Waren die Winter in DE auf der Tiefebene schon immer so "grün"?

Laut einer Statistik soll der Winter die unbeliebteste Jahreszeit der meisten Deutschen sein. Klar, es gibt viele Menschen, die keinen Schnee mögen (und vielleicht am liebsten auf der Bahamas leben würden). Aber so ganz verwundern tut mich die Statistik aber nicht.

Der Winter in DE ist nämlich kein Winter im klassischen Sinne wie man es aus den Bildernbüchern kennt. War das im vergangenen Jahrhundert auch so? Waren die Winter in Deutschland auf der Tiefebene (also überall dort, wo es nicht bergig ist), so „grün“?
Gab es eine Zeit, in der in Deutschland (abgesehen von den Gebirgen und Hochebenen) normalerweise eine dicke Schneedecke in den Wintermonaten Dezember, Januar und Februar lag und die Temperaturen wochenlang auch tagsüber nicht über 0°C steigen?

Gab es früher im 20. Jahrhundert gewöhnlicherweise „weiße“ Winter mit „polarer Atmosphäre“?
Waren die Winter früher grundsätzlich bedeutend kälter?

Wenn heute bspw. in Kiel (Schleswig-Holstein) Schnee fällt, dann ist der Schnee nur etwa 1cm dick und soetwas erlebt man im Winter nur wenige Tage. Und oft taut dann der Schnee tagsüber sowieso wieder auf. Ist das „normal“?

Müsste nicht so ein Winterwetter im Mittelmeergebiet anzutreffen sein und nicht in DE mit gemäßigtem Klima?

Freue mich über eure Antworten.

LG Yellas

1 Like

Hallo,

in der Rheinebene war das auch im letzten Jahrhundert so. Wenn es geschneit hat, dann meist nur eine dünne Schneedecke, die nicht allzulange liegen blieb.
Nicht umsonst gibt es in der Kurpfalz Mandeln, Feigen, Zitronen, die als Gewächs den Winter überdauern und je nach Sommer reife Früchte tragen oder nicht.
Polar war Deutschland im letzten Jahrhundert nicht.

Grüße
Siboniwe

Nein, und auch die Frühlinge waren frühlingischer und die Herbste waren herbstlicher. Nur, um deinen weiteren Fragen zuvor zu kommen.
Früher waren auch die Nächte dunkler und die Tage heller.

Und die Ochsen hatten auch größere Köpfe.

Und nun gib Ruhe.

Soon

Nachts ist immer kälter als draußen!

Nein, gab es nicht, auch nicht in Ausnahmejahren. Es gab genauso oft oder selten wie heute Winter, in denen ab und an mal Schnee fiel, der auch liegen blieb (häufiger im Februar als im Januar oder Dezember), es gab und gibt auch mal ein, zwei Wochen, in denen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt herrschen (auch mal bis 15 Grad unter null), aber regelmäßig Schnee über Monate… Dafür mußt Du einige Jahrhunderte in der Zeit zurückgehen.

Gruß
C.

Ja, es gab solche Winter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts häufiger. Bekannt sind z.B. die besonders harten und schneereichen Winter in den 1940er Jahren. Beispielsweise „Der Hungerwinter 1946/47 ereignete sich zwischen November 1946 und März 1947. Es war einer der kältesten Winter in Deutschland seit Jahrzehnten (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Wetterereignissen_in_Europa) und gilt als strengster Winter des 20. Jahrhunderts im Nordseeraum. [Auf den britischen Inseln starben] zahlreiche Menschen in meterhohen Schneeverwehungen.“
Außerdem findet man Zeitzeugenberichte zu mehreren Wintern der letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges und danach, in welchen die Elbe als so tief gefroren beschrieben wird, dass sie mit schwerem Gerät überquert werden konnte - wobei im Verlauf der Winter die sich durch die Strömung aufgerichteten spitzen Eisplatten dies lokal erschwerten. Im Frühjahr wurden die Elbe und andere deutsche Flüsse unter nicht geringem Aufwand mit Sprengstoff aufgesprengt, um sie schneller der Schifffahrt wieder zugänglich zu machen.
Man sieht diese Winter auch in der https://de.wikipedia.org/wiki/Zeitreihe_der_Lufttemperatur_in_Deutschland#/media/File:Germany-TAVG-Trend_1743-2013.svg (negative Spitze vor 1950).

