Laß Eure Diskussion gut sein - über den Mord im vergangenen Monat in Glauchau/Zwickau. Oder laßt sie vielmehr schlecht sein - wie die Diskussion etwas weiter unten geführt wurde, kann sie nur in einer wertelosen und orientierungslosen Gesellschaft erfolgen.
Klaus Rainer Röhl (Ehemann der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof) kann es viel besser sagen:
Zu dem Vorfall damals in Guben („von Rechtsradikalen zu Tode gehetzt") folgender Auszug aus einem Artikel von Klaus Rainer Röhl in „Welt am Sonntag" vom 28.2.1999:
Von guten und von schlechten Toten
Mögen andere von ihrer Schande sprechen, ich spreche von der meinen.
An einem Samstag der vergangenen Woche starb ein junger Algerier auf Deutschlands Straßen. Nach einer Schlägerei in einer Disco in der Brandenburgischen Kleinstadt Guben an der polnischen Grenze war der 19jährige von einer Übermacht betrunkener Skinheads durch die Stadt gehetzt worden. Er trat in seiner Angst eine Glastür ein, durchschnitt dabei eine Pulsader und verblutete. Schlecht so.
„Von Neo-Nazis in den Tod gejagt!" hallte es - ohne weitere Nachprüfung des Falles - auf allen Presse-, Rundfunk- und Fernseh-Kanälen durch die Republik. Obwohl der Polizeichef von Guben einen rechtsradikalen Hintergrund glaubwürdig abstritt; diese tödliche endende Menschenjagd habe nichts mit Neo-Nazis zu tun, berichtete er der Tageszeitung „Die Welt". Doch der „Schrei des Entsetzens und der hilflosen Trauer" war, einmal medienmäßig eingeleitet, nicht mehr aufzuhalten, und die Trauerfeier zu Ehren des jungen Algeriers wurde von Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe zu einem Staatsakt mit gelben Chrysanthemen und muslimischen Totenklagen im Beisein der gesamten prominenten Betroffenheitsszene Deutschlands zelebriert. Mahnwachen zogen auf, und Lichterketten wurden entzündet. Noch einmal gingen die Fäuste hoch zu einem „Nie wieder Rassismus!" und „Wehret den Anfängen". Gut so.
Am gleichen Samstag starb ein junger Deutscher auf Deutschlands Straßen. Der 24jährige Heizungsmonteur, der zusammen mit einigen Kollegen in der S-Bahn zum Fastnachtsball an der Frankfurter Universität unterwegs war, wurde von einer Gruppe von Ausländern, Nordafrikanern und Jordaniern, auf dem Bahnhof Griesheim erstochen. Zwei seiner Freunde, ebenfalls durch Messerstiche verletzt, kamen mit dem Leben davon. Die Deutschen waren unbewaffnet. Acht Messerstiche im Körper des toten, zwei davon in Herz und Leber, sehen nicht gerade nach fahrlässiger Tötung aus, eher nach Mord. Schlecht so.
Kein Aufschrei ging durchs Land, nur die Lokalausgaben zweier Frankfurter Zeitungen berichteten davon: „Messerstecherei in Griesheim", keine überregionale Zeitung brachte auch nur eine Meldung. Außer der „Welt". Zuerst nur in Form eines vom Chefkorrespondenten kommentierten Leserbriefs, zwei Tage später erschien noch ein Leitartikel. Keine Meldung in ARD und ZDF, keine Videotext-Tafel über den Toten von Griesheim. Keine Mahnwache zog auf, keine Lichterkette wurde entzündet, in aller Stille brachten die Angehörigen ihren Jungen in die Grube. Kein Ministerpräsident, kein Betroffener, der den Anfängen wehren wollte. Schlecht so.
Terror auf Deutschlands Straßen? Eher wohl Terror in Deutschlands Redaktionsstuben. Eine andere, harmlosere Erklärung (Zufall oder Unachtsamkeit) gibt es bei solcher Einhelligkeit nicht. Die Nach-68iger Elite in den Medien kennt offenbar zweierlei Arten von Toten. gute und schlechte. Solche, für die man Mahnwachen aufstellt, und solche, deren Tod man verschweigt.
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