ich finde alle Aufrechnereien von Gewalttaten, Missbrauch, Schädigungen und Gemeinheiten aller Art, anstößig, fragwürdig und absurd. Egal ob im Nahen Osten, im trauten Heim oder in der Kriminalstatistik.
Beim heterosexuellen Geschlechterverhältnis haben wir noch die Komplikation, dass einer raschen Klärung der Lage nach geltendem Recht oft emotionale Verstrickungen der jeweiligen Opfer mit den jeweiligen Tätern entgegenstehen. Scham, Liebe, Verpflichtungsgefühle und Illusionen halten Dramen am Laufen, die längst abgebrochen gehören oder kompetent behandelt, jenseits der Fallen, in denen sich die Opfer verstrickt haben.
Statistikwettläufe darum, wer „allgemein“ am schlimmsten bedient ist, mit dem jeweils anderen Geschlecht bringen überhaupt nichts, meine ich. Persönliches Leid und Elend in und mit Beziehungen sind viel zu subjektiv und intim, als dass man es irgendwie sinnvoll quantifizieren könnte um dann womöglich zu einer gesellschaftlich gerechten Verteilung von kollektivem Mitgefühl zu finden. Für persönliches Glück, denke ich, gilt das Gleiche, nur das das irgendwie kein Thema ist.
Ich halte auch die ganze Herrschaftskategorie für ein triebinteressenbestimmtes Verhältnis, wie es das Geschlechterverhältnis nun mal ist (oder muss es erst mal dazu wieder gemacht werden?) für nicht sinnvoll anwendbar. Wo beide unter ihren Möglichkeiten bleiben, dort liegt keine Aussicht auf Besserung in der Einklagung einer Schädigungsdifferenz, sondern vielmehr in der Qualifizierung eines/r jeden zu ihrem/seinen Besseren. Damit erst niemand Opfer wird und wenn doch, damit das Opfer das wirksam abstellen kann und sich nicht auch noch tiefer verfängt in seinem Elend.
Alle Kollektivbeschuldigungen rufen nur kollektive Abwehrreflexe hervor, hinter denen die persönlichen Leiderfahrungen dann verschwinden, oft incl. vieler Möglichkeiten, sich sinnvoll über Abhilfe Gedanken machen zu können. Ich würde mich jedenfalls dagegen verwahren, wenn jemand irgendwelche Leiderfahrungen von mir in die Waagschale einer kollektiven Aufrechnerei kippen wollte.
Gibt es so etwas wie frauenfeindliche oder männerfeindliche Werbung überhaupt, ohne gleichzeitige Denunziation des (aufgeregten) Betrachters als komisch verstrickt in die Chose? Wenn z.B. eine Frau in der Werbung als „dumm und scharf“ dargestellt wird, dann ist das doch, wenn man sich das schon zu Herzen nehmen möchte, überhaupt menschenfeindlich, weil „dumm und scharf“ zu sein ja nicht als voraussetzungslos voyeurisierte Selbstkundgabe der Frau präsentiert wird, sondern als angemessene Masche dargeboten wird, Männer, und sei es zum Kauf von irgendwas, zu beeinflussen. Das ist doch dann eine Zumutung für all die Männer, denen es vor dämlichen Geplapper graust und natürlich für all die Frauen, die keine Lust haben, ihren IQ herunterzufahren, wenn sie mal was mit einem Mann haben wollen. Umgekehrt, wenn Männer als Deppen dargestellt werden, geht das doch auch gegen all die Frauen, die an einem solchen Männerleitbild kein Interesse zu haben brauchen.
Von den Neckereinen der Werbeleute auf so etwas wie den Chancenstand des eigenen Geschlechts zu schließen, halte ich für jedenfalls zuviel der Ehr’ für diese Spaßvögel.
Oder Pornographie: kann Pornografie überhaupt, „einseitig frauenfeindlich“ sein? Wenn Pornofilmemacher keine Ahnung von den Entstehungs- und Wandlungsmöglichkeiten erotischer Spannung haben, dann finde ich solche eine Stümperei kundenverachtend. Und es spricht nicht für die Kunden, sich so billig abspeisen zu lassen, als sei die Perspektive eines Gynäkologen die Krönung der Möglichkeiten maskuliner Sexualität. Ich finde jeder Schund, der sich an den Möglichkeiten des Geschlechterverhältnisses versündigt, trifft die Möglich-keiten beider Geschlechter. Und jede/r die oder der da einen Fehdehandschuh aufnimmt, spielt mit dem Aufregungspart eine Rolle in diesem verkorksten Spiel.
Ich sage nicht, das beide Geschlechter in gleicher Weise von so was betroffen sind; was betroffen ist, sind ihre Möglichkeiten; und Möglichkeiten sind nicht quantifizierbar. Die Weisen, wie sie betroffen sind, sind so unterschiedlich wie ihre Möglichkeiten. Gerade weil ich ein Anhänger der „Differenz“ bin, halte ich auszählen und abrechnen für absurd.
Als Frau Schwarzer und Frau Feldbusch ihre legendäre Fernsehbegegnung hatten, haben einige Sender Männer interviewt, und danach gefragt, mit wem sie denn lieber eine Nacht verbringen würden. Die meisten Typen haben, die doppelbödige Beurteilungsgrundlage für ihre Antworten wohl ahnend, unsicher rumgedruckst. Kaum einer wurde von seiner Intuition da im Stich gelassen. Ich hatte mir als Antwort zurechtgelegt: „Schwer zu sagen; ich hatte noch nie was mit einer Frau, die so glaubwürdig dumm wirkt und auch noch nie was mit einer Frau, die die Wirkung von Dummheit als so erfolgversprechend beklagt.“ Leider bin ich nicht interviewet worden.
Oder was meint ihr?
Thomas