Warschauer Pakt

Hallo allerseits,

habe eine Frage zum ehemaligen Militärbündnis des Ostblocks.

1.Ist es richtig, das die Staaten des Warschauer Pakts, also z. B. Bulgarien, Ungarn, CSSR, Rumänien, für die Rote Armee in erster Linie als Stationierungsgebiet für sowjetische Truppen herhalten mußten und dass die jeweiligen nationalen Armeen militärisch eher schwach gehalten wurden (Ausnahme natürlich die NVA, da DDR Vorzeige- und Frontstaat war).

  1. Die Staaten des Warschauer Pakts wurden ja von der UdSSR selbst unterdrückt und waren insofern ja keine freiwilligen Verbündeten. (die jeweiligen Regierungen waren natürlich loyal gegenüber der UdSSR, da sie entsprechend ausgetauscht wurden, nicht aber das Volk und die Menschen an sich) Hatte die UdSSR nicht auch deshalb vielleicht sogar Angst vor den nationalen Armeen dieser Länder (z. B. Erfahrungen des Prager Frühling, des Aufstands in Ungarn, etc.)

Vielen Dank für Eure Mithilfe.

LG, Rolo

1.Ist es richtig, das die Staaten des Warschauer Pakts, also
z. B. Bulgarien, Ungarn, CSSR, Rumänien, für die Rote Armee in
erster Linie als Stationierungsgebiet für sowjetische Truppen
herhalten mußten und dass die jeweiligen nationalen Armeen
militärisch eher schwach gehalten wurden (Ausnahme natürlich
die NVA, da DDR Vorzeige- und Frontstaat war).

Nein, die Streitkräfte in den anderen WP-Staaten wurden grundsätzlich nach Vorbild der Roten Armee in äquivalenten Einheiten mit gleicher Struktur und Bewaffnung aufgebaut. Natürlich waren sie aber der Roten Armee zahlenmäßig völlig unterlegen und das meißt auch im eigenen Land, aber technologisch waren sie grundsätzlich mindestens auf dem Durchschnitt der Einheiten der Roten Armee.
Das war übrigens militärisch einer der größten Vorteile des WP, durch die militärische Bevormundung der UDSSR und die einheitliche Ausrüstung (und Sprache!) waren die Streitkräfte des WP denen der Nato schon allein strukturell und führungstechnisch weit überlegen. Eine solche Einheit gab und gibt es in der Nato nie.

  1. Die Staaten des Warschauer Pakts wurden ja von der UdSSR
    selbst unterdrückt und waren insofern ja keine freiwilligen
    Verbündeten. (die jeweiligen Regierungen waren natürlich loyal
    gegenüber der UdSSR, da sie entsprechend ausgetauscht wurden,
    nicht aber das Volk und die Menschen an sich) Hatte die UdSSR
    nicht auch deshalb vielleicht sogar Angst vor den nationalen
    Armeen dieser Länder (z. B. Erfahrungen des Prager Frühling,
    des Aufstands in Ungarn, etc.)

Kaum. (Hohe) Offiziere der WP-Staaten wurden grundsätzlich in Teilen in der UDSSR ausgebildet und auf den WP „eingeschworen“. Die Ereignisse der Wende in Deutschland haben klar gezeigt, dass der Hauptteil der Offiziere der NVA und anderer Staatsorgane bis zum letzten gegangen wären, wenn Gorbatschov und die Staatsführung der DDR nicht eingelenkt hätten - und das dann mit Sicherheit auch mit Hilfe der Roten Armee.
Bei Mannschaften, Unteroffizieren und niederen Offizierdienstgraden kann es natürlich (wie beim Prager Frühling) schnell mal zu „Zweifeln“ kommen, die wurden aber in allen WP-Staaten schnell mit drastischen Strafen geahndet.
„Angst“ war also sicherlich nicht vorhanden, aber sicherlich dachte man an diese Möglichkeit, was eben dazu führte, dass die Marionettenregierungen und Streitkräfte an kurzer Leine geführt wurden.
Und bei dem thema darf man auch nicht vergessen, wer denn die Verfügungsgewalt übder die Atomwaffen hatte. :wink:

