ein großer Anteil ist natürlich das Symptom, so fühlt und denkt man, wenn man depressiv ist. Ich vermute darin aber auch eine Ursache für meinen Gemütszustand. Funktioniert ja auch im (Teufels-)kreislauf und ist lange eingeübt.

Was ist nötig, um das zu ändern? Druck? Oder besser „Pflege und Fürsorge“? Übungen? Spiritualität (eher nicht so meins, aber weiß, vielleicht ist ja genau das der Grund)? Alkohol/Medikamente/Drogen? Sich zu nichts zwingen, alle 4e von sich strecken bis man einen echten Impuls spürt? Oder ein fixer Tagesplan zum Abhaken und hoffen, dass die Haken als Erfolgserlebnisse funktionieren (tun sie nicht, hab ich schon durch)?

Ich hab keine Ahnung und wäre für Anregungen sehr dankbar.

Dunkelgraue Grüße
kernig

ich kanns nur bei meiner Ex beobachten ,
solange irgendwie immer auf hilfe von aussen zur komplett lösung
gefordert wird , ist man patient und es passiert nur das was der doktor als
leistung vorgibt .
wenn du dich aber entschliesst etwas zu tun , dann ist es wie bei jedem auch so
… es ist nicht einwach den weg zu gehen … was du dann als gefühlslos und erledigt siehst .

aber ohne den weg zu gehen gibt es nichts , mit dem weg gibt es das ziel

Ich hab genau das gleiche problem jeden tag und einige andere auch .
Zur arbeit gehen und freude am arbeiten empfinden und nicht nur geld rannschaffen.

hobbies haben die mir auch mehr als 3 stunden in der woche spass bringen ,

wie soll ich sagen , seit dem meine ex nun nicht mehr die hilfe durch medi arzt oder freunde hofft , sondern einfach mal versucht durch das machen (regelmässig und ohne ausrede) diese Lethargie zu überwinden .

Ich würde dies und jenes auch für mich als gut empfinden z.b. aufhören mit rauchen … aber geht nicht . regelmässig sport machen etc , aber den ‚schweinehund in mir‘ interressiert das gar nicht .

Ich empfinde das manchmal als eine Störung bei meiner Ex (da ist halt wirklich krasser angstzustand mit illlusionen gekoppelt) , aber offt auch einfach nur so ein Kleinkinddenken (wieso ich , ich muss nix machen, macht ihr mal mein leben für mich, ich bin schliesslich das kind) … öhm irgendwann ist man eben nicht mehr Kind und muss die anstrengenden Fakten des Lebens nehmen wie sie sind und vor allem sich selber nehmen wie man geworden ist und das beste draus machen . Nur im Fernsehen in Bollywood ist alles am ende ein Herz und eine Seele :smile:

Also nach 1 Jahr hat meine Ex nun was gefunden was Ihr zusagt , was nciht das ist was sie eigentlich als Ziel angesehen hat , aber die Summe aller durchgehaltenen kleinigkeiten Ergibt das ganze . Und nun muss ich mir auch das gesabbel von Medis und Ärzten ersparen , die können nur anleiten aber helfen kann man sich nur selbst.

Hi,

es ist ja gut gemeint von Dir. Aber ich habe eine kleine Hausaufgabe für Dich: Du darfst mir verraten, woran ich erkannt habe, dass Du selbst nicht ansatzweise depressiv bist und auch kein wirkliches Verständnis für Deine Freundin entwickelt hast.

die Franzi

4 Like

Hi,

es helfen weder Medikamente, noch ein Wunder. Zumindest nicht alleine, und nicht von alleine.

Medikamente können Dir ein künstliches Glücksgefühl verschaffen - aber Dein Problem ist ja nicht, dass du nicht glücklich bist, sondern, dass Du es niht alleine herbeiführn kannast. Medikamente gibt man bei Suizidgefahr oder wenn durch die Depression sekundäre Krankheiten entstehen. Aber auch dann muss der Patient selbst arbeiten.
Selbst arbeiten bedeutet: geduldig sein. Üben. Und wenn man sich eben mechanisch bewusst macht, dass man grad eigentlich glücklich sein müsste - so what? Auch glücklich sein muss gelernt werden, von jedem. Und vielleicht fängt das Glück ja klein an, mit dem Gefühl, dass man froh ist, dass man die Aufgabe hinter sich hat. Beobachte Dich. Vielleicht „erwischst“ du dich ja bei einem kurzen moment Glück, der so ohne Grund auftaucht. konzentrier Dich darauf und genieße das Gefühl, solange Du Dich daran erinnern kannst. Schreib auf, was Dich glücklich gemacht hat und wie es sich angefühlt hat, ud lies es ab und zu wieder durch, damit du es nicht vergisst. Erzähle es Freunden, wenn Du glücklich warst, und bade in dem Gefühl, auch wenn es am Anfang vielleicht nur Sekunden andauert. Und rede natürlich nur mit Freunden, die Bescheid wissen und das Ganze auch verstehen :smile:

die Franzi

Hallo!

