Waldorf - Vorurteile und Realität

Vielen Dank!
Ich möchte Euch ganz herzlich für die vielen und teilweise auch sehr langen und persönlichen Ausführungen bedanken.
Gerade die unterschiedlichen Erfahrungen und Facetten waren für mich sehr hilfreich.
Besonderen Dank auch für so viele Beispiele aus dem persönlichen Erleben.

Meine eigene Schulzeit habe ich nicht in der allerbesten Erinnerung und so kommt es sicherlich auch, dass ich meinem Sohn einige heftige Erfahrungen ersparen möchte und nach dem für IHN richtigen System suche. Dass ich ihn nicht vor allem bewahren kann, ist mir klar. Sicher wäre es schön, wenn er mal Abi macht oder studiert. Wenn er das nicht möchte und lieber eine nadere Richtung einschlägt, ist auch gut. Nir ist es wichtig, dass er für solche Entscheidungen die bestmöglichen Voraussetzungen hat und dass ihn - welches Schulsystem auch immer - die Schule auf dem Weg zu einem selbstdenkenden, selbstständigen, praktischen, menschlichen und sozial kompetenten Individuum stützt und unterstützt.

Lieben Dank noch einmal an alle!

CEA

Hi Cea,

du hast zwar schon eine Menge Antworten bekommen, da ich den Thread aber erst jetzt gelesen hab,
möcht ich als ehemalige Waldorfschülerin noch meinen Senf dazugeben. Die Antworten der anderen
hab ich bis jetzt übrigens noch nicht gelesen.

Ich selber war ein Jahr im Montessori-Kindergarten, ein Jahr im städtischen Kindergarten, dann zwei
Jahre im Waldorfkindergarten und anschließend zwölf Jahre auf der Waldorfschule.

Die Schule hat mir gut gefallen, wirklich gut. Klar mag man in der Pubertät nicht gern in die Schule
gehen, aber bei mir war das nur so mit 13-15, danach gab es wohl keinen Tag, an dem ich nicht in die
Schule hätte gehen wollen (abgesehen von Müdigkeit), ich mein jetzt von der Schule her.
Angst vor irgendwelchen Prüfungen oder Fächern gab es bei mir auch nicht. Ich war immer der
Meinung, ich würde danach studieren wollen und so, und ich hab die Leute nicht verstanden, die „nicht
mehr lernen müssen“ wollten.

Nachdem es bei mir an der Waldorfschule nicht die Möglichkeit gab zu maturieren, mußte ich aufs
Abendgymnasium wechseln, wo mich die Realität sehr schnell eingeholt hat, da hab ich das erste Mal
erfahren, was es heißt, Konsequenzen aus einem Fünfer zu ziehen, lernen zu MÜSSEN, unter Druck zu
stehen.

Das Argument, man würde dann viel mehr auf die Schnauze fallen, wenn man vorher ohne diesen Druck
leben durfte, ist Blödsinn. Ich jedenfalls bin sehr froh, eine so streßfreie Kindheit und Jugend gehabt zu
haben, ohne Angst. Dadurch konnte ich mich eben in anderen Bereichen entwickeln und das empfinde
ich vor allem im Nachhinein als sehr wichtig.

In der Mittelstufe (bei mir wohl ca. in der 7.-8. Klasse) wollte ich unbedingt Schule wechseln, aber nicht,
weil es mir in der Waldorfschule nicht gefallen hat, sondern weil ich natürlich Freunde auf anderen
Schule hatte und die blöd geredet haben. Deshalb ist es für Eltern wichtig, hinter der Schule zu stehen,
da die Kinder sich sonst sehr minderwertig fühlen könnten, weil sie ja „auf der Waldorfschule sind, wo
man nix lernt“ o.ä.

In meinem jetzigen Beruf hab ich mit Sicherheit keinen einzigen Nachteil, weil ich auf der Waldorfschule
war, im Gegenteil, ich hab meine Arbeitsstätte (die übrigens im Prinzip schon Vorbehalte hat) schon
während der Schulzeit im Zuge eines Praktikums kennengelernt. Es gibt nicht, wobei ich mir besonders
schwer tun würde, also aufgrund meiner Schulbildung.