Gruß Andreas

Hallo Andreas,

Das war übrigens militärisch einer der größten Vorteile des
WP, durch die militärische Bevormundung der UDSSR und die
einheitliche Ausrüstung (und Sprache!) waren die Streitkräfte
des WP denen der Nato schon allein strukturell und
führungstechnisch weit überlegen. Eine solche Einheit gab und
gibt es in der Nato nie.

Dieses Argument zu Ende gedacht, hätte Deutschland den 2. Weltkrieg gewinnen müssen. Ich bezweifle dazu die „führungstechnische“ Überlegenheit eines Systems, dass auf einer sehr schlichten „Befehl-Gehorsam-Taktik“ basiert.

Gruß,
Andreas

Hallo Andreas,

Dieses Argument zu Ende gedacht, hätte Deutschland den 2.
Weltkrieg gewinnen müssen.

Das verstehe ich jetzt aber nicht. Was hat das Dritte Reich u. der Zweite Weltkrieg mit der Struktur des Warschauer Paktes zu tun?

Ich bezweifle dazu die
„führungstechnische“ Überlegenheit eines Systems, dass auf
einer sehr schlichten „Befehl-Gehorsam-Taktik“ basiert.

Naja, darüber kann man streiten, aber beruht letztendlich nicht jede Armee auf einer „Befehl-Gehorsam-Taktik“?
„Wo kämen wir denn hin, wenn wir jeden Befehl erst diskutieren würden…“, hätte mein ehemaliger Hauptmann dazu gesagt.

Viele Grüße
Marvin

Dieses Argument zu Ende gedacht, hätte Deutschland den 2.
Weltkrieg gewinnen müssen.

Das darfst du gerne auch so ausführen, dann man deinen Ansatz auch versteht, selbsterklärend ist der nämlich nicht. :wink:

Ich bezweifle dazu die „führungstechnische“ Überlegenheit eines Systems,

Das kannst du gerne tun, aber das ändert nunmal nichts an der Tatsache, dass es unglaublich hilfreich ist, wenn man mit Streitkräften anderer Nationen unter einheitlicher Führung (die im Gegensatz zu Nato auch wirklich als militärische Führung ohne wirklichen nationalen Vorbehalt funktioniert) zusammenarbeitet und sich mit diesen auch ohne Probleme verständigen kann und z.B. auch ganz banal auch miteinander kompatible Funk- und Datenübertragungstechnologie hat.

dass auf einer sehr schlichten „Befehl-Gehorsam-Taktik“ basiert.

Was eine völlig andere Baustelle ist…

Gruß Andreas

kleine Korrektur
Hallo Andreas,

ich erlaube mir, Dich zu korrigieren, denn

Eine solche Einheit gab und gibt es in der Nato nie

1976 wurde genau eine solche Einheit (temporär) gebildet. Es waren vier Kompanien und es war so eine Art Feldversuch. Die Kompanien waren aus Deutschland (ich war einer der Figuren), USA, Belgien und dem Vereinigten Königreich.
Wir waren 3 Monate zusammen und alles Weitere ist mir entfallen.

Nachsichtige Grüsse
Ray

Erklärung
Hallo nochmal,

Das war übrigens militärisch einer der größten Vorteile des
WP, durch die militärische Bevormundung der UDSSR und die
einheitliche Ausrüstung (und Sprache!) waren die Streitkräfte
des WP denen der Nato schon allein strukturell und
führungstechnisch weit überlegen.

