Waldorf-Pädagogik

Rudolf Steiner, der Begründer der Waldorf-Schulen, behauptet, dass ein Mensch eigentlich
erst mit 21 Jahren lesen lernen soll, weil Lesen dem menschlichen Wesen fremd sei.
An Waldorf-Schulen wird aber trotzdem irgendwie versucht, den Schülern irgendwann auch
das Lesen und das Schreiben beizubringen. In den ersten Klassen durfte mein Enkel aber
nur mit dickem Stift Kreise auf Packpapier malen, was ihn so ungeheuer motiviert hat, dass
er in der sechsten Klasse mit seinen Rechtschreibleistungen nicht einmal den Quali schaffen würde, geschweige den Übertritt ins Gymnasium. Dass es keine Noten und kein Durchfall-Risiko gibt, fördert auch nicht unbedingt den Lernwillen. Die Klassengröße von mehr als dreißig Schülern und die im Vergleich zu öffentlichen Schulen erheblich geringere echte Zahl an Lernstunden -die übrige Zeit war Kindergarten-Fortsetzung- trugen auch nicht gerade zu einem besseren Lernerfolg bei.
Wer hat entsprechende Erfahrung?
Helmut Kohl war angeblich Waldorf-Schüler. Den kann ich aber nicht mehr fragen.

Soll deine Frage wirklich sein, wer entsprechende Erfahrungen hat? Ebenso wie bei staatlichen Schulen gibt es auch bei Waldorfschulen eine riesige Bandbreite an Unterrichtsgestaltung usw. Ich kenne eine Menge Waldorfschüler, die ganz problemlos ihr Studium absolviert haben. Inwieweit würde es dir helfen, wenn jemand dieselben oder andere Erfahrungen hat?

Servus,

die Ruprechtschule und die Oberrealschule in Ludwigshafen-Friesenheim waren unter Garantie keine Waldorfschulen.

Die andere Angabe, auf die Du Dich beziehst, stammt offenbar aus einer ebenso windigen Quelle - nach Auffassung Rudolf Steiners ist das Lernen von Lesen und Schreiben ein Thema für das zweite Jahrsiebt (8. - 14. Lebensjahr). Wörtlich am 13.08.1924 in Torquay: „Lesen und Schreiben, so wie wir es heute haben, ist eigent­lich erst etwas für den Menschen (…) im 11., 12. Lebensjahre.“

Die Formen der Buchstaben werden malerisch-zeichnerisch in Waldorfschulen ab dem 7. Lebensjahr geübt. Wenn Dein Enkel sich nur mit Kreisen beschäftigen wollte, ist daran weder der Lehrer noch die Waldorfschule schuld gewesen. Dass Kinder nicht von vornherein als „auffällig“ gelten, wenn sie nicht präzise mit der vorgesehenen Lebenswoche irgendwelche Fähigkeiten entwickelt haben, ist (glaube ich) nicht das Allerschlimmste an der Waldorfpädagogik.

Bei denjenigen meiner Neffen und Nichten, die die Waldorfschule besucht haben (und die beiläufig alle über ganz ordentliche Abizeugnisse verfügen), sind die Orientierungen musisch-philologisch und technisch-naturwissenschaftlich etwa 50:50 verteilt.

Kurz: Man kann Rudolf Steiner und die Anthroposophie sicherlich in sehr vielem und sicherlich mehr oder weniger vernichtend kritisieren, aber ihnen Dinge vorzuwerfen, die man vorher zu diesem Zweck erfunden hat, ist nicht fair.

Schöne Grüße

MM

Moin Grußloser,

Rudolf Steiner, der Begründer der Waldorf-Schulen, behauptet,
dass ein Mensch eigentlich
erst mit 21 Jahren lesen lernen soll,

da hast Du sicher eine Quelle aus dem Werk von ihm!
Mir ist solches nicht bekannt und ich kenne etliche Waldorfschüler aus erster Hand, weil persönlich bekannt und auch Kinder von Freunden wurden/werden in diversen Waldorfschulen unterrichtet.

Helmut Kohl war angeblich Waldorf-Schüler. Den kann ich aber
nicht mehr fragen.

Dazu hat MM ja schon was geschrieben.

Gandalf

Hallo MM und Gandalf und Rainer,

Helmut Kohl war angeblich Waldorf-Schüler. Den kann ich aber
nicht mehr fragen.

Er soll seine Söhne in Waldorfschulen geschickt haben.
Übrigens der Quali ist der Hauptschulabschluss, der nicht nach der 6. sondern nach dem 9. Schuljahr gemacht werden kann.