Hi,

es helfen weder Medikamente, noch ein Wunder. Zumindest nicht
alleine, und nicht von alleine.

Auch das habe ich, fürchte ich, schon gewusst.

Selbst arbeiten bedeutet: geduldig sein. Üben. Und wenn man
sich eben mechanisch bewusst macht, dass man grad eigentlich
glücklich sein müsste - so what? Auch glücklich sein muss
gelernt werden, von jedem. Und vielleicht fängt das Glück ja
klein an, mit dem Gefühl, dass man froh ist, dass man die
Aufgabe hinter sich hat. Beobachte Dich.

Tu ich. Nun seit 3 Wochen. Ich habe nichts gefunden/bemerkt, was darauf konzentrierenswert gewesen wäre.

Vielleicht
„erwischst“ du dich ja bei einem kurzen moment Glück, der so
ohne Grund auftaucht. konzentrier Dich darauf und genieße das
Gefühl, solange Du Dich daran erinnern kannst.

Ja, das wäre schön. Und das sollte so laufen, funktioniert aber leider nicht. Und macht mich komplett wahnsinnig. Ich wache morgens mit schlechter Laune, schlechtem Gewissen und völlig lustlos auf und tue, was getan werden muss/soll. Das war’s. Kann mich ja nicht jeden Abend besaufen, um das wenigstens mal für ein paar Stunden zu egalisieren.

Erzähle es Freunden,

Fail1
Wem? Im Ernst: habe ich noch nicht gefunden. Der Nordbayer an sich ist nicht gerade für seine Offenheit bekannt… Entweder, ich kenne sie nicht gut genug und spiele ihnen Theater vor. Oder sie sind genervt von meiner schlechten Laune oder damit beschäftigt, mich mit Plattitüden aufzuheitern. Und ein paar der sehr sehr wenigen, mit denen das vielleicht klappen würde, zeigen nach einigen Jahren mit mir schon derbe Verschleißerscheinungen, die würde ich gern auch mal verschonen…

wenn Du glücklich warst,

Fail2
Ich kann mich wirklcih und ernsthaft nicht an so einen Moment erinnern. Ich weiß nicht, ob das ein Problem der Wahrnehmung ist oder ein tatsächliches, das kann ich nicht mehr unterscheiden. Zu jedem vermeintlich positiven Moment kann ich Dir aus dem Stehgreif was negatives sagen, das alles andere überdeckt.

Und rede natürlich nur mit Freunden, die Bescheid
wissen und das Ganze auch verstehen :smile:

Der war gut (siehe auch Fail1) und keine Sorge: Als ich die Frage hier einstellte, war mir schon klar, dass ich nicht nur fachkundige Antworten bekommen werde, die Masser erhöht die Trefferquote und ob was trifft oder nicht, weiß man oft ja erst hinterher.

Grüße
kernig

Hi,

dass ich nicht nur fachkundige Antworten bekommen werde

Leider bin ich kein Psychologe. Nur als Betroffene Kundin in der Lebensberatung. Ich habe auch keine so ausgeprägte depressive Verstimmung wie Du, aber dafür wäre ich froh, wenn es meine einzige Baustelle wäre.

3 Wochen also schon? Immerhin. Ich habe eine neue Baustelle für Dich (vielleicht ist sie für Dich auch nciht neu, ich weiß es nicht): Perfektionismus. 3 Wochen sind nicht viel. Sie sind ein guter Anfang, aber mehr nicht. Ich arbeite jetzt 3 Jahre an mir und bemerke die ersten Fortschritte. Wie lange es dauert bis ich das Problem los bin? Keine Ahnung, vielleicht nie. Ichdenke es läuft dartauf hinaus, dass ich besser mit mir zurechtkomme.

