War die Wiedervereinigung mehr als eine Eingemeindung?

Hallo,

die Tendenz des Staates, insbesondere der überbordenden Sozialbürokratie, sich in die Belange der Bürger, Arbeitnehmer, Familien und Unternehmer bevormundend einzumischen, hat nach meinem Empfinden in den letzten Jahrzehnten zugenommen.

Beispielsweise werden alleinstehenden Geringverdienern und Familien mit mittlerem Einkommen soviel Sozialbeiträge, Gebühren und Steuern abgeknöpft, dass sie von ihrem Erwerbseinkommen nicht mehr leben können. Diese Gelder werden dann unter zwangsläufigen Verlusten durch die Mühlen der Sozialbürokratie gedreht und den Betroffenen anschließend in Form von ergänzendem ALG2, Wohngeld, Kindergeld und allenmöglichen anderen Geldern gewissermaßen zurück gegeben, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass diese Gelder beantragt werden müssen und die Antragsteller entsprechend gegängelt werden können.

Meine These ist nun, dass wir mit der Wiedervereinigung die DDR nicht einfach eingemeindet haben, sondern uns natürlich auch Einstellungen und Mentalitäten, u.a. eine Tendenz zur Bürokratisierung eingehandelt haben. In der ehemaligen DDR wurde eben vieles durch den Staat und den Betrieb geregelt. Und nun sitzen nicht nur an der Spitze des Staates sondern auch in Parlamenten, Ministerien, Krankenkassen, Arbeitsagenturen und Gemeindeverwaltungen u.a. auch Menschen, die jahre- oder jahrzehtelang in einer Diktatur gegängelt wurden.

Das kann nicht ohne Einfluss bleiben. Oder was meint ihr?

FG myrtillus

Ich habe im Moment keine aktuellen Zahlen zur Hand [falls es die überhaupt gibt], gehe aber davon aus das der Anteil der Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft die ursprünglich mal „Ossi`s“ waren unter dem prozentualen Anteil der Bevölkerung der neuen Bundesländer liegt.
Aber selbst wenn das Verhältnis ausgeglichen sein sollte - 25 Jahre nach der Wende und unter Berücksichtigung aller Einflüsse kann man wohl mit Sicherheit davon ausgehen das niemand mehr an einem alten Denken festhält [auch nicht unbewusst] - was würde es ihm persönlich nützen bzw. wie könnte er sich damit im Job behaupten?

Gruß Crack

Hallo,

wenn man sich anschaut, was und zu welchen Preisen die Treuhandgesellschaft das DDR-Inventar verhökert hat, war die Wiedervereinigung vor allem ein Supergeschäft, für die Firmen des Westens (nicht nur BRD).
Zudem hat die THG unglaublich viel „Kleinkram“ schlicht vergammeln lassen - war 91 mal auf Radtour quer durch Meckpom und mochte es kaum mit angucken. Eine enorme Verschwendung. Von Steuergelden am Ende.

Kurz: da wurde mal wieder viel Kapital von unten nach oben verschoben.

Gruß, Paran

Hi,

da hast du vermutlich Recht; aber danach hatte ich nicht gefragt.

FG myrtillus

Beim ersten Teil stimme ich Dir zu. Aber dass das etwas mit der Wiedervereinigung zu tun haben sollte, kann ich nicht erkennen. Ich sehe eher das Murphy’sche Prinzip, das zur menschlichen Kultur gehört und das man nur durch konsequentes Gegensteuern eindämmen kann.
Udo Becker

Hallo,

da hast du vollkommen Recht aber das begann schon weit vor der Wiedervereinigung mit der DDR.

Der Bürokratismus entwickelte sich hier in der BRD bereits in den 1970er-Jahren zu einem alles „aufsaugenden“ Moloch.

Hi,

aktuelle Zahlen habe ich auch nicht zur Hand, aber dass sowohl Bundeskanzlerin als auch Staatsober in diese Kategorie gehören, gibt mir eben doch zu denken.

