Hallo Micha,
zunächst wollte ich nicht auf Deine Frage antworten, denn ich habe schon befürchtet, daß, wenn man als Theologin darauf hinweist, daß man historisch die Existenz Jesu kaum anzweifeln kann, das einem gleich wieder als Mission unterstellt wird…
Nun denn, bei christlicher Mission geht es kaum um die Existenz Jesu.
Für die Existenz Jesu taugen sicherlich nicht die von Dir genannten Quellen. Bei Josephus handelt es sich um einen Einschub, Tacitus würde ich zwar für echt halten, aber was sagt das aus, schließlcih berichtet auch er nur vom Hörensagen…
Für die Existenz Jesu gibt es jedoch die Evangelien als Quelle. Weiter oben habe ich das Alter dieser Quellen erläutert, und da es nun mal schriftliche Zeugnisse aus dem Anfang des zweiten Jahrhundert gibt, sind wir schon mal recht nah. Frage einen Papyrologen oder Altphilologen, also jemand missionsunverdächtigen, ob er denn glaubt, daß es sich bei diesen Papyri um die Originaldikumente der Autoren handelt, er wird es bezweifeln. Inhaltlich datieren wir dann auf 70n.Chr., womit wir für antike Verhältnisse ziemlich nah an der historischen Figur sind. Dann haben wir noch die Briefe des Paulus ab 52 n.Chr. Er hat Jesus nicht persönlich gekannt, aber seine „Mitstreiter“, die von ihm erzählt haben.
Es werden ja gerne lustige Geschichten hier verbreitet über die MAcht der katholischen Kirche, aber existent ist sie frühestens ab dem 4 Jh. Und wenn dann jemand tatsächlich die Möglichkeit gehabt hätte, eine derart große literarische Fälschung zu verursachen, diese literarischen Fälschungen auch noch quer durch Europa zu verbreiten, diese wiederum auf altem Papyrus und Pergament und entsprechend alter Tinte schreiben zu lassen, daß sämtliche Experten, und hier berufe ich mich auf Archäologen, Philologen, Chemiker etc. ihnen heute noch auf den Leim gehen - ehrlich gesagt hielte ich das fast für einen Wunderbeweis, daß die Kirche doch im Namen Gottes handelt:wink:
Zudem frage ich mich immer, warum man dann eigentlich so eine sperrige Figur erfunden hat. Die Christen haben sich auf hellenistischen Raum ausgebreitet, nach 130 gibt es keine echte Auseinandersetzung mit dem Judentum mehr. Dennoch haben sie sich missionarisch eine derart schwache Schrift geschaffen, in der Sprache der Ungebildeten mit Lehren, die jeder halbwegs gebildete Grieche als absurd empfand? Wenn es der Kirche doch um Macht ging, hätte sie nicht etwas erfunden, womit es ihr leichter gewesen wäre, die Eliten zu überzeugen?
Wenn man aber bei der Sache bleibt, also die Entstehung der Zeugnisse über das Leben Jesu wie oben datiert, dann gibt es eine große Frage, die die Bestreiter nicht plausibel beantworten können: Warum hätten die sogenannten Evangelisten und Paulus eigentlich Jesus erfinden sollen? Sie hatten noch nichts von dieser großen und die Menschheit unterdrückenden Macht namens Kirche. Sie waren arme Schlucker, die sich Verfolgungen ausgesetzt sahen und indem sie auch noch behaupteten, dieser Jesus sei der Messias, machten sie sich arg lächerlich ihren Familien und Freunden gegenüber.
Es gibt übrigens kein einziges antikes Zeugnis dafür, daß die Existenz Jesu, ebenso wie sein Tod, von irgendjemanden in Zweifel gezogen wäre (und man sollte die Menschen von damals nicht für zu dumm halten…). Wenn wir unter „historisch“ das verstehen, was die heutige Geschichtswissenschaft tut, dann gibt es historisch an der Existenz Jesu keinen Zweifel. Die Ereignisse nach seinem Tod, also die Abspaltung einer jüdischen Sekte vom Judentum unter Berufung auf ihn, lassen sich nur durch seine Existenz erklären, über die selbst wir mit strengen historischen Maßstäben kaum Informationen haben. Tatsächlich wird es sich um einen Wanderprediger gehandelt haben, der als Rabbi akzeptiert wurde, wenn auch nicht von allen. Es gibt einige Jesusworte, die man als historisch betrachten kann, denn sie sind überliefert worden, obwohl schon die Evangelisten mit ihnen Probleme hatten (das Ehescheidungsverbot nimmt da einen interessanten Verlauf ein). Zudem ist zu vermuten, daß es sich um eine äußerst charismatische Person gehandelt haben muß. Er ist, von Pontius Pilatus verurteilt, am Kreuz gestorben, wie viele andere auch. Wenn man bedenkt, daß alle historischen Urteile immer nur Wahrscheinlichkeitsurteile sind, dann sind dies die historischen Fakten. Ebenso, daß man ihn für den Sohn Gottes und Messias gehalten hat, was er selbst wahrscheinlich nicht von sich behauptet hat. Die Auferstehung ist nach geschichtswissenschaftlichen Kriterien kein historisches Ereignis (soll ja auch keine sein).
Und noch so viel: Kaum eine antike Figur ist besser bezeugt als Jesus aus Nazareth. Sokrates’ aber auch Moses Existenz ist dagegen geradezu unwahrscheinlich:wink: Man sollte sich auch mal fragen, was wir nicht heute als gesichtertes historisches Wissen annehmen, für das wir nur eine Quelle haben, z.B. ist der Kirchenvater Cyprian teilweise die einzige QUelle für das Römische Reich im 3. Jahrhundert. Da sich aber Entwicklungslinien nur mit Hilfe dieser Quellen erklären kann, geht man auch hier von Historizität aus…
Und zu guter Letzt: Mit Jesusbüchern kann man eine ganze Menge Geld machen, am besten noch garniert mit einer Vatikanischen Verschwörung, das ganze wird dann noch als aufklärerisches Werk vermarktet und jeder sachliche Kritik - wehe, sie stammt von einem Theologen - als ewig gestrige und missionarische Argumentation abgetan.
Ich habe ja auch immer noch vor, wissenschaftlich zu beweisen, daß Jesus eigentlich Q ist und das ganze ein Scherz des Kontinuums und eine geheime Verwörung der Borg, die die Förderation verhindern wollen. Wahrscheinlich wird dieses Buch von mehr Menschen gelesen als meine Diss und ich kann endlich Knete scheffeln:wink:
Grüße,
Taju