Aber jetzt etwas Konstruktives. du kannst Dich an nichts Positives erinnern? Das glaube ich Dir sofort, das ist ja Dein Problem. Du nimmst es nicht richtig wahr und / oder vergisst es sofort wieder. Aber es geschehen auch Dir positive Dinge (auch das habe ich schon geschrieben, aber Du hast es nicht bemerkt). Renne mit Notizzetteln durch die Gegend und schreibe dir Dinge auf, die dich auch nur ansatzweise glücklich machen. Die Dir gelungen sind. Egal, wie klein.

Du solltest Dir schon mindestens zwei Notizen machen:

  1. Ich habe mir psychologische Hilfe gesucht.
  2. Ich habe es geschafft, mich Fremden anzuvertrauen.

Wie wäre das als Anfang?

die Franzi

2 Like

Du willst es wissen :smile:
Hi!

Renne mit Notizzetteln durch die Gegend und schreibe
dir Dinge auf, die dich auch nur ansatzweise glücklich machen.
Die Dir gelungen sind. Egal, wie klein.

so lautet die Hausaufgabe. Ich habe es mal wieder nicht geschafft, sie zu erledigen.

Nur zum „Beweis“:

  1. Ich habe mir psychologische Hilfe gesucht.

Nach 2 sinnlosen Versuchen und 10 Jahren Pause - tolle Leistung!

  1. Ich habe es geschafft, mich Fremden anzuvertrauen.

Und warum? Weil ich sonst niemanden habe, dem ich mich anvertrauen kann oder mag.

So läuft das bei mir :smile: Nein, ist nicht ganz ernst gemeint - oder doch… ich weiß es nicht mehr, das läuft ja automatisch.

Danke für Deine Postings!
kernig

1 Like

Hi,

so lautet die Hausaufgabe. Ich habe es mal wieder nicht
geschafft, sie zu erledigen.

Doch, Du hast dich mit dem Problem beschäftigt.

Nur zum „Beweis“:

  1. Ich habe mir psychologische Hilfe gesucht.

Nach 2 sinnlosen Versuchen und 10 Jahren Pause - tolle
Leistung!

Wieso ist das keine Leistung? Ich möchte einen Beweis.

  1. Ich habe es geschafft, mich Fremden anzuvertrauen.

Und warum? Weil ich sonst niemanden habe, dem ich mich
anvertrauen kann oder mag.

Und warum gehört es nicht auf den Zettel? Ach, ich sehe, es sind eigentlich zwei Punkte:
2a) ich habe mich jemandem anvertraut
2b) ich habe es sogar geschafft, mich Fremden anzuvertrauen

und wenn du willst:
2c) ich rede mit miezekatze darüber, mit der ich mich sonst so oft streite

So läuft das bei mir :smile: Nein, ist nicht ganz ernst gemeint -

Ich weiß. Vergiss nicht, ich kann das mindestens genauso gut.

das läuft ja automatisch.

Und das wäre dann Punkt 3) ich habe erkannt, dass ich einm Mechanismus folge.

Warum folgst Du ihm?

Danke für Deine Postings!

Bitte :smile:

die Franzi

echt [endgültig oT]?
Hi!
Wir streiten uns oft? Kann mich nicht erinnern…

Da siehst Du mal, dass ich mich meist über Inhalte streite und das nicht an Personen festmache. :smile:

Grüße
kernig

1 Like

Hallo Franzi,

3 Wochen also schon?

Die drei Wochen sind doch sicher nur die alleroberste Spitze des Eisbergs!

Aber jetzt etwas Konstruktives. du kannst Dich an nichts
Positives erinnern? Das glaube ich Dir sofort, das ist ja Dein
Problem. Du nimmst es nicht richtig wahr und / oder vergisst
es sofort wieder. Aber es geschehen auch Dir positive Dinge
(auch das habe ich schon geschrieben, aber Du hast es nicht
bemerkt). Renne mit Notizzetteln durch die Gegend und schreibe
dir Dinge auf, die dich auch nur ansatzweise glücklich machen.
Die Dir gelungen sind. Egal, wie klein.

Und das würde mich in kernigs Lage vollends unter Druck setzen und depressiv machen. Ich muss was Positives finden, ich muss was Positives finden…

Viele Grüße,

Jule

1 Like

zu welcher eigentlich? OT
Hallo,

Ich verstehe die Zusammenhänge

Ich finde das alles glasklar logisch und sinnvoll

Das Problem: es kommt nicht bei der Gefühlsebene an.

Das Problem liegt m.E. eben darin.