FG myrtillus

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Hallo,

ich glaube ebenfalls, dass das nichts mit der Wiedervereinigung zu tun hat. Die Bürokratie ist aus meiner Beobachtung eine sich selbst erhaltene und dynamische agierende Strömung. Man wird immer wieder auf Einzelpersonen treffen, die das Bedürfnis haben, in Prozesse des Zusammenlebens einzugreifen und diese werden die bürokratischen Mühlen am Laufen halten. Ansicht ist das auch gut. Wir Menschen sind nun mal nicht dauernd die emphatischen, stets an das maximale Allgemeinwohl denkenden Wesen, die man sich vielleicht wünschen würde. Selbst der eigene Wohl steht nicht immer im Vordergrund, wenn ich jetzt mal beispielhaft an die Einführung der Gutpflicht und die Regulierung des Verkaufes von Alkohol und Tabakwaren denke. Und deshalb muss man Grenzen aufzeigen. Doch diese Grenzen müssen überwacht werden und immer wieder korrigiert, präzisiert, mal enger gestellt, mal etwas nachgelassen werden. Und somit erhält sich die Bürokratie selbst.

Das Gegenteil einer funktionierenden Bürokratie ist übrigens die Korruption. Auch hier gibt es gerade praktische Beispiele: In Berlin im LaGeSo und in der Anmeldestelle für Pkw gibt es ein bürokratisches Chaos. Und prompt werden Plätze in der Warteschlange verkauft.

Vor Jahren las ich ein Zitat (ich weiß nur leider nicht mehr von wem): Die Bürokratie in Deutschland lässt sich nur mit einer blutigen Revolution abschaffen.

Hallo Myrtillus,

Geringverdienende zahlen in Deutschland natürlich überhaupt keine Steuern. Der Grundfreibetrag liegt 2016 bei 8652 Euro. Danach setzt eine sehr geringe Steuer ein. Über die Einkommenssteuererklärung können Steuerzahlungen zurückgeholt werden.

Ich stimme Dir allerdings zu, dass der Lohn eines Vollzeitjobs ein menschenwürdiges Leben ermöglichen muss.

Als ich meine Firma gegründet habe, hat das im Rathaus etwa fünf Minuten gedauert. Das spricht nicht gerade für eine überbrodelde Bürokratie.

Gegängelt worden bin ich nur bei der Rentenberatung und der Betriebsrentenberatung. Da meine Rente nicht sehr hoch ist, wurde ich gedrängt, unbedingt bei der Stadt Wohngeld und andere Zuschüsse zu beantragen. Da musste ich jedesmal mein Vermögen angeben. Das ist aber wohl eher ein positives Gängeln.

Vielleicht ist das in Ostdeutschland anders, das kann ich nicht beurteilen.

Ich zahle, über das Jahr verteilt, einige tausend Euro Steuern. Das macht die Bank für mich (Kapitalertragssteuer). Selbst ich als gut gestellter Rentner habe im letzten Jahr tausend Euro Lohnsteuerrückerstattung erhalten.

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

LOL. Es waren Staatsbetriebe. Daher konnte das Geld gar nicht von unten stammen.

Hallo,

der Anteil der „Diktaturgeschädigten“ wird in den letzten 25 Jahren durch das Ausscheiden aus dem Berufsleben massiv abgenommen haben. Natürlich wird es noch einige geben, die im ÖD sind und die „gute alte Zeit“ verinnerlicht haben. Inwieweit dies dann offen durchschlägt, wird schwer einzuschätzen sein.

Seit 1992 hat der ÖD massiv Personal abgebaut. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Datenreport/Downloads/Datenreport2013.pdf?__blob=publicationFile Seite 109/110

Die Zunahme der „Gängelung“ ist doch eine direkte Folge der „sozialen Wohltaten“, die man eben erst einmal ordentlich verwalten muss. Die Zahlungen in die Sozialversicherung bemessen sich zwangsläufig prozentual am Einkommen und es ist auch wirklich nicht nachzuvollziehen, warum es anders sein sollte.