Andreas nennt es einen der größten Vorteile und spricht von weit überlegen, „nur“ weil im WP alles auf die Sowjets ausgerichtet war. Wenn dieses Argument so entscheidend war, hätte Deutschland gegen eine weit heterogenere Koalition, als es die NATO War, gewinnen müssen, weil damals sogar eine einzige Armee, die Wehrmacht, gekämpft hat.

Dieses Argument zu Ende gedacht, hätte Deutschland den 2.
Weltkrieg gewinnen müssen. Ich bezweifle dazu die
„führungstechnische“ Überlegenheit eines Systems, dass auf
einer sehr schlichten „Befehl-Gehorsam-Taktik“ basiert.

Hier wäre der Ausdruck „Befehlstaktik“ besser gewesen. Die ist zwar in der NATO auch verbreitet, aber auf höherer Stabsebene wurde in dieser Hinsicht dann doch etwas „deutscher“ (= Auftragstaktik) gearbeitet.

Andreas

Hallo,

Wenn dieses Argument so entscheidend war, hätte Deutschland
gegen eine weit heterogenere Koalition, als es die NATO War,
gewinnen müssen, weil damals sogar eine einzige Armee, die
Wehrmacht, gekämpft hat.

Da wirfst du die politisch heterogene Koalition und die Frage
der militärischen Heterogenität durcheinander.

Militärisch sah sich Deutschland im Osten der extrem homogenen
‚Roten Armee‘ gegenüber und im Westen einer Mischung von Truppen
bei der die amerikanische Dominanz und materielle Überlegenheit
dafür sorgten dass die Verwerfungen zwischen Briten und ihren
Kolonien und den USA letztendlich nicht ins Gewicht fiehlen.

Interessant wäre dabei die Frage, ob die US-Einheiten allein
z.B. die Invasion in der Normandie geschafft hätten :wink:

Hier wäre der Ausdruck „Befehlstaktik“ besser gewesen.

Die ‚Befehlstaktik‘ des WP war im wesentlichen eine Folge
des in der breiten Masse ‚dümmeren‘ Offiziers und der
(gegenüber der deutschen Tradition) wesentlich schwächeren
Unteroffizierscorps. Primitiv - aber Wirksam und in Massen
vorhanden - wie einst der T34.

Diese ‚Dummheit‘ ist dabei systemimmanent gewollt da zu
selbstständig denkende Menschen als Militärführer nicht
ins kommunistische System passten … schon garnicht in
den Armeen der 'Brudervölker!

Wieviel die Einheitlichkeit von Führung, Logistik und
Kommunikation wirklich gebracht hätte, darüber kann nur
spekuliert werden. Wesentlich dabei ist aber, dass es
das Hauptziel des WP war die Truppen auch unter den
Bedingungen eines Atomkrieges ‚führbar‘ zu machen und
dafür die Systeme kaum primitiv und einheitlich genug
sein können.

Beachtenswert ist auch das die Systeme die die moderne
Kriegsführung erst möglich machen, wie Satelitenauf-
klärung usw. nur in der ‚Roten Armee‘ vorhanden waren.
Aber das ist in der NATO ebenso …

Viele Grüße

Jake

Missverständnis
Mit „Einheit“ war hier eine Einheitlichkeit in Ausrüstung und Co. gemeint und keine „Einheit“ im Sinne militärischer Größenordnungen.

Gruß Andreas

Das war übrigens militärisch einer der größten Vorteile des
WP, durch die militärische Bevormundung der UDSSR und die
einheitliche Ausrüstung (und Sprache!) waren die Streitkräfte
des WP denen der Nato schon allein strukturell und
führungstechnisch weit überlegen.

Andreas nennt es einen der größten Vorteile und spricht von
weit überlegen, „nur“ weil im WP alles auf die Sowjets
ausgerichtet war.

Du drehst meine Worte ein wenig herum. :wink:
Ich schrieb, dass das einer (!) „der größten Vorteile des WP“ war und zwar auschschließlich in Fragen der Struktur und der Führung. Der andere erwähnenswerte Vorteil ist die reine Masse, also Truppenstärke des WP gegenüber der Nato in Europa gewesen.