Verstand und Gefühl arbeiten mit-, aber auch gegeneinander. Je tiefer das Gefühl (du hattest es nicht zu Unrecht Gemütszustand * genannt), desto schwieriger, es rational zu ändern.

Ich würde den Verstand erst einmal dahingehend „eintakten“, dass er das Gefühl/den Gemütszustand nicht als „krank“ be- oder verurteilt (das versucht und vermittelt dir dein Verstand).

Deine rationale Überzeugung ist dominant. Du solltest der gefühlsmäßigen mehr Platz einräumen, sie zuerst akzeptieren und dann auch genießen lernen:

* Melancholie ist das Vergnügen, traurig zu sein.
[Victor Hugo]

Gruß
nasziv

Dann wird es auch mit

Ich kann mich zu allem möglichen zwingen

anders sein. Oder mit

Pflichten

oder

(das macht man, weil es einem gut tun soll)

PS:

Was ist nötig, um das zu ändern? Druck? Oder besser „Pflege
und Fürsorge“? Übungen? Spiritualität (eher nicht so meins,
aber weiß, vielleicht ist ja genau das der Grund)?
Alkohol/Medikamente/Drogen? Sich zu nichts zwingen, alle 4e
von sich strecken bis man einen echten Impuls spürt? Oder ein
fixer Tagesplan zum Abhaken und hoffen, dass die Haken als
Erfolgserlebnisse funktionieren (tun sie nicht, hab ich schon
durch)?

Die innere Überzeugung.
Nicht das Äußerliche, in diesem Fall äußerliche wertende rationale Überzeugung, ist ausschließlich maßgebend.

Ausgangspunkt
Hi!

3 Wochen also schon?

Die drei Wochen sind doch sicher nur die alleroberste Spitze
des Eisbergs!

So konkret und aktuell 3 Wochen…

Und das würde mich in kernigs Lage vollends unter Druck setzen
und depressiv machen. Ich muss was Positives finden, ich muss
was Positives finden…

Ausgangslage für so eine Aufgabe ist es natürlich, dass das Ganze zum großen Teil ein Wahrnehmungsproblem ist. Man muss also etwas finden können, sonst ist es in der Tat ziemlich deprimierend…

Klar, man muss nur klein genug anfangen, dann findet ganz sicher jeder was: Hey, super, der erste Atemzug heute morgen hat funktioniert. Oder sowas in der Art…
Auch eine Frage des Anspruchs, was man sich so vorstellt unter „schön“. Also meine Definition von „glücklicher Moment“ wäre „Abwesenheit von negativen Gedanken/Gefühlen“.

müde Grüße
kernig

Hallo,

Ausgangslage für so eine Aufgabe ist es natürlich, dass das
Ganze zum großen Teil ein Wahrnehmungsproblem ist. Man muss
also etwas finden können, sonst ist es in der Tat ziemlich
deprimierend…

Ja. Es geht Dir nämlich in Wirklichkeit gar nicht schlecht. Du bist selbst schuld…

Und genau das stimmt nicht: Es geht Dir schlecht, denn eine psychische Realität ist auch eine. Und sie hat ihren Grund, auch, wenn Du ihn nicht kennst und nicht verstehst, warum Dich das Gegenwärtige so sehr trifft und runterreißt.

Klar, man muss nur klein genug anfangen, dann findet ganz
sicher jeder was: Hey, super, der erste Atemzug heute morgen
hat funktioniert. Oder sowas in der Art…
Auch eine Frage des Anspruchs, was man sich so vorstellt unter
„schön“. Also meine Definition von „glücklicher Moment“ wäre
„Abwesenheit von negativen Gedanken/Gefühlen“.

Vielleicht, wenn Du in kleinerer Münze handelst und nicht nach glücklichen Momenten suchst, sondern nur nach solchen, die erträglich waren?

Es kann aber auch sein, dass es Deinem Gefühlsleben so dermaßen wichtig ist, Dir zu sagen, dass etwas verdammtnochmal nicht in Ordnung ist, dass es diese Suche nach etwas Positivem konsequent untergräbt.

Ich kann dann besser damit leben, anzuerkennen, dass es gerade scheußlich ist, als wenn ich mir einzureden versuche, dass es doch etwas Schönes gibt.

Wie das bei Dir ist, wirst Du wohl oder übel selbst rausfinden müssen, fürchte ich.

Alles Gute!!!