Es gibt ein steuerfreies Grundeinkommen. Nur darüberhinausgehende Einkommen werden mit einem geringen Anteil besteuert. Man könnte IMHO allenfalls reklamieren, dass das steuerfreie Grundeinkommen zu niedrig bemessen ist. Vielleicht liegt die Geldknappheit bei vielen einfach an den gestiegenen Erwartungen an das, was als angemessen definiert wird.

Gruß
vdmaster

Es hiess aber Volkseigentum also doch von unten.

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Hi

Alle die genannten Leistungen gab es früher schon mit anderen Begriffen und wurde ebenfalls von der „Sozialbürokratie“ verwaltet und mußten früher genauso beantragt werden (Bafög / Sozialhilfe / Arbeitslosengeld / Wohngeld / Kindergeld) - ohne Antrag keine Leistung.

Die Ausgaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales waren schon immer die höchsten Ausgaben im Bundeshaushalt (heute: knapp 41% des gesamten Haushalts) - das war vor der Wende schon so.

Dann wurde wg. Sonderprogrammen noch mehr ausgegeben und dafür der Soli eingeführt und Feiertage abgeschafft, aber ich sehe da keinen großen Einfluß auf die Bürokratisierung durch „DDR-Mentalität“.

Die Mentalität der Deutschen allgemein ist es eher, die alles und jedes regeln will, nicht umsonst wird hier für jedes Anliegen ein Verein gegründet - muß ja alles seine Ordnung haben :wink:

lg,
vordprefect

Hallo Hans-Jürgen,

sie zahlen in der Regel keine Einkommensteuer, aber eine Vielzahl anderer Steuern und Abgaben: u.a. Grundsteuer (entweder direkt als Eigentümer oder indirekt als Mieter über die Nebenkosten), sofern vorhanden KFZ- und Mineralölsteuern, Rundfunkbeiträge, Mehrwertsteuern ohnehin. Am stärksten zu Buche schlagen bei Ihnen aber die Sozialbeiträge.

da hast Du wahrscheinlich Glück gehabt. Mit der Sozialbürokratie haben Unternehmer aber zu tun, wenn sie Arbeitnehmer beschäftigen, sich selbst freiwillig in der Gestzlichen Krankenversicherung versichern oder ergänzendes ALG2 beantragen, weil die Gewinne zu niedrig sind.

FG myrtillus

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Hallo,

der Öffentliche Dienst besteht nicht nur aus Bürokraten. Dort findet man auch eine ganze Menge Leute, die einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen, z.B. Lehrer, Polizisten, Feuerwehrleute, Pflegekräfte, Techniker.

wenn einer Geringverdienerin soviel Sozialbeiträge abgeknöpft werden, dass sie anschließend ergänzendes ALG2 beantragen muss, um über die Runden zu kommen, ist das nicht unbedingt eine Wohltat. Und effektiv ist es auch nicht, denn die ganzen Verwaltungsleute, die solche Abzüge vornehmen und die „Wohltaten“ verteilen, wollen ja auch entlohnt werden.

[quote]

FG myrtillus

Ohne Bürokratie würde jedes Verwaltungssystem völlig zusammenbrechen, weswegen sie eine sinnvolle Tätigkeit ausüben, falls man nicht in Somalia leben möchte :wink:. Das Maß der Bürokratie hingegen ist verhandelbar. Von daher müsstest Du selbst einmal eingrenzen, wer die beklagte Personengruppe eigentlich sein soll.