Wenn dieses Argument so entscheidend war,
hätte Deutschland gegen eine weit heterogenere Koalition, als
es die NATO War, gewinnen müssen, weil damals sogar eine
einzige Armee, die Wehrmacht, gekämpft hat.

Nein, denn zur erfolgreichen Kriegführung gehört weit mehr, als nur strukturelle und führungstechnische Überlegenheit. Eben ein möglichst gutes Kräfteverhältnis, aber auch insbesondere die gute Ausbildung und Kampferfahrenheit der Einheiten und nicht zu vergessen die Ausrüstung.

Gruß Andreas

Hallo, Andreas,

vielen Dank für Dein Statement. Hast mir damit sehr weitergeholfen. Leider ist es in diesem Brett scheinbar nicht möglich, Sternchen zu verteilen.
Wie stark oder wie schwach der WP wirklich war, hätte nur der Ernstfall gezeigt. Manche sagen, die Stärke des WP wäre vom Westen absichtlich hochgespielt worden, um hohe Rüstungsausgaben zu rechtfertigen, manche sagen, der WP hätte zwar eine ungeheure Masse an Gerät, jedoch eine schlechte Qualität, wieder andere meinen, dass gerade das primitive Gerät des WP seine große Stärke gewesen wäre, da es entsprechend weniger anfällig war. Wie auch immer. Ich glaube, dass die Welt nach der Wiedervereinigung und dem Ende des WP wesentlich unsicherer geworden ist, als vorher.

Schönen Tag, Rolo

  1. Die Staaten des Warschauer Pakts wurden ja von der UdSSR
    selbst unterdrückt und waren insofern ja keine freiwilligen
    Verbündeten. (die jeweiligen Regierungen waren natürlich loyal
    gegenüber der UdSSR, da sie entsprechend ausgetauscht wurden,
    nicht aber das Volk und die Menschen an sich) Hatte die UdSSR
    nicht auch deshalb vielleicht sogar Angst vor den nationalen
    Armeen dieser Länder (z. B. Erfahrungen des Prager Frühling,
    des Aufstands in Ungarn, etc.)

Kaum. (Hohe) Offiziere der WP-Staaten wurden grundsätzlich in
Teilen in der UDSSR ausgebildet und auf den WP
„eingeschworen“. Die Ereignisse der Wende in Deutschland haben
klar gezeigt, dass der Hauptteil der Offiziere der NVA und
anderer Staatsorgane bis zum letzten gegangen wären, wenn
Gorbatschov und die Staatsführung der DDR nicht eingelenkt
hätten - und das dann mit Sicherheit auch mit Hilfe der Roten
Armee.

Naja, die Ereignisse haben doch eher gezeigt das die hohen Offiziere 1989 eben nicht für eine chinesische Lösung waren. Sigmund Jähn hat das u.a. auch mehrfach betont. Aber da hatte Gorbatschow die DDR ja auch schon abgeschrieben.

Gruss

Naja, die Ereignisse haben doch eher gezeigt das die hohen
Offiziere 1989 eben nicht für eine chinesische Lösung waren.

Genau, deswegen standen ja bis zu einem bestimmten Punkt zig Verbände kurz vor dem Einsatz! Die Entscheidung darüber wurde nocht durch demokratisch abstimmende Offiziere getroffen, sondern ganz klar von Moskau aus!

Sigmund Jähn hat das u.a. auch mehrfach betont.

Sigmund Jähn ist zwar durchaus Offizier der NVA gewesen, aber definitiv kein Militärsachverständiger für die Führung der Landstreitkräfte der NVA. Dafür hat er einen viel zu speziellen Aufgabenschwerpunkt gehabt und innerhalb des Staates auch eine viel zu prominente Rolle.

Gruß Andreas