Jule

2 Like

Hallo Kernig,

aus eigener Erfahrung kann ich ziiiemlich gut nachvollziehen, wovon du schreibst. Allerdings gebe ich meinen Vorschreibern recht, um das in den Griff zu bekommen, braucht man eine ordentliche Portion Geduld und aber auch, den unbedingten Willen, die Dinge ändern zu wollen. Das ist Arbeit, und zwar wirklich über einen längeren Zeitraum.

Mir ging es lange Jahre haargenau wie dir. Ich habe auch irgendwann Dysthymie im Internet gefunden, und direkt „für wahr gehalten“, weil ich mich dort, neben einigen anderem, ziemlich gut wiedergefunden habe.

Vor ungefähr 5 Jahren habe ich dann damit begonnen, „die Vorzeichen wieder umzukehren“. Ich hatte nie den „Drang“ mich umzubringen, aber damals hatte ich eine starke Gleichgültigkeit in mir, wenn ich zu dem Zeitpunkt gestorben wäre, wäre mir das wirklich egal gewesen.
Nach zunächst körperlichen Zusammenbrüchen folgten dann die psychischen, und nach einer „Verschnaufpause“, die ich mir gegönnt hatte, begann ich, daran zu arbeiten, und das tatsächlich nicht zu knapp. Auch heute noch. Und heute sehe ich doch enorme Unterschiede zu damals, in meinem Denken, in meinem Fühlen, und dadurch auch in meinem Handeln.

Was mir damals wie heute sehr geholfen hat: Ich habe ganz klein angefangen. Um das mal zu verdeutlichen, schreibe ich mal auf, wie ich mir das seinerzeit selbst erklärt habe, und was ich getan habe, um die Dinge kognitiv zu verändern.

Was macht eine Politesse? Nun, in den meisten Fällen schreibt sie Tickets für Falschparker. Was macht eine Politesse, wenn sie Urlaub hat? Nunja, sie läuft durch die Straßen, und findet auf Anhieb alle Falschparker. Sie schreibt dann wahrscheinlich keine Tickets, aber die Autos sieht sie sofort, trotzdem sie Urlaub hat.
So verhält sich das bei Dysthymie auch in unseren Situationen, in denen wir schöne Dinge tun, trotzdem hat die Politesse in unserm Kopf ein gutes Auge für die Dinge, die uns nicht gefallen, die wir falsch machen, oder sonst irgendwie negativ betrachtet werden können

Und da beginnt, im Grunde das Training: die kleine Politesse im Kopf, die drauf ausgerichtet ist, all die Dinge im Leben zu sehen, die NICHT GUT funktionieren, muss umtrainiert werden. Ich habe damals angefangen, mir über Zeiträume positive Dinge aufzuschreiben, die mir aufgefallen sind. Ich habe mir dabei bewusst „wenig vorgenommen“, so habe ich in den ersten Wochen jeden Tag nur EINE Sache aufgeschrieben, die mich gefreut hat, die mir Spaß gemacht hat, die mir gut geschmeckt hat. Das konnte ein Vogelzwitschern sein, oder auch der Duft von frisch gekochtem Kaffee. Kleinigkeiten, die mir vorher IMMER entgangen waren.
Nach einiger Zeit dann zwei, dann drei, dann immer mehr positive Dinge, die mir im Laufe des Tages aufgefallen waren. Dabei konnte ich merken, wie es irgendwann automatisch immer mehr positiver Ereignisse wurden, und ich brauchte nicht mehr bewusst danach zu suchen, ich musste sie nur noch bewusst bemerken.

Klar, mir sind auch gerade in der ersten Zeit immer noch und immer wieder auch negative Dinge aufgefallen, aber von denen habe ich, sobald ich anfing, mich an die jeweilige Menge vorgenommener positiver Ereignisse zu erinnern, um sie aufzuschreiben, komplett abgewendet, sie wurden mir immer mehr egal.

Auch heute noch passieren Dinge, die mir nicht unbedingt gefallen, aber sie gehen im überwiegend positiv gefärbten Alltag komplett unter.

Ich habe eine Zeit lang unterstützend Medikamtente genommen, habe sie damals wie heute als „Gehhilfen“ gesehen, solange ich das Gefühl hatte, die „mentalen Krücken“ würden mir helfen, habe ich sie genommen, irgendwann waren sie aber nicht mehr notwendig. Ich würde mich auch heute nicht davor scheuen, die „Gehhilfen“ erneut zu Hilfe zu nehmen, sollten sie notwendig sein, glaube aber, dass mein „mentales Training“, meine Umkonditionierung meiner Politesse" sehr tragfähig ist, weil ich jetzt seit 2009 komplett ohne Medis klarkomme, und ich emotional heute sehr gut auf mich bauen kann.