Eine weitere Quelle als Beispiel: Clay Blair’s Werk U boat war:
„[Meine Übersetzung] Im frühen Januar 1940 froren die Ostsee, der Kielkanal, der Fluss Elbe sowie der Fluss Jade [ein Fluss Niedersachsens] komplett zu. Die bittere Kälte und das dicke Eis behinderten drastisch die Konstruktion, Reparatur, das Training mit und die Verlegung von U-Booten. […]“ Beschrieben werden in diesem Abschnitt dann die Ausstattung von empfindlichen U-Boot-Teilen mit Rammholz („numerous U-boats incurred ice damage“) und Verlegungen der U-Boot-Flotte in die eisfreiere Nordsee und nach Helgoland („submariners hated this […] bitterly cold outpost“).
Allerdings waren damals nicht alle Winter stark verschneit (ich habe hier extreme Winter dargestellt), aber der Durchschnitt war kälter und verschneite sowie Frosttage je Winter war in vielen Regionen Deutschlands deutlich häufiger - dies steht im Einklang mit klimatischen Rekonstruktionen des Deutschen Wetterdienstes, aber auch historischen Veröffentlichungen.

1 Like

Ich stimme Dir, C-Punkt, weitgehend zu: Es gab nur wenige Winter mit Schnee im Dezember bis Februar und Temperaturen tagsüber ständig unter 0°C auf dem Großteil der Fläche in Deutschland. Wenn man die Formulierung Yellas ganz wörtlich nimmt, ist sie zu weitreichend, um ihr zustimmen zu können. Daher war mein „Ja“ nur auf allgemein früher kältere Winter bezogen.

Allerdings ein Detail: „genauso oft oder selten wie heute“ stimmt belegbar nicht: Die DWD-Daten zeigen, dass kalte Winter früher häufiger (sowie die Extrema kälter) waren als heute. Weitere Quellen dazu in meiner Antwort an den Threadersteller, u.a. die Kurven der deutschen Mitteltemperaturen.

1 Like

Der Winter 1947 ist vor allem als Hungerwinter in Erinnerung geblieben, weil so viele Menschen an Hunger und Kälte starben. Das lag aber an den Kriegsfolgen und nicht an der Kälte. So lagen im Februar 1947 die Höchsttemperaturen in Köln (Stichwort „fringsen“) meist um den Gefrierpunkt, die tiefsten Tageshöchstwerte um -5 Grad. Der Winter war insofern ein ganz normaler Winter, traf aber eine von Hunger, Brennstoffmangel, Krankheit und Wohnungslosigkeit gebeutelte und geschwächte Bevölkerung.

Wetterdaten zum selber Recherchieren:
https://kachelmannwetter.com/de/messwerte/nordrhein-westfalen/tageshoechsttemperatur/19470226-0000z.html

1 Like

Was meinst Du denn mit früher? Thematisiert wurden in der Frage das 20. und 21. Jahrhundert.

1 Like

Die lokalen Wetterdaten sind meiner Ansicht nach weniger von belang für die Frage als die über DE gemittelten Temperaturen, da lokale Werte stärker schwanken und statistisch unsicherer sind. Hier findet man Monatsmittel für die letzten Jahrhunderte: https://de.wikipedia.org/wiki/Zeitreihe_der_Lufttemperatur_in_Deutschland#1941_bis_1950

Und jetzt vergleichen wir einfach mal die Werte der Temperaturen der Wintermonate der 1940er Jahre mit denen der 1990er, 2000er oder 2010er Jahre. Da fällt ein Unterschied auf, der zu den historischen Quellen gut passt. Das sieht man auch im Zeitreihen-Plot für ganze Jahre.

1 Like

Ich meine damit die Zeit vor den letzten 3 Jahrzehnten im Vergleich zu dem Klima der letzten 3 Jahrzehnte. 30 Jahre sind ja der Zeitraum wo man von „Klima“ statt „Wetter“ spricht, da kurzfristigere Schwankungen dann ausgemittelt sind.

1 Like

Es ging in der Frage nicht darum, ob die Winter in einem bestimmten Jahrzehnt kälter waren als heute, sondern ob es im 20. Jh. Winter der beschriebenen Art gab, d.h. durchgängig dicke Schneedecke mit ebenso durchgängigen Minustemperaturen. Das war nicht der Fall.