Im Studium ist es etwas anderes. Während meiner Waldorfschulzeit mußte ich praktisch nichts für die
Schule lernen, weil mir alles leichtgefallen ist, und jetzt im Studium bin ich immer noch nicht daran
gewöhnt, daß ich so viel tun muß.

Ich weiß nicht, woran es wirklich liegt, daß Waldorfschüler tatsächlich in gewissen Kreisen belächelt
werden. Das legt sich aber eigentlich mit den Jahren, also bei mir war es so, je älter ich wurde, desto
weniger komisch haben mich Bekanntschaften von anderen Schulen deswegen angeschaut.

Das einzige, was ich an der Waldorfschule wirklich bemängle, ist eine gewisse Strukturlosigkeit in
bestimmten Bereichen, hauptsächlich Mathematik. Keine Ahnung warum, aber nahezu jeder
Waldorfschüler hat Matheprobleme. Fremdsprachen werden ebenfalls nicht überall gut unterrichtet.
Da mußt du halt bei der in Frage kommenden Schule schauen, ob die auch diese Probleme haben, und
wenn, dann haben Eltern die Möglichkeit, sich für eine Besserung einzusetzen und vor allem etwas zu
erreichen!

Ich wünsch dir ein schönes Wochenende und frohes Entscheiden :smile:
Grüße, Corinna

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Hallo Cea,

hier ein Spiegel-Artikel zum Thema:
http://www.spiegel.de/jahreschronik/0,1518,519031,00…

Darin ist eine Studie über Absolventen von Waldorfschulen zitiert, die man für 32 Euro z.B. hier kaufen kann: http://www.waldorf-absolventen.de/index.html

Hier eine weitere Studie, diesmal aus der Schweiz, dafür mit 16 Seiten gut herunterlad- und lesbar:
http://www.steinerschule.ch/downloads/Befragung.pdf

Vielleicht ist ja etwas Interessantes für dich dabei?

Grüßle

Mira

Nur meine eigenen Erfahrungen als Ausbilder
Hi!

Ich kann nicht über ein Konzept urteilen, das ich nicht wirklich kenne - das muss ich voraus schicken.

Ich habe in verschiedenen Unternehmen den Part des „Ausbilders“ übernommen.
Dabei fiel sehr deutlich auf, dass bei den Eignungstests sämtliche Waldorfschüler miserabel abschnitten.
Ich kann nur von Düsseldorf, Essen (die beiden wegen der Standorte mehr oder minder regelmäßig), Mülheim und (ich glaube Krefeld oder Dinslaken) berichten.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Abiturienten generell bei „einfachen“ Mathedingen (Dreisatz, Prozent- & Zinsrechnung, Kopfrechnen) Ausfälle haben, schließlich liegt der Stoff schon ewig zurück. Jedoch schnitten die Waldörfler auch bei diesen typischen IQ-Logikaufgaben deutlich schlechter ab als alle anderen Eingeladenen.
Ebenfalls gab und gibt es eklatante Schwächen im Allgemeinwissen - da ist der Begriff „weltfremd“ bei Auswertungen ein nicht selten benutzter…
Dagegen kann ich dieses typische Vorurteil „die können ja nicht mal lesen“ so nicht bestätigen - im sprachlichen Bereich fallen sie nicht durch das Raster.

Da ich für den kaufmännischen Bereich zuständig bin, kann ich natürlich nicht sagen, ob es im Bereich von Naturwissenschaften und/oder im kreativen Bereich anders aussieht.

Ich habe auch keine Ahnung, wie es jetzt mit dem hier in NRW neuen Zentralabitur aussieht, da wir im letzten Jahr keine „frischen“ Abiturienten hatten.

Wie gesagt: Bitte zerfetzt mich nicht wegen meiner deutlichen Bemerkungen! Es sind nur meine Erfahrungen (und zumindest aus meiner Konzernzeit wurde mir dieser Eindruck auf Meetings bestätigt).

Man kann jetzt auch über die typischen Eignungstests herfallen - allerdings benutzen wir hier vor Ort (das war in meinen letzten Unternehmen nicht der Fall) einen selbst erstellten Test, der nicht viel mit einem typischen IQ-Test gemein hat, sondern sehr praxisorientiert ist…

Nach diesen Erfahrungen würde ICH jedem von einer Waldorfschule abraten, aber wie gesagt: Ich kenne nur den Raum Rhein/Ruhr!

LG
Guido