Wann Lederhosen bei Kindern außh. Bayerns "verschwunden"?

Kurios. Vielleicht auch von einem Trachtenverein, der für einen Kulturaustausch da war. Exzentrische Familien wären wirklich komisch. Ist ja (manchmal) schon grenzwertig, wenn man sich als Tourist in der jeweils dort „typischen“ Landestracht blicken lässt. Hab mal Spanier in voller Schottenmontur samt Bommelmütze in den Highlands gesehen.
Gruß
rakete

Mit den -ich sag mal- Mottopartys „Oktoberfest“ machen sie aber noch einen gewissen Sinn außerhalb Bayerns.
Gruß
rakete

Nein, machen sie nicht. Da werden Sachen kombiniert, die selbst mir als Westfälin schon die Haare zu Berge stehen lassen. Ich brauche kein Pils (!!!) der ortsansässigen Brauerei aus einem Isar-Seidel, der so toll bayrisch aussieht, zu trinken und mich dabei mit Lederhose (Kunstleder, auf den ersten Blick sichtbar), T-Shirt mir Hosenträger-Aufdruck und einem aus München importierten Filz-Seppelhut zu verkleiden nur weil einige es so machen.

Erstaunlich aber wahr, manchmal neige ich auch zum Fremdschämen.

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Gastronomisch scheint es immerhin eine Erfolgsstory zu sein. Die Touristen in Berlin scheinen es immerhin zu lieben. Die komischen Outfits sieht auf der Original „Wiesn“ ja auch.
Gruß
rakete

Nein, wir haben die dann etwas näher kennengelernt. Sie waren in Zimbabwe, weil der Vater da Arbeit gefunden hatte. Wenn ich mich recht erinnere, aus der Nähe von Lüneburg (mir schwirrt Hermannsburger Mission im Kopf rum, aber ich könnte mich irren).

Ja, du hast recht, immerhin haben sie „großräumig“ deutsche Kleidung getragen (wenn ich sie auch nicht im Alpenbereich angesiedelt hätte). Kurioser wäre es gewesen, wenn sie sich in Kudufellen gekleidet hätten…

Grüße

Siboniwe

Inflation und technischer Fortschritt in den 1970er Jahren

Servus,

zumindest nicht in der Zeit, die Deine „aktive“ Erinnerung umfasst.

Ich, Jahrgang 61, habe bis ca. 1970 Lederhosen getragen - war damit auch nicht alleine.

Der „Bruch“ zwischen diesen beiden Jahrgängen liegt einmal (vordergründig) an der „Mode“: 1968 war nicht nur für Berliner Studenten und die Leute von SPK Heidelberg ‚spürbar‘, sondern das Aufatmen beim Anblick des ersten Minirocks und vor allem der Tatsache, dass sich unter dessen Trägerin kein Höllenschlund auftat und sie nicht stehenden Fußes dem Fegefeuer überantwortet wurde, zog wie ein Sturmwind über das gesamte Hinterland weg: Man spürte, was da los war, auch wenn man noch viel zu jung war, es zu verstehen. Keine geringere als ausgerechnet die F.D.P. (damals noch mit Punkten geschrieben) warb mit dem Slogan „Weg mit den alten Zöpfen!“

Der materielle Hintergrund für das schnelle Verschwinden der Lederhosen war, dass man - obwohl ab ca. 1971 plötzlich jeder Geld auf dem Lohnzettel und in der Tasche hatte - sich ungefähr ab der gleichen Zeit genau überlegen musste, was man sich denn eigentlich leisten konnte - man wusste nicht so recht, was eine Brezge, ein kleines Bier, ein Liter Milch oder ein Würfel Hefe im nächsten Monat kosten würde: Einerseits erzielten die Gewerkschaften Chemie, Metall und damals auch die ÖTV locker zweistellige Tarifabschlüsse, aber gleichzeitig gab es Inflationsraten von 1971 5,2 %, 1973 7,1 % und 1974 7,9 % - man sieht an dieser Reihe, dass die erste Ölpreiskrise im Herbst 1973 nur einen Teil zu Inflation der 1. Hälfte der 1970er Jahre beitrug. Wichtiger waren wohl die im Rahmen eines klassischen keynesianischen „deficit spending“ heißlaufenden Notenpressen.

Vor diesem Hintergrund wurden die klassischen Lederhosen bei all jenen Eltern, denen die Levis 501 dann doch suspekt war, von den eher bezahlbaren und damals noch in deutscher Qualität gewobenen und verarbeiteten Trenker- oder Genuakordhosen abgelöst - zumal diese inzwischen mit Polyester-Beimischungen mindestens im Kettgarn maschinenwaschbar geworden waren und dank Klementine sogar beim Waschen ihre Farben behielten, und Waschmaschinen verbreiteten sich sehr schnell: Wer sich keine Bauknecht („Bauknecht weiß, was Frauen wünschen“) leisten wollte oder konnte, ließ sich eine „Privileg“ von Quelle schicken. Die Brüder und Schwestern aus der Zone, die sie für Löhne von (in West-DM umgerechnet) ein paar Groschen zusammenschraubten, mussten dann halt selber noch einen bis fünf Fünfjahrpläne auf die eigene Waschmaschine warten, wenn die Deutrans mal wieder ihre gesamte Produktion abgeholt hatte.

