Vormundschaft

Liebe/-r Experte/-in,
seit ca. 1 Jahr hat meine Tante (82J.) in Berlin eine über das Gericht bestellte Betreuung. Ich wohne in der Nähe von Hamburg und bin daher auch auf tel. Kontakte angewiesen. Die Qualität der ärztlichen Versorgung erscheint selbst der Betreuerin (RAin)fraglich. Was kann und darf ich als Familienangehörige überhaupt noch unternehmen bzw. veranlassen um die Versorgung zu verbessern? In welcher Beziehung steht die Betreuerin zu den Familienangehörigen (Auskunftspflicht). Welche Aufgaben und Pflichten hat die Betreuerin? Wann kann oder darf Kritik geübt werden. Und wie sollte das erfolgen? Die aktuelle „rund-um-die-uhr“ Versorgung ist recht teuer doch es besteht der Eindruck, dass hier mehr auf Quantität als auf Qualität geachtet wird. Die neutrale Beistandsschaft macht sicher Sinn doch wie findet sich jemand der sich auch wirklich kümmert?

Hallo Hagen2,

der Leitgedanke, welcher sich durch das gesamte Betreuungsrecht zieht, beruht auf dem Wohl des Betreuten; siehe hierzu § 1901 Abs. 2 BGB. D. h., sämtliches Handeln eines Betreuers (hier: Rechtsanwältin) muss auf das Wohl deiner Tante ausgerichtet sein.

Ich gehe einmal davon aus, dass der Aufgabenkreis der Betreuerin auch die sogenannte „Gesundheitssorge“ umfasst. Insofern müsste sie sich um eine ausreichende Qualität der ärztlichen Versorgung kümmern. In diesem Zusammenhang stellt sich mir allerdings die Frage der angeblich selbstfinanzierten Rund-um-die Uhr-Versorgung. Wieso ist diese erforderlich?

Sollte diese Versorgungsform allerdings erforderlich sein, hat sich die Betreuerin zu kümmern und kann nicht lapidar nur ihre Zweifel äußern. Dies entspricht aus folgenden Gründen nicht dem Wohl deiner Tante:

  1. keine ausreichende ärztliche Versorgung und
  2. fianzielle Einbußen aufgrund von Schlechtleistungen.

Hier besteht im Grunde genommen zwingender Handlungsbedarf. Ich würde die Betreuerin direkt ansprechen und um Abstimmung der nächsten Schritte bitten. Eine direkte Auskunftspflicht von Seiten der Betreuerin sieht das Betreuungsrecht nicht vor! Sollte es aus deiner Sicht zu keinen Verbesserungen kommen, kannst du das zuständige Betreuungsgericht in Berlin informieren. Dieses wird dann die Betreuerin auffordern, Stellung zu nehmen. Als letzte Konsequenz steht die Entlassung der Betreuerin und daran anschließend die Bestellung eines neuen Betreuers.

Heutzutage jemanden zu finden, der sich im Rahmen einer Betreuung kümmert ist schwierig bis unmöglich, vor allem wenn nahe Angehörige nicht zur Verfügung stehen. Die Massenabfertigung durch die Berufsbetreuer ist ein bekanntes Phänomen. In meiner täglichen Prxis kommt dies häufig vor. Es steht für eine vernünftige Abwicklung keine Zeit zur Verfügung bzw. umfangreiches Kümmern wird vom Betreuungsgericht nicht anerkannt und gegenfinanziert.

Eine passgenaue und personenzentrierte Hilfe leisten in der Regel nur engagierte Angehörige, die Schriftverkehr und Behördenkontakte nicht scheuen. Wer hier Schwierigkeiten hat, wird bei ernsten Problemen fast immer scheitern.

Wenn du noch etwas zur Rund-um-die-Uhr-Versorgung sagen kannst, werde ich versuchen noch konkretere Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Derzeit kann ich den Sinn dieser ärztlichen Versorgung nicht erkennen.

Gruß crickelcrackel

vielen Dank für die ausführliche Antwort. In der Zwischenzeit habe ich mich bereits um einige Sachen geümmert. Es soll erreicht werden, dass meine Tante in eine Seniorenresidenz wechseln kann. Problematisch ist, wie mir der behandelnde Nervenarzt mitgeteilt hat, dass neben der Alterdemenz noch eine bipolare Störung mit deutlicher Depression einhergeht. Daher ist der Umgang äußerst schwierig. Dazu kommt noch eine Gehschwäche. Da eine sog. soziale Vereinsamung (nach dem Tod des Mannes vor fast 20(!?)Jahren vorliegt ist es recht kompliziert Zugang zu ihr zu finden. Das die gehobenen Seniorenresidenzen bei Aufnahme noch eine einigermaßen vorhandene Aktivität voraussetzen und auch zumindest ein gewissen Maß an Kontaktherstellung möglich sein muss, erschwert die Suche nach einer geeigneten Residenz erheblich. Bis vor ca. 6 Monaten fand eine ambulante Betreuung in der Wonung statt, die sich jedoch als nicht mehr durchführbar erwies, da es zu einigen Auffälligkeiten kam. Diese äußern sich darin, dass sie z.B. vom Balkon um Hilfe rief oder auf der Straße beim spazieren gehen fremde Menschen um Hilfe bat, weil sie sich von den Betreuern schlecht behandelt fühlte. Daher gibt es nun die „rund-um-die-uhr-betreuung“ die u.a. darauf achten, das Medikamente auch genommen werden. Die Hürde liegt darin, die Möbiltät soweit wiederherzustellen, dass eine Residenz in Frage kommt. Unter zu starken Medikamenten, wird zwar eine Ruhigstellung erreicht, aber auch die gesitige und körperliche Aktivität stark eingeschränkt. Ohne die Medikamente kommt es zu teilweise unkontrolliertem Verhalten, welches wiederum eine stationäre Einweisung (Psychiatrie) zu folge hat. Nach Auskunkt des behandelnden Psychiaters stellt eine Seniorenresidenz nicht die geeignete Lösung dar, da in spätestens 3 Jahren eine stationäre Umverlegung erfolgen muss, aufgrund des Fortschreitens des Krankheitsbildes. Die Betreuerin ist dennoch der Meinung, das die Unterbringung in einer hotelähnlichen (sehr schönen) Residenz Nähe Ku´damm Sinn macht. Nach den Infos vom Psychiater tendiere ich inzwischen doch eher zu einer Einrichtung, die das Verbleiben bis zum Schluss ermöglicht. Auch da gibt es sehr schöne Residenzen. V.s. des Psychiaters ist in jedem Fall eine stat. Unterbringung in einem Alterspflegeheim zu empfehlen. Hierbei zieht er sowohl Sinn und Nutzen als auch finanzielle Belange mit ein zumal meine Tante mehrfach Bedenken geäußert hat, ob sie sich die teure zuhause Pflege überhaupt leisten kann. Der „noch“ behandelnde Hausarzt wird sich aufgrund einiger Auffäligkeiten nicht weiter um die Versorgung kümmern. Dies hat zumindest die Betreuerin zugesichert. Im übrigen unterstützt er (aus eigenem Vorteil) die teure Versorgung zuhause. Die Betreuerin hat mir einen Besuch in der von ihr favorisierten Einrichtung zugesichert und ich habe ihr noch über die andere Einrichtung Unterlagen übersandt. Letztlich kommt es auch auf die Mitwirkung und Entscheidung der Tante an. Und da kann ich nur hoffen, dass sie auch weiterhin einer externen Unterbringung zustimmt. Dies ist zumindest aktuell der Stand der Dinge.
Beste Grüße,
Ulli