Hallo,
ich habe mich wegen einer Bindungsphobie in eine Psychotherapie begeben. Das erste Mal vor etwa vier Jahren (12 Sitzungen), dann nochmal ein halbes Jahr später (wieder 12 Sitzungen). Beides waren Verhaltenstherapeuten. Gebracht hat mir das gar nichts. Wir haben nur geredet und versucht, mein Problem zu definieren. Dass es sich um eine Bindungsphobie handeln könnte, schien den beiden Herren nicht einzufallen.
Damals war ich in einer Ehe. Dann kam etwa ein halbes Jahr nach dem zweiten Therapieversuch die Trennung, die ich als große Erleichterung empfand. Ich begann Frauen zu treffen und war ganz zufrieden, wenn mich die Gefühle (Nervosität, Angst bis hin zur Panik) nicht weiter verfolgt hätten.
Ich wendete mich mit einem konkreten Anlass an dieses Forum (/t/die-totale-beziehungsphobie/4783811
So fand ich also eine Therapeutin (Analytikerin), die mir in der vierten Probesitzung sagte, sie könne mir nicht helfen, weil ich mich selbst schon völlig durchanalysiert hätte. Ich wisse ja schon alles und hätte meine Verhaltens- und Denkmuster rational völlig verstanden. Meine Ratio sei so stark, dass es ihr unmöglich sei, mir auf emotionaler Ebene zu begegnen. Und vom Verstand her lasse sich mein Problem nicht lösen. Sie empfahl mir eine Kollegin, die neben der PA auch Körpertherapie einsetzt.
Ich bekam auch tatsächlich Termine bei dieser nun mittlerweile vierten Therapeutin und bin jetzt nach der vierten Sitzung mit ihr sehr im Zweifel, ob sie mir helfen kann. Sie selbst äußert diese Zweifel ebenfalls. Da geht es schon los: Wie soll ich einem Therapeuten vertrauen, der sich selbst nicht sicher ist und einen fetten Disclaimer voranstellt? Damit meine ich Aussagen wie: Nur dann, wenn sie zu einer umfassenden Reform ihres Lebens und einer gründlichen Aufarbeitung ihrer Probleme bereit sind, kann ich ihnen helfen. Wenn Sie sich allerdings wünschen, so weitermachen zu können wie bisher und nur von ihren störenden Gefühlen befreit werden wollen, dann sind Sie bei mir falsch.
Scheinbar sieht sie in mir einen Casanova (ich date tatsächlich viele Frauen), der seine Gewissensbisse wegtherapiert haben will um seine schändlichen Spiele nur noch ungehemmter treiben zu können. Ich habe sie gefragt, ob sie mich so wahrnimmt, worauf sie eine diplomatische Antwort gab. Moralische Urteile liegen ihr jedenfalls fern.
Da ich mit meinem Leben zufrieden bin, möchte ich tatsächlich so weiterleben wie jetzt und nur von meinen lächerlichen Ängsten befreit werden. Wenn nötig, dann bin ich auch zu Reformen bereit, aber ich habe Zweifel, dass diese nötig sind.
Ich sehe in meinem Fall eine starke Analogie zur Schüchternheit:
In bestimmten Alltagssituationen überfallen mich wie den Schüchternen Angst und Nervosität, die für einen Außenstehenden unbegründet sind. Meine Ängste haben wie Schüchternheit ihre Ursache in den Genen und in Erfahrungen. Es gibt in meiner Kindheit durchaus Gegebenheiten, die meine Bindungsangst erklären können. Schüchternheit lässt sich gut mit VT therapieren, also dadurch, dass man sich den unangenehmen Situationen aussetzt und lernt, dass sie nicht bedrohlich sind.
Meine Therapeutin hingegen verlangt, meine Ängste als wesentlichen Teil meiner Persönlichkeit zu verstehen, als wichtige Signale, die mir sagen, dass ich etwas ändern müsse, in denen der Schlüssel zu einem besseren Selbstverständnis liege. Würde Sie dies zu einem Schüchternen auch sagen? Wie würde sie ihm helfen? Ich werde sie das nächste Mal fragen.
Grundsätzlich bin ich der PA gegenüber relativ skeptisch eingestellt und finde die VT plausibler. Das ist natürlich auch nicht gerade ideal.
Freunde sagen, dass ich diesen ganzen Psychoquatsch lassen solle. Ich sei doch viel zu gescheit für diese Therapeuten. Jeder hat doch so seine Macken und über kurz oder lang werde ich sie in den Griff kriegen. Einer z.B. hatte Angst, vor mehreren Menschen zu reden. Er besuchte Rhetorikkurse und hat seine Angst durch Konfrontation überwunden. Genauso soll ich es auch machen: Lernen, dass die Welt nicht untergeht, wenn ich eine Frau enttäusche (das ist nämlich, was vermutlich meine Angst unbewusst auslöst).
Ich habe jetzt natürlich auch keine Lust mehr, mir noch einen Therapeuten zu suchen. Ich bin kurz davor, einen Haken an Therapie zu machen und mich damit abzufinden, dass ich nicht therapierbar bin oder keine Therapie brauche.
Ein PA wird jetzt bestimmt sagen, es sei der Widerstand, der mich so denken lässt
Was sagt ihr zu alledem?
Danke schonmal, Herbert