Hallo,
Nun bin ich im Dilemma. Ich „habe gehört“, von Hand
aufgezogene Katzen seien extrem menschenbezogen, aber hätten
durch die mangelnde Sozialisation und Erziehung durch eine
Katzenmutter immer irgendwo einen Knacks (mal salopp gesagt)
bzw. Verhaltensstörung. Da hier aber wenigstens ein paar
Geschwister zusammen sind, ist das evt. weniger ein Problem?
Kann mir hier jemand über einschlägige Erfahrungen mit
Handaufzuchten berichten?
Meine erste Katze war eine Handaufzucht. Das typischste „Symptom“ einer handaufgezogenen bzw. auch einfach einer früh entwöhnten Katze ist das Nuckeln am eigenen Fell, an Decken oder an Kleidung der Besitzer. Das hat auch meine Katze gemacht, ich fand es süß. Sie hat sich zusammengerollt und an einem Haarbüschel am eigenen Knie genuckelt und ist so immer eingeschlafen. Ansonsten war sie sehr menschbezogen, ignorierte andere Katzen, kam aber gut mit ihnen klar.
Handaufzuchten sind perfekt auf Menschen geprägt. Das hat Vorteile, denn man kann sie extrem gut händeln, sie sind nicht handscheu, lassen sich hochheben, herumtragen und so weiter. Sie sind, wenn in der Wohnung aufgezogen, i.d.R. perfekt stubenrein und kennen idealerweise Kratzbaum und andere „Katzendinge“ bereits.
Auf der Negativseite kennen sie eben keine Scheu vor dem Menschen und haben daher auch wenig Respekt, sind relativ aufdringlich (Katzenfreunde nennen das „verschmust“
und brauchen 3x so viel Konsequenz und Durchsetzungsvermögen bei der Erziehung. Meine beiden nicht richtig zahmen Kater (Wildfang mit 4 Monaten) gingen bei mir nicht in die Küche, obwohl es eine offene Küche war. Ich brauchte mich nur mahnend zu räuspern, dann rannten sie aus dem Zimmer. Meine Handaufzucht zeigte mir bei sowas nur die Mittelkralle. Ich musste sie buchstäblich aus der Küche werfen, sie kam dann sofort wieder angerannt: „Wirf mich nochmal, das war toll!“
So richtig durchgeknallt werden Katzen vor allem dann, wenn sie in ganz jungem Alter von Mutter und Geschwistern getrennt werden und dann in reizarme Einzelhaltung in die Wohnung kommen. Sie werden dann dissozialisiert und reagieren auf Artgenossen später ggf. mit Panik, was Agressionen auslöst. Bestenfalls kleben sie einfach am Menschen und sind ansonsten anspruchslos (ich hatte mal so ein Exemplar). Schlimmstenfalls bekommt man eine neurotische Ratte, die einem die Wohnung vollpieselt und an der Tapete hängt.
Handaufzucht eines ganzen Wurfes ist im Tierschutz gang und gebe, meiner Erfahrung nach gibt es da bis auf das erwähnte Nuckeln keine größeren Verhaltensauffälligkeiten in diesem Zusammenhang.
Das zweite Problem ist, dass ich Bedenken habe, junge Katzen
in eine Wohnung zu sperren. Eine reine Wohnungskatze geht für
mich nur nach dem Prinzip „besser ein Platz bei mir aber nur
in der Wohnung, als ein Leben im Tierheim“.
Zustimmung. Ich bin zwar nicht prinzipiell gegen Wohnungshaltung, aber Freigang oder zumindest ein gesicherter Garten ist auf jeden Fall zu bevorzugen. Leider sind solche Plätze nicht so häufig. Letztendlich wird der Wurf ja offenbar prinzipiell auch in die Wohnung vermittelt, Du kannst also durch Verzicht auf diese Katzen sie nicht vor der Wohnungshaltung „retten“.
Trotzdem würde ich Dir zu Deinem ursprünglichen Plan raten, ein älteres, wohnungsgewohntes Katzenpärchen aus dem Tierschutz zu nehmen, damit tust Du auf jeden Fall ein gutes Werk, denn die Vermittlungschancen dieser Tiere sind ungleich niedriger als die von zahmen Welpen. Hinzu kommt die Tatsache, dass junge Katzen eher dazu neigen, Deine Wohnung nach ihrem Geschmack umzugestalten. Ich werde nie vergessen, wie das Katzenzimmer nach der ersten Nacht aussah, die meine beiden schwarzen Wildkater darin verbracht hatten. Das erklärt auch, warum sie spontan Satan und Luzifer genannt wurden.
Gruß,
Myriam