Siboniwe

Hallo

Die Formen der Buchstaben werden malerisch-zeichnerisch in Waldorfschulen ab dem 7. Lebensjahr geübt. Wenn Dein Enkel sich nur mit Kreisen beschäftigen wollte, ist daran weder der Lehrer noch die Waldorfschule schuld gewesen.

Ich kenne nicht sehr viele Waldorfschüler, aber von denen konnte ca. die Hälfte im 3. Schuljahr noch nicht lesen.

Und die Schreibübungen mit Wachsmalstift und Packpapier, die ich auch mal bei Kindern beobachtet habe, fand ich so überhaupt nicht dazu angetan, das Schreiben zu lernen, kein bisschen. Das hatte mit Schreiben fast gar nichts zu tun.

Viele Grüße

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Hallo,

bin keine Waldorf-Anhängerin, schon allein aus dem Grund, dass der „Rudi“ eine sagen wir mal eigentümliche Meinung von der Linkshändigkeit hatte, aber …

Und die Schreibübungen mit Wachsmalstift und Packpapier, die
ich auch mal bei Kindern beobachtet habe, fand ich so
überhaupt nicht dazu angetan, das Schreiben zu lernen, kein
bisschen. Das hatte mit Schreiben fast gar nichts zu tun.

die Schwungübungen im Großen haben durchaus ihren Sinn, und zwar darin, dass erst grobmotorisch geübt wird, was später feinmotorisch gemacht werden muss.

Auch wenn ein umgeschulter Linkshänder sich zurückschulen (lassen) möchte, werden erst solche Schwungübungen empfohlen, um sich sozusagen mit der linken Hand erstmal wieder anzufreunden, was das Schreiben angeht. :smile:

Viele Grüße
Christa

2 Like

Moin,

Er soll seine Söhne in Waldorfschulen geschickt haben.

das Carl-Bosch Gymnasiumist keine Waldorfschule

Gandalf

Du willst mich ärgern, gell?
Hast deinen Artikel gelöscht und was geändert udn ich bin in die Lücke gefallen :smile:

Ich schrieb „soll“, weil das immer mal wieder behauptet wird, ich habe keine Lust das genau zu recherchieren. In seinem Buch schreibt der Sohn Walter Kohl jedenfalls nichts von einer Waldorferziehung, es würde auch gar nicht ins Bild passen.

Siboniwe

Hallo,

ich denke, die meisten Schüler lernen auch in der Waldorfschule zeitig lesen und schreiben.

Ich mache aber die Erfahrung, dass Schüler mit Lese - Rechtschreibschwäche in der Waldorfschule nicht oder erst viel zu spät (oft erst ab dem 6. Schuljahr) gefördert werden. Bis dahin geht man da oft davon aus, „dass es sich schon noch entwickelt“. Schüler mit LRS brauchen aber besondere Hilfe, „von selber“ entwickelt sich das Lesen da nicht.
Für die Schüler werden Frust und Angst dann immer größer - auch ein Waldorfschüler schämt sich, wenn er mit 12 Jahren noch nicht lesen und schreiben kann.

Hier sehe ich ein großes Manko der Waldorfschule.

Hallo,

vieles wurde ja schon gesagt, nur noch ergänzend dazu

… Dass es keine Noten und kein
Durchfall-Risiko gibt, fördert auch nicht unbedingt den
Lernwillen. …

Ich glaube nicht, dass Lernwille durch irgendein Risiko gefördert oder auch behindert wird.
Ich glaube, Lernwille entsteht durch andere Dinge, hauptsächlich aber durch ein wohlwollendes wertschätzendes Gegenüber. Und diese gibt es sowohl auch Regelschulen und auch auf Waldorfschulen. Und in beiden Schularten gibt es auch andere Beispiele.

Ich persönlich denke, es ist in erster Linie der Pädagoge und nicht die Pädagogik.
(Ist jetzt natürlich nur ein Aspekt!)

Grüße
ddwds

PS: Ist Helmut Kohl gestorben? Habe ich gar nicht wirklich mitbekommen.

Hallo Rainer,

nun ja, es stimmt ja so gesehen alles was Du da schreibst. Ich bin keine Befürworterin der Waldorf-Pädagogik. Wenn Du das Archiv durchforstest, wirst Du einige Artikel zu dem Thema finden.

Ich kommentiere mal kurz das was Du schreibst und schreibe abschließend noch etwas Positives zu der umstrittenen Pädagogik.

Rudolf Steiner, der Begründer der Waldorf-Schulen, behauptet,
dass ein Mensch eigentlich
erst mit 21 Jahren lesen lernen soll, weil Lesen dem
menschlichen Wesen fremd sei.

