Kann mir jemand sagen, warum bei einer AG das Eigenkapital gestiegen ist, obwohl der operative Cashflow des Jahres negativ war? Ist dies überhaupt möglich?
CF Operativ: - 8.352.310
CF aus Investitionen + 5.437.529
CF aus Finanzierungstätigkeiten - 406.647
Summe = -3.321.428
Im CF aus Finanzierungstätigkeiten wird der Punkt Einzahlungen aus Eigenkapitalzuführungen genannt: 7.446.832,40
EK vorher: 63,09 Mio
EK nachher: 70,927 Mio.
Also ist das Eigenkapital gestiegen, obwohl es rein logisch betrachtet um die Summe 3.321.428 gefallen sein muss???
Ist die Fa. nun mehr oder weniger Wert geworden, was denn nun???
Cashflow und Kapitalstruktur der Bilanz haben keinen direkten Zusammenhang.
Im Sachverhalt schilderst du doch, dass die Gesellschafter Eigenkapital eingezahlt haben (oder andere Zuführungen von Eigenkapital), ca. 7 Mio, und dass das Eigenkapital um diesen Betrag gestiegen sei. Ist doch wunderbar nachvollziehbar!
Der „Wert“ der Firma läßt sich weder aus der Veränderung des Cashflows noch aus der Veränderung des Eigenkapitals beurteilen. Wert ist die Firma das, was jemand dafür bezahlen würde, also beispielsweise der Börsenwert (wobei es da auch Abweichungen gibt). Anderenfalls würde man den Wert einer Firma nach dem Ertragswert oder - in Ausnahmefällen - nach dem Substanzwert ermitteln.
Meine Frage ist quasi, wo das Geld herkommt? Wenn insgesamt tatsächlich mehr Geld abfließen (-3,3 Mio). Dennoch erhöht sich auf wundersame Weise über 7,446 Mio das Eigenkapital, dann verstehe ich nicht, wo das überschüssige Geld hierfür hergekommen sein soll.
Buchhalterisch wird das sicher irgendwie korrekt sein, aber logisch betrachtet macht das für mich wenig Sinn.
Wenn ich mir vornehme all mein Geld ins Eigenkapital zu stecken, was ich verdiene und dann -3,3 Mio. mache, dann muss mein Eigenkapital doch auch um -3,3 Mio. fallen.
Sagen wir mal folgendes vereinfachtes Beispiel:
du belieferst einen Kunde am 31.12.2018 mit Ware im Wert von 1 Mio euro. Cashflow ist 0, da der Kunde noch nicht bezahlt hat.
Die Verbindlichkeit wird eingebucht und somit hast du einen Jahresgewinn von 1 Mio (ja du hattest keine Kosten).
im Jahr 2019 zahlt der Kunde wie vereinbart die 1 Mio. Du hast also einen cashflow von 1 Mio bei 0 Ertrag, der Ertrag war ja schon 2018.
Die Gesellschafter haben das Eigenkapital erhöht und zwar um die genannten rd. 7,5 Mio. In den Cashflow geht das mit ein (CF aus Finanzierungstätigkeiten). Der CF von -3,2 sagt nichts über die EK-Veränderung aus, sondern nur etwas über die Liquidität (bzw. deren Veränderung) des Unternehmens.
Vereinfacht:
die Kapitalflußrechnung zeigt, wie sich die Liquidität eines Unternehmens verändert; ganz unten steht der Cashflow, also die Nettoveränderung der Liquidität des Unternehmens
die Gewinn- und Verlustrechnung zeigt die Aufwendungen und Erträge und am Ende steht ein Gewinn oder Verlust, der das Eigenkapital erhöht oder mindert
zusätzlich gibt es aber noch Vorgänge, die das Eigenkapital direkt beeinflussen (z.B. Kapitalerhöhungen); vollständige Auskünfte über die Veränderungen des EK gibt die Eigenkapitalveränderungsrechnung
Es gibt Geschäftsvorfälle, die in allen drei Rechnungen wirken, aber auch solche, die nur in einer oder zwei auftauchen. Daher gibt es eben auch nicht nur die Cashflowrechnung ODER die Gewinn- und Verlustrechnung ODER die Eigenkapitalveränderungsrechnung, sondern alle drei und noch ein paar andere Bestandteile des Jahresabschlusses mehr.
Wirfst Ertrag und Cashflow einerseits und Gesellschaft und Gesellschafter andererseits durcheinander. Was das Unternehmen verdient hat, steht in der Gewinn- und Verlustrechnung. In der Kapitalflußrechnung suchst Du danach vergeblich. Wenn Du einen Zusammenhang zwischen einer Ertragsposition (also dem, was verdient wurde) und der Kapitalflußrechnung herstellen willst, dann bist Du beim um Zinsen und Steuern geminderten EBITDA ganz gut aufgehoben.
Die zweite notwendige Abgrenzung ist die zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Was das Unternehmen macht, verdient und thesauriert ist eine Sache und hat natürlich Einfluß auf das Eigenkapital. Was die Gesellschafter machen, aber u.U. auch - eben dann, wenn sie beschließen, daß Eigenkapital zu erhöhen. Im Regelfall fließt dann Geld von außen ins Unternehmen, was zu einer Erhöhung des Eigenkapitals einerseits und zu einer Erhöhung der Liquidität bzw. Reduzierung von Verbindlichkeiten andererseits führt.
Analogie: Du gehst arbeiten und hast am Ende des Monats noch 100 Euro übrig: Casflow. Dann ziehst Du die Abschreibungen auf Deine Immobilie ab, was den Gewinn (Periodenüberschuß) reduziert. Außerdem stellst Du am Anfang und am Ende des Monats Deine Schulden und Dein Vermögen gegenüber. Durch Dein Einkommen hat sich Dein Vermögen im Laufe des Monats erhöht, d.h. die Differenz zwischen Vermögen und Schulden ist größer geworden: mehr Eigenkapital - aber: Eigenkapitalmehrung ungleich Cashflow.
Die Kapitalerhöhung ist quasi eine Schenkung von einem Verwandten: mehr EK, mehr Cashflow, aber nicht mehr Gewinn, denn das Geld hast Du ja nicht durch arbeiten verdient.