1 Like

Die Winter waren durchaus durchgehend - im Sinne von klimatisch gemittelt signifikant - kälter als heute. Du kannst Dir auch die gesamte Zeitreihe anschauen. Wenn Du meine Formulierungen anschaust, auch die Antwort auf Deine, siehst Du, dass ich Dir z.B. bezogen auf die „Durchgängigkeit“ des Schnees (selten 3 Monate geschlossen Schnee am Stück) grundsätzlich zustimme, bis auf einige Details: „Es gab genauso oft oder selten wie heute Winter […]“, dieser Teilaussage stimme ich nicht zu. Es gab im 20. Jahrhundert mehr härtere Winter als im 21. und die erste Hälfte war kälter als die zweite (auch) in DE. Es gab auch mehr Schnee. Kein großes Ding.

1 Like

Es gab auch in den letzten 20 Jahren Winter bspw. im Rheinland (im Winter einer der wärmeren Regionen in Deutschland), in denen über ein bis zwei Wochen Temperaturen um 15 Grad minus herrschten, in einem solchen Zeitraum auch Schnee fiel bzw. liegenblieb. Wenn man nun Vergleiche mit früheren Wintern bzw. Jahrzehnten anstellen will, muß man sich erst einmal genauer über die zu vergleichenden Parameter einigen und darüber, welche Region man betrachten will. Das geht mir angesichts der völlig anderen Fragestellung aber ein bißchen zu weit.

1 Like

Naja, die Frage des Threaderstellers hat ja durchaus mehrere Teile.

Zum Beispiel:

"Waren die Winter in Deutschland auf der Tiefebene (also überall dort, wo es nicht bergig ist), so „grün“? "

Meine Antwort: Sie waren auf jeden Fall an mehr Wintertagen nicht so grün im Vergleich zu den Wintern der letzten Jahrzehnte, und Schnee kam häufiger vor als heute. Gut belegt sind hohe Schneedecken z.B. auch aus den Augenzeugenberichten der Geflüchteten der ehemaligen deutschen Ostgebiete bzw. aus militärischen Quellen für das deutsche Gebiet (aus dieser Zeit gibt es viele Berichte, das führt zu einem Auswahleffekt. Diese und die anderen von mir hier zitierten Berichte kann man nur als einordnende Ergänzung zu Temperaturdaten über längere Zeiträume von Jahrzehnten betrachten, die besagen dass die Temperaturen schon niedriger waren). In den Tiefebenen Polens und Deutschlands gibt es heute viel seltener Schnee. Die Fachliteratur legt dar, dass bereits 1°C Unterschied der durchschnittlichen Wintertemperaturen in unseren Breiten einen großen Unterschied für den Schneefall und die Schneebedeckung macht. Als Vergleich war die letzte große Eiszeit global gerade mal 6°C kälter als heute!

„Gab es eine Zeit, in der in Deutschland (abgesehen von den Gebirgen und
Hochebenen) normalerweise eine dicke Schneedecke in den Wintermonaten
Dezember, Januar und Februar lag und die Temperaturen wochenlang auch
tagsüber nicht über 0°C steigen?“

Meine Antwort: Nein, der Unterschied der letzten Jahrzehnte zur 1. Hälfte des 20 Jahrhunderts ist zwar deutlich, aber diese Kriterien wurden auch damals nicht flächendeckend erfüllt - allerdings auf größeren Flächen bzw. häufiger als heute, wo das ja auch auf deutschen Hochebenen gar nicht mehr so häufig der Fall ist!

"Gab es früher im 20. Jahrhundert gewöhnlicherweise „weiße“ Winter mit „polarer Atmosphäre“?
Waren die Winter früher grundsätzlich bedeutend kälter? "

Meine Antwort: Das hängt natürlich davon ab, ab wann man von „weißen Wintern“, „polarer Atmosphäre“ und „bedeutend kälter“ spricht. Ich persönlich würde sagen, dass all dies im 20. Jahrhundert wenn nicht gewöhnlich, so doch häufiger der Fall war.

"Wenn heute bspw. in Kiel (Schleswig-Holstein) Schnee fällt, dann ist
der Schnee nur etwa 1cm dick und soetwas erlebt man im Winter nur wenige
Tage. Und oft taut dann der Schnee tagsüber sowieso wieder auf. Ist das
„normal“? "
Meine Antwort: Nein, das ist nicht das normale Winterwetter im Sinne des Vergleichs mit den Wintern des 20. Jahrhunderts - vor allem dessen erster Hälfte.

1 Like

„Die Fachliteratur legt dar, dass bereits 1°C Unterschied der durchschnittlichen Wintertemperaturen in unseren Breiten einen großen Unterschied für den Schneefall und die Schneebedeckung macht.“

Weißt Du, was der Grund dafür ist und welche Fachliteratur das ist, die das darlegt?