Versuch das mal, ich bin sicher, dann kommt es über kurz oder lang zu ersten Erfolgen, auf denen du aufbauen kannst. Und gemessen an den Jahren, die man schon rum hat „in und mit der Kopföde“, sind einige Jahre Training nicht viel. Vor allem auch gemessen an dem, was dann an Erfolgen auf einen wartet, dann warten nämlich auf einen auf einmal JEDE MENGE SCHÖNE ERLEBNISSE, von denen man schon gar nicht mehr erwartet hat, dass man diese noch erleben kann. Alleine dafür hat sich die Arbeit absolut gelohnt.

LG Michael

3 Like

Hallo kernig,

Was ist nötig, um das zu ändern? Druck? Oder besser „Pflege
und Fürsorge“? Übungen? Spiritualität (eher nicht so meins,
aber weiß, vielleicht ist ja genau das der Grund)?
Alkohol/Medikamente/Drogen? Sich zu nichts zwingen, alle 4e
von sich strecken bis man einen echten Impuls spürt? Oder ein
fixer Tagesplan zum Abhaken und hoffen, dass die Haken als
Erfolgserlebnisse funktionieren (tun sie nicht, hab ich schon
durch)?

Ich hab keine Ahnung und wäre für Anregungen sehr dankbar.

Genau das ist das Problem.

Wenn du irgendwelche Rezepte befolgst, wirst du zu einem Roboter, der macht auch nur das, was ihm gesagt wurde und alles ohne irgendwelche Überzeugung …

Es bleibt also nur, sich selber durchzuwursteln und herauszufinden, was für einem passt und funktioniert.
Von Aussen kannst du nur ein Feedback erwarten, das bedingt aber schon mal, dass du dich nicht verstellst. Einfach da zu sitzen, lustig zu sein und gleichzeitig zu denken: „Ihr habt ja alle keine Ahnung von mir.“, hilft dir leider nicht weiter.
Am ehrlichen Feedback kannst du dann erkennen in welch Richtung du gerade gehst, aber dazu müssen beide Seiten ehrlich sin …

Dunkelgraue Grüße

Ich lege erst mal eine Tube Weiss dazu, was du jetzt damit machst, ist deine Sache.

MfG Peter(TOO)

Hallo kernig,

leider auch von mir nur eine Laienmeinung.

Vielleicht
„erwischst“ du dich ja bei einem kurzen moment Glück, der so
ohne Grund auftaucht. konzentrier Dich darauf und genieße das
Gefühl, solange Du Dich daran erinnern kannst.

Ja, das wäre schön. Und das sollte so laufen, funktioniert
aber leider nicht. Und macht mich komplett wahnsinnig. Ich
wache morgens mit schlechter Laune, schlechtem Gewissen und
völlig lustlos auf und tue, was getan werden muss/soll. Das
war’s. Kann mich ja nicht jeden Abend besaufen, um das
wenigstens mal für ein paar Stunden zu egalisieren.

Ich glaube, dass im Grunde sowohl Franzi, als auch Jule Recht haben. Der Weg hin zu einem veränderten Empfinden oder Wahrnehmen, geht wahrscheinlich wirklich am ehesten dadurch, dass man ganz klein anfängt, nach positiven Dingen zu suchen, und sie sich immer wieder bewusst macht. Aber ich glaube auch, dass das stimmt, was Jule schreibt und auch bei Nasziv anklingt: Wenn du dich unter Druck setzt, jetzt doch endlich was Positives finden zu müssen, löst das noch viel mehr Frust und Unzufriedenheit aus, wenn es eben nicht gelingt. Vielleicht ist es tatsächlich erstmal wichtig, zu akzeptieren, wenn du nichts Positives findest. Bzw. das immer wieder aufs Neue zu akzeptieren. Aber trotzdem immer wieder aufs Neue achtsam zu sein, für die Dinge, die vielleicht doch ein bisschen positiv sind. Es ist sauschwer, jeden Tag aufs Neue, nach Positivem zu suchen und abends trotzdem nicht frustriert zu sein, wenn da nichts war.