Beispiele dafür, dass damals für einen Zehn- bis Fünfzehnjährigen Kord so gut wie Leder und dabei deutlich billiger war, gibt es bis heute noch bei Zunfthosen von FHB, deren Material immer noch in D gewoben wird und je nach Beanspruchung fünf bis zehn Jahre hält, bevor es an den Oberschenkeln erste Glatzen kriegt.

Schöne Grüße

MM

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Dafür, dass zumindest ich keine Lederhose getragen habe, muss ich mich nicht auf meine Erinnerung verlassen - von meiner Kindheit gibt es eine nahezu lückenlose Foto-Dokumentation mit mehr Bildern als von meinen vier (jüngeren) Geschwistern zusammengenommen.

:smile_cat:

Servus,

aber das von Dir beobachtete „kein Kind trug Lederhosen“ stammt aus Deiner Erinnerung, die in so umfassender Form, dass sie eine solche Aussage erlaubt, ungefähr 1972 - 1973 einsetzt, d.h. grade der Zeit, als die bis anhin bei Buben ganz normalen Lederhosen ziemlich schnell verschwanden.

Nicht nur in dieser Hinsicht, sondern auch in vielen anderen Aspekten des Alltags waren diese Jahre ein ganz markanter Einschnitt, bereits kurz vor dem „Pillenknick“ gibt es zwischen unseren Jahrgängen recht unterschiedlich erlebten Alltag.

Verfügbar waren Jeans allemal: Amerikanische Nietenhosen gab es von Hermann in Künzelsau („Mustang“) bereits seit Anfang der 19960er Jahre, ab etwa 1965 beim Kaufhof - Mustang-Jeans waren zeitweise dem Original von Lewis durchaus ebenbürtig, Mustang hätte beinahe von Lewis den Alleinvertrieb für Deutschland bekommen.

Aber denen haftete sehr lange noch das Gschmäckle an, dass es Hosen für Raudis, Halbstarke, Hippies und Gammler wären. Am Anfang von „On the Road“ kann man beiläufig nachlesen, dass das auch so war - aber die Eltern brauchten durchaus nicht Kerouac lesen, um ihren Kindern keine Nietenhosen zu besorgen.

Schöne Grüße

MM

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Eine richtige Jeans hat genau diese Nieten, und von den Goldgräberhosen stammen die Nieten auch.

Erst als Jeans in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre zu schnelllebigen und schrottigen Modeartikeln wurden und mit Stretch-Stoffen und in den seltsamsten Farben (à la Fiorutschi) gefertigt wurden, verschwanden die Nieten (ziemlich zögerlich - eigentlich musste jede gscheite Jeans wenigstens ein ungefähres Abbild der Levis 501 sein).

Schöne Grüße

MM

Wem sagst du das! ich erinnere mich wie gestern an den Tag, als der Schiffshändler (bin in den 70/80igern zur See gefahren) meine bestellte Jeans brachte und die prewashed war. Ich hab den gefragt ob er noch alle hat mir ne gebrauchte Hose anzudrehen. Das wär Mode jetzt, meinte er. Ich hab die dem nicht abgenommen. Ab da war es (in Europa) immer schwieriger nicht prewashed Modelle zu bekommen. Allerdings hab ich, für das doch ehrer artistische Arbeiten an Deck oder im Geschirr, die Loose Straight Modelle bevorzugt. Ich meine es waren die Lewis 623, mußte eben aber in Wikipedia sehen, dass die 6xx Modelle als Karottenröhren oder so tituliert sind.
Gruß Hartmut

Salü,

ja, „identitätsstiftend“ ist der Kram schon, wenn man sich in fremden Kontinenten aufhält.

Vgl. das Oktoberfest in Blumenau / Santa Catarina:

http://oktoberfestblumenau.com.br

oder auch viel banaler die von Max Eyth in „Hinter Pflug und Schraubstock“ beschriebene Szene aus dem 19. Jahrhundert, wie Expats aus Deutschland, England und Frankreich im Hafen von Rosetta das Kursschiff von P&O erwarten, das ihrem Stammkneipier den heiß ersehnten Nachschub Spatenbräu bringen wird.

Schöne Grüße

MM
(hat nach zwei Wochen ´"Superbock" das erste richtige Schmucker wohl goutiert, obwohl „natürlich“ die Roten vom Douro, aus dem Alentejo und von Setúbal auch nicht verkehrt sind)

Und es hat Dir natürlich nicht geschadet. Darauf deutet ja eindeutig hin, dass Du bisher hier bei www über nichts anderes geschrieben hast.

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Lederhose für Kinder heute um die 100 Euro, Jeans für Kinder heute um die 20 Euro.

Irgendwann wollten auch halt auch Kinder nicht mehr wie der letzte Kasper aus der bayerischen Provinz aussehen.

ganz ganz gruselig, wahlweise noch ein geschmacksneutrales Helles leichtes Bier damit man auch seine 4 Mass a 12 Euro trinken und mieses Oktoberfestessen zu Wiesenpreisen

Bei uns war mit Nietenhose die Jeans gemeint.
(und die Cordhose war die „Manchesterhose“)

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