„Nein, der Unterschied der letzten Jahrzehnte zur 1. Hälfte des 20 Jahrhunderts ist zwar deutlich, aber diese Kriterien wurden auch damals nicht flächendeckend erfüllt - allerdings auf größeren Flächen bzw. häufiger als heute, wo das ja auch auf deutschen Hochebenen gar nicht mehr so häufig der Fall ist!“

Es gab also auch im 20. Jahrhundert keine Winter, in denen sowohl die Tag- als auch die Nachttemperaturen mehr als 7 Tage lang unter 0°C waren?

„The accuracy of snow melt-off day derived from optical and microwave radiometer data — A study for Europe“ - Metsämäki, Bottcher, Koponen et al. (2018) In dieser Studie wird dargelegt, dass allein die Schneeschmelze im Frühjahr für jedes einzelne Jahrzehnt seit 1980 jeweils weitere 5 Tage früher stattfindet, insgesamt also knapp 20 Tage früher. [Wobei die Temperaturen um rund 0,15°C pro Jahrzehnt in den fraglichen Gebieten zunahmen - das war schneller als im globalen Mittel.]

Außerdem gibt es eine Studie, die den Effekt von beobachteten +1°C Erwärmung in einem bestimmten schneereichen, aber eng begrenzten Gebiet Österreichs auf Basis moderner und historischer Aufzeichnungen untersucht hat und auf 31 Tage weniger Schneebedeckung dort kam.

Der zugrunde liegende Mechanismus wird „Snow Albedo Feedback“ genannt - eine kleine Erwärmung führt zu einer größeren Wirkung, weil der anfangs nur wenig zurückgehende Schnee auf den neu frei liegenden Flächen kein Sonnenlicht mehr reflektiert. Die Temperatur steigt durch die hinzukommende Absorption solarer Strahlung durch Boden und Vegetation zwar weiter, in größerem Maß aber die Wärmeaufnahme des Bodens (und anderer Objekte) die in die Schmelze weiteren Schnees fließt. Umgekehrt bei einer kleinen Abkühlung führt der zusätzliche Schnee zu einer deutlich stärkeren Reflektion, in Richtung Kälte + mehr Schnee gibt es also die gleiche verstärkende Rückkopplung in Regionen mit Schneefall. (Gibt es in einer Region nach einer Erwärmung gar keinen Schnee mehr, fällt auch die beschleunigende Schnee-Albedo-Rückkopplung weg - die Erwärmung wird dadurch im Vergleich zu vorher langsamer.)

Es gab also auch im 20. Jahrhundert keine Winter, in denen sowohl die Tag- als auch die Nachttemperaturen mehr als 7 Tage lang unter 0°C waren?

Weißt Du, was der Grund dafür ist und welche Fachliteratur das ist, die das darlegt?

„Nein, der Unterschied der letzten Jahrzehnte zur 1. Hälfte des 20 Jahrhunderts ist zwar deutlich, aber diese Kriterien wurden auch damals nicht flächendeckend erfüllt - allerdings auf größeren Flächen bzw. häufiger als heute, wo das ja auch auf deutschen Hochebenen gar nicht mehr so häufig der Fall ist!“

Also das kommt sogar in den letzten Jahrzehnten noch vor (Erste Hälfte des 20. Jhdts. auch häufiger). 7 Tage sind meteorologisch gesehen kurz genug, dass derartige kalte Wetterlagen noch vorkommen (es friert dann als Beispiel die Alster zu und an den Rändern der Elbe sammeln sich Eisschollen, das kennt man auch heute noch). In Deiner Eingangsfrage hast Du von 3 kompletten Monaten großflächiger Schneebedeckung in D gesprochen, das wiederum ist deutlich zu lang als das es in Deutschland selbst damals auch im Flachland vorkam.

1 Like

Der mittlere Teil meiner Antwort ab „Es gab also auch im 20.“ bis „nicht mehr so häufig der Fall ist!“ ist leider zuviel bzw. doppelt kopiert. Ich kann das jetzt nicht mehr korrigieren, leider gehen Korrekturen ja nur in den ersten Minuten.

1 Like

@ Wizzy: Gab es im vergangenen Jh. Winter mit 6 Wochen lang jeden Tag Höchsttemperaturen unter dem Gefrierpunkt?
Oder gibt es vielleicht im Netz oder in der Literatur eine Statistik, aus der man die Antwort auf diese Frage entnehmen und auf die ich Zugriff haben könnte?