Vorchristliche Religionen Mitteleuropa
Hi Nemo,
Ehe unsere Vorfahren zum Christentum gezwungen wurden,
ich nehme an, mit „unsere“ meinst du die Gebiete Mittel-, West- und Nordeuropas?
Die ersten Berührungen der überaus zahlreichen Ethnien, die man mit „Kelten“ und „Germanen“ zusammenfaßt, mit christlichem Gedankengut waren keineswegs „gezwungen“. Allerdings wurde, wo welcher Hauptkult gepflegt und verbreitet wurde, weitgehend von den Königen der diversen Völker bestimmt. So wie z.B. und dem Merowinger Chlodwig und seiner Nachfolger …
Wie die Biographie z.B. des Martin von Tour (heute weitgehend bloß noch durch die rührende Mantelteilungs-Story bekannt) zeigt, der die ersten beiden christlichen Klöster im heutigen Frankreich gründete, wurde christliches Gedankengut in den ersten paar Jahrhunderten im Wesentlichen durch römisches Militär in die genannten Gebiete importiert. Und z.B. durch solche bedeutenden Akte wie die Bibelübersetzung durch Wulfila ins Gotische. Aber auch dies hatte die Züge der Goten nach Südeuropa zum Hardware-Hintergrund und (noch) nicht die systematische christliche Mission von Süden nach Norden.
Gewaltsam muß man dann allerdings die Mission der Friesen und (später) Chatten durch den englischen Adligen Wynfreth, bekannt unter dem Namen Bonifatius, im 7./8. Jhdt. bezeichnen. Hier wurden dann auch machtpolitische Interessen der Stammesfürsten instrumentalisiert - natürlich auch wechselseitig. Seit Kaiser Konstantin hatte sich ja gezeigt, daß die christliche Religion sich hervorragend für die Stabilisierung staatspolitischer Strukturen eignete. Und vice versa dienten diese Interessen wiederum der politischen Einflußnahme der römischen Päpste.
Von einer „germanischen Religion“ kann man nur in einem sehr globalisierenden Sinne sprechen. Es gab zwar sehr weit verbreitete Stars im Pantheon der nord-, west-, ost- und südgermanischen Völker. Der genannte Wuothan/Wotan/Odin gehörte zweifellos dazu. Aber die kultischen Eigenarten, insbesondere der für jede Religion charakteristische Mythen-Bestand, waren doch eher in lokalen Unterschieden zu finden.
Dasselbe gilt dann übrigens von den italischen, etruskischen und griechischen Religionen (ebenfalls Plural). Die späteren römischen Hauptkulte waren alle importiert: Aus Persien, Ägypten, Griechenland, Syrien usw.
Es gibt jedoch auch aus historisch früheren Epochen zahlreiche allgemein-indogermanische Verwandschaften sowohl in der Götter-Konzeption, als auch in kultischen und mythischen Elementen. Dazu gehören Götter-Analogien (Varuna - Juppiter - Wodanaz/Wotan, Mitra - Tiwar, Indra - Mars - Thunrar/Donar, Saraswati - Friyyo/Freya, usw.). Als weiteres Beispiel wäre ein Urmenschen-Mythos zu nennen (Purusha - Börri/Björr), sowie ein Unsterblichkeitstrank (Amrta - Ambrosia - Meodo/Mjördr/Metu/Met). Und noch zahlreiche andere Elemente.
Dagegen waren im europäischen Raum Religionen mit einer göttlichen Welterlösergestalt wie der persische Mithras-Kult und die christliche Religion völlig fremd.
Gruß
Metapher