Steiner hat noch so manch andere befremdliche Dinge geschrieben. Es lehnt sich heute aber kaum noch eine Schule 1:1 an seine Worte, sondern es wird oft soetwas wie eine Grundidee adaptiert - mal mehr mal weniger dogmatisch.

An Waldorf-Schulen wird aber trotzdem irgendwie versucht, den
Schülern irgendwann auch das Lesen und das Schreiben beizubringen.

Das ist doch schon mal sehr gut.

In den ersten Klassen durfte mein Enkel aber nur mit dickem Stift Kreise auf Packpapier malen, was ihn so ungeheuer motiviert hat, dass er in der sechsten Klasse mit seinen Rechtschreibleistungen nicht einmal den Quali schaffen würde, geschweige den

Übertritt ins Gymnasium.

Es ist kein Geheimnis, dass Waldorfschüler nicht kompatibel sind mit anderen Schulformen. Der Übertritt von Waldorf Grundschule in ein staatliches Gymnasium dürfte dem Kulturschock von einer Auswanderung von einem Dorf in einer Großstadt gleichen. Die Entscheidung ein Kind auf eine Waldorfschule zu schicken hat weittragende Konsequenzen für die weitere Schulbahn.

Dass es keine Noten und kein Durchfall-Risiko gibt, fördert auch nicht unbedingt den

Lernwillen.

Da muss ich dir ein wenig widersprechen. Die Diskussionen um den Sinn einer Notengebung wird auch außerhalb der Waldorfpädagogik heiß diskutiert und in der Grundschule wird in der Regel nicht wiederholt. Da das Leistungsprinzip in der Waldorfpädagogik keinen Schwepunkt findet, ist das dort auch kein Thema.

Die Klassengröße von mehr als dreißig Schülern und die im Vergleich zu öffentlichen Schulen erheblich geringere echte Zahl an Lernstunden -die übrige Zeit war

Kindergarten-Fortsetzung- trugen auch nicht gerade zu einem
besseren Lernerfolg bei.

Die großen Klassen bei den Waldorfschulen sind bekannt und auch so gewollt - warum weiss ich nicht, aber das kann man bestimmt nachlesen. Ich vermute es geht um soetwas wie große Sozialgemeinschaft.

Wer hat entsprechende Erfahrung?

Ich habe nur durch Freunde Kontakt zu Waldorfschulen und ich stehe dem Konzept eher skeptisch gegenüber. Allerdings muss ich sagen, dass es für bestimmte Kinder ein Segen ist, dass es Waldorfschulen gibt. Wenn die Familie großen Wert auf eine Distanz zur Konformität der Geschellschaft und Median lege, mein Kind mit Natur und Handwerk anfangen kann und ihm dem Hype des Leistungsdrucks entziehen möchte, dann kann Waldorf-Pädagogik die Lösung sein. Wenn ich das alles wichtig finde, aber ich mein Kind dennoch in seiner Lernmotivation und seinen ausgeprägteren Formen der Kognition gefördert sehe, dann würde ich eher die Montessori-Pädagogik vorziehen.
Gewisse Talente kann man privat fördern, was die schulische Ausbildung angeht würde ich immer eine Wahl treffen, die möglichst viele Türen offen lässt. Wie Du schon schreibst, ist die Karriere an einem Gymnasium nach einer Waldorf-Grundschule eher unwahrscheinlich. An dieser Stelle kommen sicher viele und sagen sie hätten es auch geschafft, aber es ist nicht das Ziel. Ziel eines Gymnasiums ist Leistung. Die Ziele von Waldorf kenne ich nicht, aber Leistung ist es definitiv nicht.

Wir haben nebenan eine Waldorf-Schule. Sehr schönes Gebäude, Ziegen, Hühner usw., aber für mich stellte sich nie die Frage es dorthin zu schicken. Es ist sprachlich und mathematisch hochbegabt, aber auch wenn es „normal“ begabt wäre - ich kann mit dem ganzen Harmoniegeheuchel nichts anfangen und seine Vorliebe für Tiere und zur Musik leben wir privat aus.

Da Du aber der Großvater bist, solltest Du Dich eventuell vorsichtig in Deiner Kritik sein - ausschlaggebend ist die Haltung und Lebensform der Familie in der das Kind lebt, sowie die Persönlichkeit des Kindes.

Helmut Kohl war angeblich Waldorf-Schüler. Den kann ich aber
nicht mehr fragen.

Helmut Kohls Kinder besuchten eine Waldorfschule, Kohl selbst m.W. nicht. Fragen kann man schon - oder ist er tot und ich habe es nicht mitbekommen?

Viele Grüße