"Warte doch", rannte er ihr hinterher -- kann man das so sagen?

Hallo, hier sind zwei Sätze in jeweils zwei Varianten (vorgefundene Formulierungen von mir anonymisiert):


Stil 1, kürzer:

Ja, das habe sie sich gedacht, zuckte sie mit den Achseln.

„Warte doch“, rannte er ihr hinterher.

Stil 2, länger:

Ja, das habe sie sich gedacht, sagte sie und zuckte mit den Achseln.

"Warte doch ", rief er und rannte ihr hinterher.


Zu Stil 1, kürzer:

Mir kommt das sehr komisch vor, fast verboten, auch wenn man es gelegentlich so sieht.

  • Darf man das?
  • Wenn ja, ist es denn auch schön?
  • Gibt es einen typischen Einsatzzweck oder einen typischen Verwendungsort?
  • Gibt es für diese Stilfigur eine allgemein gültige Bezeichnung oder grammatische Beschreibung?

Danke!

Die wichtigste Frage mal zuerst:

Dieses rhetorisches Stilmittel nennt man → Brachylogie. In deinem Beispiel ist es eine speziellere Variante einer → Ellipse. D.h. es wird im Text weggelassen, was der Leser eh unwillkürlich mitdenkt. Hier aber mit einem besonderen Effekt: Die wörtliche Rede wird unmittelbar mit die Redesituation amalgamiert.

Sagen wir mal so: Man wird nicht erschossen, wenn man es tut. Und um eine persönliche, bloße Meinung zu sagen: Ich finde es nicht uninteressant. Aber es kommt auf die weiteren Kriterien an. Nämlich:

Das zu fragen, ist sinnlos. Ob es gefällt, entscheidet (außer dem Lektorat) der Leser selbst. Es kommt drauf an, ob dieses Stilmittel konsequent im Roman angewendet wird. Wenn nicht, wenn also nur lokal, würde man eher auf eine vorübergehende Störung der neuronalen Verdrahtung des Autors schließen. Ansonsten käme es darauf an, auf welche Weise diese idiosynkratische Attitude des (mutmaßlichen) intrinsischen Erzählers nachvollziehbar, plausibel mit dem Erzählten und der Erzählsituation verbunden ist. Wenn nicht, wäre es bloß eine eitelaffige Masche des Autors, die sich sicher im Feedback niederschlagen würde…

Klar. → Belletristik.

Gruß
Metapher

1 Like

Metapher, Danke für interessante Anmerkungen!

Tatsächlich gibt’s das Stilmittel global quer durchs Buch - und ich hatte darum auf eine dauerhafte

geschlossen (mitbetroffen das Lektorat, sofern’s sowas heut’ noch gibt).

Ich erinnere mich vage, in etwa diese Figur vor Jahrzehnten häufig in einem Lokalblatt gesehen zu haben, ungefähr so:

  • Der Antrag werde genehmigt, machte der Ratsherr Mut.

Sie ist aber weniger extrem als das, was ich oben „zitiere“. Nach dem Schema oben könnte es wohl heißen,

  • Der Antrag werde genehmigt, klappte der Ratsherr seinen Aktenordner zu.

Dann ist dagegen überhaupt nichts einzuwenden. Weder rhetorisch noch erst recht grammatisch. Und interessant ist es allemal. Gerade, weil es semantisch paradox konstruiert ist. Aber nur vordergründig. Architektonisch ähnlich wie beim Stilmittel der Ironie, erschließt sich die semantische Konsistenz erst auf einer zweiten, mitgedachten Bedeutungsebene.

„Verdammt nochmal!“, haute er mit der Faust auf den Tisch.

Gruß
Metapher

Schade, ich hatte auf eine „wissenschaftliche“ Begründung für mein Unbehagen gehofft.