Als Ansatzpunkt, diese Frage zu beantworten zu suchen, kann man einige Formulierungen nehmen, die du verwendet hast:
Freitod wählen
den Weg des Selbstmords gehen
Der Selbstmord wurde … noch konkret angemeldet
Schreibt seiner Frau einen Abschiedsbrief, geht in den Wald und erschießt sich.
Und dann aus den eigentlichen Fragen:
was Menschen in den Selbstmord treibt?
Wenn man sich die Begriffe anschaut, die du für das, worum es geht, benutzt hast, mal genauer ansieht, dann ist man schon im Kern:
„Freitod“ oder „Selbstmord“ sind Begriffe, die sehr stark werten. „Freitod“ ist ein stark auch aus der Literatur kommender Begriff, positiv besetzt mit Bewunderung und Respekt. „Selbstmord“ ist genau das Gegenteil, es ist eine (moralische) Verurteilung, mit der diese Handlung als - bei uns de facto nicht! - Straftat bezeichnet wird. Auch hier ist ein Stück weit drin, dass es immer eine wirkliche Entscheidungsmöglichkeit gibt. „Selbsttötung“ ist da genau wie „Suizid“ eine neutralere, nicht wertende Bezeichnung.
Es gibt eine Reihe Auslöser / Gründe, die so verschieden sind, wie diese Begriffe. Phänomene wie Einzel- oder Massenselbstmord aus politischen, ideologischen, religiösen oder militärischen (u.a. Kamikaze) Gründen hast du hier wohl nicht bei deiner Frage direkt im Kopf gehabt, gehören aber zur Bandbreite dazu.
Suizid kann am Ende eines wirklichen Entscheidungsprozesses stehen, eine akute Reaktion auf eine Belastung sein oder Folge einer Krankheit. Die Grenzen sind nicht immer zu erkennen. Wenn jemand immer wieder von Selbsttötung spricht, kann das Ausdruck für eine Depression sein, Lebensmüdigkeit oder dafür, dass jemand sich nicht an bestimmte Lebensumstände anpassen will (hier die Betonung auf das „Wollen“ im Gegensatz zum „nicht Können“.
Suizid aus „Müdigkeit“, Erschöpfung findet man häufig bei alten und schwer kranken Menschen, für die es einen Ausweg aus der Situation darstellen kann, wenn Wege zur Entlastung gefunden werden können. (von Medizin bis zu praktischen Hilfen)
Suizid im Rahmen körperlichen Erkrankung kann man nur sinnvoll (das heißt aber nicht zwingend erfolgreich) begegnen, in dem man die Krankheit als solche erkennt und behandelt. Das gilt für Suizidgefahr im Rahmen einer Schizophrenie genauso wie im Rahmen einer Depression.
In diesem Fall hat der Suizid nichts davon „frei“ zu sein. Das „Dunkel“, die Hoffnungslosigkeit, die Erschöpfung in einem Kampf, den Depression letztlich immer bedeutet, will man dagegen angehen, können irgendwann so groß werden, dass es zur eigentlichen Handlung oder zum Versuch kommt. Hilfreich für Betroffene wie für Angehörige kann sein, den Blickwinkel in soweit zu verändern, dass es meist nicht um den Wunsch zu sterben geht, sondern um ein „anders Leben“ oder, was bei großer Belastung oft der Fall ist, darum einmal eine „Pause“ zu bekommen.
Suizidgedanken, direkt oder noch viel öfter eher indirekt, „zwischen den Zeilen“ geäußert, sollten grundsätzlich immer ernst genommen werden, mindestens als Signal dafür, dass jemand in einer psychischen Ausnahmesituation ist. Bei Zweifeln darüber, wie akut oder ernst die Situation ist, immer professionellen Hilfe hinzuziehen, das gilt für Betroffene genauso wie für Angehörige. Für letztere nicht nur dann, wenn sie sich belastet fühlen sondern im Zweifel sogar gerade dann, wenn sie sich in der Rolle des Retters sehen. In jedem Fall ist das Thema Suizid nicht nur eines für den Betroffenen, sondern auch für Angehörige, bei denen droht, dass sie selbst dadurch in eine ernste psychische Krise geraten.
Zum näheren Einlesen gibt es viele Quellen. Hier als ein Beispiel ein Handbuch der Telefonseelsorge, das ich u.a wegen seines aus einer Aktion entnommenen provozierenden Titels gut finde Niemand bringt sich gerne um (PDF) (Allzu fachliche Passagen können ja übersprungen werden.)
Auf alle Bereiche genauer einzugehen, sprengt hier den Rahmen. Aus aktueller Diskussion in der Presse aber noch ein Thema, was mich auch im Rahmen meiner beruflichen Arbeit schon seit Jahren auf besondere Weise begleitet: Alterssuizid und Beihilfe zum Suizid. Was bei uns selbst im Rahmen dieser Diskussion kaum thematisiert wird: Fast die Hälfte derer, die Suizid begehen, sind über 60! Die Gründe sind vielfältig. Ein häufiger sind - auch von Ärzten! - nicht erkannte Depressionen, nach dem Motto: alte Menschen jammern halt „ganz gerne“ mal. Nicht zur Last fallen wollen und schwindende Autonomie sind als häufig empfundene Motive solche, an denen man hilfreich ansetzen könnte.
Extrem kontraproduktiv und schädlich ist da aber eine Diskussion, die von Menschen jungen und mittleren Alters geprägt wird, die ein Bild vom Altwerden haben, in dem die negativen Aspekte physische und kognitive Einschränkungen so überbetont sind, dass positive gar nicht mehr gesehen werden.
Schädlich ist das besonders deshalb, weil ältere Menschen keine Hilfe suchen. Sie wenden sich nicht an Beratungsstellen, Krisendienste, etc. Sie äußern sich vielleicht mal gegenüber dem Hausarzt, und das eher indirekt. Und diese Gruppe würde sich in einer solchen Diskussion sicher nicht melden mit einem „aber eigentlich will ich doch leben, wenn die Rahmenbedingungen anders wären“…