Und ob dies eine Wohltat ist. Denn ohne den Zuschuß käme sie ja nicht über die Runden. Du mischst hier einfach die zwei Systeme „öfftl. Hand“ und „Sozialversicherung“ unbrauchbar durcheinander und kommst zu dem Ergebnis, dass der Obstsalat zu kompliziert ist. Auch früher gab es Geringverdiener und das System hat sich prinzipiell (seit Jahrzehnten) nicht sonderlich geändert.

vdmaster

Hallo,

sorry, Thema verfehlt stimmt.

Aber dieses Unding hat mich damals so geärgert (waren sehr schöne alte Gebäude dabei, Dach mit Loch, Dielen schimmeln nach und nach durch - alles in Behördenhand), der Ärger über solch offensichtliche Verschwendung musste wohl mal raus.
Arbeitslose Handwerker hätts ja genug gegeben. Die deckten derweil unauffällig die Aludächer auf dem Land ab für ein bißchen Einkommen. Konnt man ihnen nicht verdenken, die Gebäude wurden ja eh nicht instand gehalten.

Aber was kann man schon von einer Politik/Bürokratie erwarten, die es nicht einmal schafft, in der Nähe der Hauptstadt einen mittelgroßen Flughafen zu bauen oder die Medikamentenpreise auf ein internationales Niveau zu senken?

Ja, auch wieder Thema verfehlt. Ich weiß.

Gruß, Paran

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Und Staatsbetriebe gehören wem?
Tip: wer ist der Staat, wer ist das Volk?
Na alol.

Gruß, Paran

Hallo,

vielleicht hat der Bürokratismus schon viel früher angefangen (ich hätte Bismark in Verdacht) und nie richtig ausgesetzt.
In den 60er und 70er Jahren wurde es ev. merklich mehr, aber das könnte man von den 80er, 90er und folgenden Jahren verm. auch behaupten.
Der Personalabbau ist wohl mehr der modernen Datenerfassung zu schulden als einem Abbau der Bürokratie in den letzten Jahrzehnten.

Gruß, Paran

Hm, die Kanzlerin ist wie auch Honecker ein Wessi. Alle Ministerpräsidenten sind im Westen sind „Wessis“. Im Osten sind auch die von Meck-Pomm und Thüringen „Wessis“. Bei den Ministern wird es nicht viel anders aussehen. In den Verwaltungsspitzen auch nicht. Eine stärkere Bürokratisierung durch die Wiedervereinigung über den Einfluss von in der DDR geprägten Leute kann ich da nicht sehen, zumal dort die Gängelung eher anderer Natur war. Kindergarten gab es für lau, das Essen in Kindergarten und Schule war subventioniert. Da mussten nicht Zigtausende Leute einmal einen Antrag auf (teilweise) Übernahme der Kitagebühren und noch mal einen Antrag bei einer anderen Behörde auf Zuschuss zum Essengeld („Teilhabepaket“) stellen. Nur mal als ein Beispiel.
Ansonsten kann ich dem nur zustimmen, dass es nicht nur ineffizient ist, den Leuten über Steuern und Sozialausgaben erst das Geld aus der Tasche zu dienen und es ihnen dann auf Anträge hin wieder als Almosen zurückzugeben. Das hat auch etwas Entwürdigendes. Im Grunde müsste es den Steuerfreibetrag auch bei den Sozialabgaben geben. Dann noch Kita und Schule inkl. Verpflegung für lau. Dafür kann ruhig auch das Kindergeld gekürzt werden. Letzteres kann man nämlich leicht auch versaufen, ins Ausland überweisen oder, was gerade auch gerne von Beschäftigten im öD genutzt wird, doppelt kassieren. Mit einem Kitaplatz geht das nicht.
Aber ein Blick in die Zusammensetzung der Parlament sagt mir, dass sich daran nichts ändern wird. Die versorgen sich und ihresgleichen permanent mit neuer Arbeit. Zuletzt eben damit, dass nun für alle Kinder die Steueridentifikationsnummern angegeben werden müssen.

Grüße

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