In ganz anderem Zusammenhang versuche ich seit einiger Zeit etwas Ähnliches. Ich muss mir jeden Tag wieder vornehmen, etwas zu tun, was mir wichtig und richtig erscheint, mir aber keine Vorwürfe zu machen, wenn ich immer wieder daran scheitere. Das ist verdammt schwer, fast schon paradox. Wenn ich mir keine Vorwürfe mache, gleitet es meist in eine Gleichgültigkeit ab, die dazu führt, dass ich es nicht mehr ernsthaft versuche. Und je ernsthafter ich es versuche, desto mehr bin ich eben doch frustriert, wenn es wieder nicht klappt. Und trotzdem glaube ich, dass genau das der Weg wäre: Es jeden Tag ernsthaft zu probieren, aber trotzdem nachsichtig mit sich zu sein, wenn man wieder und wieder scheitert.

Einen Gedanken möchte ich noch loswerden, der mir bei deiner Antwort auf Franzis „positive Punkte“ gekommen ist. Du schreibst, dass die kleinen positiven Dinge von riesigen negativen Aspekten komplett überdeckt werden. Und machst das u. a. an dem Beispiel, dass du dir (endlich) professionelle Hilfe gesucht hast, sehr deutlich.

  1. Ich habe mir psychologische Hilfe gesucht.

Nach 2 sinnlosen Versuchen und 10 Jahren Pause - tolle
Leistung!

Was passiert, wenn du versuchst, das umzudrehen. Erst das Negative denken: „Zwei sinnlose Versuche, 10 Jahre Pause“ und dann das Positive: „Aber jetzt hab ich mir Hilfe gesucht!“ Ändert das irgendwas?

Du definierst glückliche Momente als Momente, in denen negative Gedanken/Gefühle abwesend sind. Mir scheint das ein viel zu hoch gestecktes Ziel zu sein. Solche absoluten Glücksmomente, glaub ich sind auch bei Gesunden recht selten.

Ich stell mir das Gute in deinem Leben wie ganz kleine hellere Punkte in einer ansonsten ganz dunklen Umgebung vor. Jetzt, wo du angefangen hast, gezielt danach zu suchen, meinst du vielleicht ab und zu, einen entdeckt zu haben (oder jemand anders weist dich auf einen solchen Punkt hin). Aber bevor du ihn überhaupt richtig siehst, wird er bereits wieder von Dunkelheit eingehüllt. Der Punkt, dass du dir Hilfe gesucht hast, wird sofort wieder verdeckt von der Tatsache, dass es so lange gedauert hat.

Ich weiß leider auch nicht genau, wie du es schaffen kannst, nicht (mehr so oft) zuzulassen, dass die hellen Punkte sofort wieder verhüllt werden. Vielleicht könnte ein erster Schritt sein, ganz fest daran zu glauben, dass sie da sind, auch wenn du sie nicht siehst. Du hast geschrieben, dass dir zu allem Positiven gleich was Negatives einfällt, was das überdeckt. Ganz egal! Schau da immer wieder hin, wo dieses Licht sein könnte, wenn es nicht total verdunkelt wäre. Schau immer wieder mal nach und versuche die Dunkelheit zu durchdringen. Hoffe darauf, dass die dunkle Kraft der Aussage: „Nach 2 sinnlosen versuchen und 10 Jahre Pause“ (o. a.) ganz langsam immer mehr nachlässt und das Helle „Ich habe mir psychologische Hilfe gesucht“ (o. a.) durchkommt. Dabei ist das bestimmt hilfreich, was schon vorgeschlagen wurde, dass du solche Sachen aufschreibst und immer wieder anschaust. So wie ich dich verstehe, sind dir schon ein paar Dinge eingefallen, die zumindest positiv zu sein scheinen, aber du hast eben zu jedem dieser Dinge was Negatives, das es total überdeckt. Scheiß drauf! Schreibs trotzdem auf. Schreib auch diese (in deinen Augen) nur scheinbar positiven Dinge auf. Schon dass sie dir, (oder jemand anderem, der dich drauf hinweist), eingefallen sind, ist wie so ein ganz kurzes Aufblitzen so eines hellen Punktes, an den es wert ist, sich zu erinnern, auch wenn er schon wieder total verhüllt ist. Er war da, wenn auch in Begleitung von ganz viel Dunkelheit. Vielleicht kannst du dich daran irgendwie festhalten. (Neben dem Aufschreiben, kann vielleicht auch laut Aussprechen helfen.)

Eine letzte Frage hätte ich noch: Du schreibst, dass du an nichts, was du tust Freude hast, alles ist irgendwie nur Pflichterfüllung oder Fassade. Wie sind in diesem Fall deine vielen (und wie ich finde meist sehr guten) Antworten hier im Forum einzuordnen? Dass du hier so aktiv bist, kann man doch kaum als Pflichterfüllung deuten, oder?

