Vorschusslorbeeren für deutschen 2018er?

Servus,

wie kommt der 2018er Jahrgang zu solchen Vorschusslorbeeren, obwohl (aus meiner unmaßgeblichen Perspektive) alles dafür spricht, dass er dieselben Probleme wie der 2003er und der 2016er haben wird?

Was war 2018 so markant anders als 2003 und 2016?

Für erhellende Hinweise dankt

MM

Welche Probleme?

Salu,

die werden wohl vor allem von Leuten vergeben, für die hohe Mostgewichte immer noch ein entscheidendes Qualitätskriterium sind. Davon werden zwar die Rotweine profitieren und natürlich die frühreifen Sorten wie Müller-Thurgau und Konsorten. Für leichte, trockene Weissweine jedoch, insbesondere Riesling, ist der Jubel zumindest verfrüht. Zu trocken, zu warm, zu sonnig - zwar nicht ganz so viel Sonne wie 2003, aber im Jahresdurchschnitt (Januar bis September) noch etwas wärmer. Das ist vor allem den höheren Temperaturen von Januar bis April zu verdanken.

Der Unterschied zu 2003 liegt daher vor allem in der extrem frühen Blüte und damit der entsprechend frühen Lese. Ob und ggf. wie sich das auswirkt, bleibt abzuwarten. Ansonsten: der deutlich nassere 2016er (vor allem im Frühsommer) passt nicht mE nicht so recht in diese Riege - da muss man schon bis 1976 und 1947 zurück gehen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Im Kern ein ziemlich gravierendes, das sich allerdings in unterschiedlichen Facetten äußert, daher der Plural:

  • Dem 2018er fehlt Säure, auf das Heftigste.

Das ist, wie Ralf bereits ausgeführt hat, für die Roten keine so arge Sache. Die werden von einer anderen Seite gepackt: Nicht wenige davon werden - so meine Prognose - mit ungewöhnlich ausgeprägtem Tannin und unverhältnismäßig hohen Alkoholgehalten (die man u.a. dadurch auszugleichen versuchen kann, dass man sie ein bissele ausführlicher auf der Maische lässt) eher wie nachgemachte Rhone-Weine denn wie deutsche Rotweine wirken, aber dann dem Vergleich mit dem Original in seiner Charakteristik trotzdem nicht standhalten können.

Man kann daran freilich etwas „machen“ - zuletzt ist in D glaube ich 2010 das künstliche Aufsäuern von in dieser Hinsicht zu flach geratenem Most erlaubt worden, und dieses Jahr ist es halt auch wieder „angesagt“ - aber man braucht kein allzu verblendeter Romantiker zu sein, um in diesem Punkt einen Unterschied zwischen dem zu sehen, was ein Wein mitbringt, und dem, was man ihm antut.

Außerdem:

  • Der 2018er wird wegen ausgesprochen hoher Mostgewichte in sehr vielen Fällen (ich behaupte: in der deutlichen Mehrzahl der Fälle) zu alkoholisch geraten. Das ist deswegen besonders schade, weil sich der Markt eben erst von der Reinzuchthefen-Mode zu erholen anfing, auf deren Höhepunkt es darum ging, jeden noch so leichten, frischen oder auch einfach banalen Wein mit aller Gewalt zu einer Spritbombe mit 13,5 bis 14,5 Umdrehungen zu machen. Alternativ kann man natürlich auch die Gärung stoppen und kommt dann zu halbtrockenen und lieblichen Erzeugnissen, die ohne die nötige Säure doch auch recht traurige Veranstaltungen sind.

Und noch ein ‚Problem‘ am Rande:

  • Der Müller-Thurgau, der zwar bloß noch zwölf Prozent der deutschen Rebfläche ausmacht, aber betreffend die gelesene Tonnage (ja, ich benutze das Wort beim Müller bewusst) wohl einen viel höheren Anteil, entwickelt, wenn es ihm zu warm ist, leicht eine ausgesprochen fiese Parfümnote, die an Bonbons mit „Fruchtgeschmack“ der billigsten Machart denken lässt. Es wird also geraten sein, nicht nur die explizit als Müller ausgewiesenen Flaschen weiträumig zu umgehen, sondern auch die vielen, auf denen viel klangvollere Namen stehen, aber eben (z.B. um sie erschwinglich zu halten) ganz legal bis zu 15 Prozent Müller drinne sind.

Schöne Grüße

MM
(Schwarzseher)

lorbeeren sind so gesund