Hallo N.,
wie schon angedeutet, ist das keine Frage von „Marken“. Inhaber von Marken handeln mit Tee, sie erzeugen ihn nicht. D.h. sie kaufen ihn auf dem Weltmarkt, wobei sowohl die nachgefragte Menge als auch der Marktpreis in aller Regel keinen Verzicht auf Pestizide zulassen - das würde die Ertragsmenge reduzieren und sich entsprechend ungünstig auf das Verhältnis Deckungskosten (das ist die Summe sämtlicher ausgabenwirksamen Kosten) zu Erntemenge auswirken. Das muss erst einmal über einen entsprechend erhöhten Preis aufgebracht werden, den nur ein Teil der Kundschaft überhaupt bereit ist, aufzubringen. Da dieser Teil der Kundschaft nicht sonderlich groß ist, ist er für die großen Marken nur von begrenztem Interesse.
Glücklicherweise ist das eine Marktnische, die immerhin noch groß genug ist, um von kleineren Anbietern bedient zu werden. Allerdings: grundsätzlich ist Misstrauen angebracht, wenn Ware angeboten wird, deren Bio-Qualität nicht von einer unabhängigen, vertrauenswürdigen Stelle zertifiziert ist. Womit wir bei den Bio-Siegeln wären und der Frage ihrer Vertrauenswürdigkeit. In China (weltweit mit Abstand der größte Produzent von Grüntee) gibt es einige Bio-Siegel. Sie gelten nicht alle als vertrauenswürdig, angeblich nehmen es einige Zertifizierer mit der Kontrolle nicht sonderlich ernst, so lange die Kasse stimmt.
Aus diesem Grund gibt es auch Händler in Deutschland, die Tee mit europäischem bzw. deutschem Bio-Siegel anbieten (das deutsche Siegel zeigt übrigens keinen ‚Mehrwert‘ an, es darf halt zusätzlich zum europäischen geführt werden). Streng genommen ist damit allerdings nicht die Ware, sondern der Händler bzw. Importeur zertifiziert. Was bedeutet das Siegel nun konkret?
Grüntee wird aus Nicht-EU-Ländern, sog. Drittländern, importiert. Wenn Importe aus Drittländern als Ökoprodukt vermarktet werden sollen, dann müssen im Land der Produktion Vorschriften und Kontrollmaßnahmen implementiert sein, die mit den einschlägigen EU-Rechtsvorschriften gleichwertig sind. Das ist zunächst einmal bei sog. anerkannten Drittländern der Fall - sie finden sich in Anhang III der VO (EG) Nr. 1235/2008. China ist da nicht dabei, dafür aber Indien.
Bei nicht anerkannten Drittländern muss die dortige (vom Produzenten natürlich bezahlte) Zertifizierungs-Agentur (Drittlands-Kontrollstelle) durch die EU-Kommission zugelassen sein - die zugelassenen Kontrollstellen wiederum finden sich in Anhang IV der o.g. EU-Verordnung. Der Exporteur des Grüntees (Du liest richtig, nicht die Drittland-Kontrollstelle) stellt dann eine Kontrollbescheinigung für die Einfuhr von Erzeugnissen aus ökologischer Landwirtschaft / biologischem Landbau in die Europäische Gemeinschaft gem. Anhang V unserer famosen EG-Verordnung aus. Der Importeur wiederum gibt eine Kopie davon an seinen eigenen Zertifizierer - eine einheimische, private Ökokontrollstelle, die den Import registriert (den sie nicht notwendig auch überprüft hat). Das Original der Kontrollbescheinigung geht an den Zoll - die spielen da ja auch noch mit. Außerdem überprüft der Importeur (! auch hier: nicht seine Zertifizierungsstelle) die Ware (Wareneingangsprüfung), stellt darüber eine Kontrollbescheinigung aus und sendet diese zurück an den Exporteur, der sie als Nachweis für seine eigene Kontrollstelle braucht. Wie und ob er z.B. nach Pestizidrückständen sucht, bleibt ihm überlassen. In aller Regel hat er gar nicht die Möglichkeit, dies zu tun, sondern müsste das an ein Labor outsourcen. Was - zusätzlich zu den Kosten für die Zertifizierungsstellen - nicht gerade wenig kostet.
Jedenfalls - dann erhält die Ware eine Öko-Kontroll-Nummer (die findet man auf der Verpackung) und darf mit dem EU-Bio-Logo und auf Wunsch zusätzlich mit dem Deutschen Bio-Siegel gekennzeichnet werden. Wasserdicht ist das alles wirklich nicht, aber derzeit das Beste, was man hierzulande kriegt.
Ansonsten: es gibt eine (allerdings bei weitem nicht vollständige) Internet-Datenbank für Bioprodukte, die Tee mit entsprechendem Siegel listet: http://www.oekoinform.de/.Liste;4800.1.html
Freundliche Grüße,
Ralf