Liebe Grüße
M.

Hallo kernig,

auch von mir (nur) ein Versuch:

Ich finde das alles glasklar logisch und sinnvoll, kann auf

Nachfrage auch überzeugend argumentieren, wie dies und jenes
zustande kam und wie ich mich verhalten müsste, um die Dinge
zu verbessern.

Yep. Das ist sicherer Grund. Dein Verstand hält dich am Laufen. Vielleicht hält er dich auch am Leben. Wie man denkt, analysiert, reflektiert, argumentiert weißt du. Das, was dabei rauskommt, ist berechenbar, überschaubar, vermutlich lange trainiert und erfolgreich praktiziert.

Das Problem: es kommt nicht bei der Gefühlsebene an. Null.

Was würde denn passieren, wenn es das tatsächlich täte? Was wäre zu gewinnen, was zu verlieren?

Vielleicht ist Dunkelgrau immer noch viel heller als die Angst vor dem Schwarz?

Nachdenkliche Grüße von Jule

Hallo Marion,

Ich verstehe die Zusammenhänge, die mir meine Therapeutin
erklärt, ich kann sie wiedergeben ( und hab das bei anderen
auch teilweise schon erfolgreich getan :smile: ), auf vieles bin
ich auch schon selber gekommen.
Das Problem: es kommt nicht bei der Gefühlsebene an. Null.

Tiefenpsychologische Therapie?

Was ist nötig, um das zu ändern?

  1. Geduld! Eine chronische Depression heilt nicht von heute auf morgen. Du musst ganz kleine Schritte machen.

  2. Gesund essen, auch wenns keinen Spaß macht. Dein Gehirn braucht Vitamine und Mineralien, um dir die entscheidenden Botenstoffe zur Verfügung zu stellen.

  3. Ausreichend Licht, vor allem in der dunklen Jahreszeit, also jeden Tag eine Stunde raus.

  4. Bewegung, Bewegung, Bewegung, auch wenns (noch) keinen Spaß macht!

  5. Such dir eine aufbauende Selbsthypnose CD und hör sie morgens gleich nach dem Aufwachen und Abends vor dem Einschlafen an. MP3 Player und Kopfhörer neben dem Bett, ist ja nur ein Klick, kein großer Aufwand.

  6. Ich würde die Hypnotherapie empfehlen, zusätzlich zu deiner anderen Therapie als Unterstützung.

Druck? Oder besser „Pflege
und Fürsorge“? Übungen? Spiritualität (eher nicht so meins,
aber weiß, vielleicht ist ja genau das der Grund)?

Was davon dir gut täte, könntest du mit einer guten Therapeutin schon rausfinden.

Alkohol/Medikamente/Drogen?

Sicher nicht, es sei denn, du brauchst zeitweise Psychopharmaka, um deinen Alltag zu bewältigen, was ich bei Dysthymia aber nicht vermute.

Sich zu nichts zwingen, alle 4e
von sich strecken bis man einen echten Impuls spürt?

Sicher nicht.

Ich hab keine Ahnung und wäre für Anregungen sehr dankbar.

Waren es genug Anregungen? :smile:

Julia

Hi!

leider auch von mir nur eine Laienmeinung.

Ich habe nichts gegen Laienmeinungen. wenn sie irgendwie fundiert sind.
Deshalb danke auch für die Deine.

Eine letzte Frage hätte ich noch: Du schreibst, dass du an
nichts, was du tust Freude hast, alles ist irgendwie nur
Pflichterfüllung oder Fassade. Wie sind in diesem Fall deine
vielen (und wie ich finde meist sehr guten) Antworten hier im
Forum einzuordnen? Dass du hier so aktiv bist, kann man doch
kaum als Pflichterfüllung deuten, oder?

Ich hätte eine Antwort darauf. Das ist mir aber zu persönlich und ich befürchte, das bei der nächsten passenden Gelegenheit hier aufs Butterbrot geschmiert zu bekommen.

Grüße
kernig

Hallo,

ich würde die Hypnotherapie empfehlen, zusätzlich zu deiner anderen Therapie als Unterstützung.

Für den Bereich Depression hat die Hypnotherapie keine Zulassung, was bedeutet, dass die Kasse die Kosten vermutlich nicht übernehmen wird. Beim Selbstzahlen ist das aber natürlich kein Problem.

Schöne Grüße,
Jule