Ich verstehe das nicht. Ich für meinen Teil kann mir schlimmere Beileidigungen als „Gutmensch“ vorstellen. Wie ist aus „gut“ ein negatives Attribut geworden. Warum wird das Streben danach ein guter Mensch sein zu wollen, hier so verachtet und verspottet.
„Gutmensch“ funktioniert insofern als Beleidigung, da es Zynisch gemeint ist.
Ein „Gutmensch“ ist jemand, der nicht besser ist als jeder andere auch, aber nach außen hin legt er übermäßig wert DAS RICHTIGE zu tun oder wenigstens so zu wirken. Das jedoch nur, um sich anderen gegenüber als emotional überlegener/besserer Mensch darstellen zu können.
Schau mal die Simpsons. Lisa, der Protyp eines Gutmenschen, alles was sie tut und macht löst am Ende eine Katastrophe aus…
Das ist die Ironische Interpretation eines Gutmenschen, der es immer gut meint und sein Bestes tut aber es dabei auch oftmals übertreibt und am Ende anderen damit schadet.
Der „Gutmensch“ hat sogar schon seinen eigenen Wiki-Eintrag: https://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch
Herrlich in diesem Zusammenhang die Begründung der Jury warum es Platz 2 des „Unwort des Jahres 2011“ belegt hat:
„Im Januar 2012 erhielt das Wort bei der Wahl zum Unwort des Jahres 2011 in Deutschland den zweiten Platz. Die Jury kritisierte die aus ihrer Sicht 2011 einflussreich gewordene Funktion des Wortes als „Kampfbegriff gegen Andersdenkende“.[2] Mit dem Wort werde „insbesondere in Internet-Foren das ethische Ideal des ‚guten Menschen‘ in hämischer Weise aufgegriffen, um Andersdenkende pauschal und ohne Ansehung ihrer Argumente zu diffamieren und als naiv abzuqualifizieren“.“
Das ist nicht falsch, aber es ist nur eine Seite der Medaille.
Die andere ist die, warum die Schmähung gerade von rechter Seite kommt.
M.E. hat das auch damit zu tun, dass der „Gutmensch“ sich tendentiell eher an universalen Werten orientiert, während der Rechte sich eher an Interessen und Binnen-Werten der Eigengruppe orientiert.
Insofern wird mit dem Begriff „Gutmensch“ m.E. eben nicht nur die selbstgerechte Attitüde des Gutmenschen geschmäht, sondern auch die universalistische Haltung dabei.
Darum wird der „Gutmensch“ m.E. schon auch zu recht als Kampfbegriff verstanden.
Gruß
F.
Hallo,
warum kannst Du Dir keine schlimmere Beleidigung vorstellen?
Selbst Deine Frage lässt schon eine höchst subjektive Prägung dieses Begriffes erahnen. Wenn es so einfach wäre, dass da jeder, der anderen hilft, so bezeichnet würde, wärs ja einfach. Ist es aber nicht.
Warum nun ausgerechnet die Pegida Menschen so bezeichnet weiß ich nicht - wobei ich der Auffassung bin, dass es „die Pegida“ als solches gar nicht als homogene Vereinigung gibt, aber seis drum.
Als Gutmensch kann auch verächtlich derjenige bezeichnet werden, der seinen eigenen psotiven (überzogen als engstirnig zu bezeichnenden) Erfahrungshorizont permanent anderen aufzwingt.
Ein einfaches Beispiel: wenn jemand permanent (oder womöglich noch beruflich motiviert) in einer Flüchtlingsunterkunft aushilft, lernt er nur Menschen kennen, die zutiefst dankbar für das geleistete sind und denen er persönlich in dieser Weise sehr nah kommt. Das unterscheidet sich eklatant von den Erfahrungen, die jemand macht, der vielleicht ein Elternteil eines deutschsprachigen Kindes ist, das nur noch eines von fünf in einer Klasse mit 25 anderen ist, die nicht aus einem westlich geprägten Elternhaus stammen. Genauso verhält es sich mit Menschen, die innerhalb oder in unmittelbarer Nähe seggregierter Stadtteile mit hohem Migrationsanteil leben und am eigenen Leib ganz andere Erfahrungen - vorallem hinsichtlich Kriminalität - machen. Du kannst das ganz eindrucksvoll am Begriff des „Opfers“ festmachen, der fast schon wieder in Vergessenheit geraten zu sein scheint.
Stellt man die beiden letztgenannten Gruppen öffentlich permanent bei Erläutern ihrer Erfahrungen unter einen „rechten“ Schatten, diskreditiert sie in der Öffentlichkeit oder bezichtigt sie ständig der Lüge oder der Dummheit, kommt dann sowas dabei raus: sie geben nur ihren Teil der „Polarisierung“ dieser ganzen ekelhaft scheinheiligen Debatte postwendend zurück an den „Empfänger“.
Und es wird nicht besser dadurch, dass die Mediale Öffentlichkeit hier mal wieder einen weiteren Begriff als „Bössprech“ brandmarkt. Das fördert diese Polarisierung nur noch weiter. Ein wenig besonnene und transparente Untersuchung des ganzen könnte also nicht schaden.
Gruß vom
Schnabel
Harald Martenstein trifft es, meiner Ansicht nach, recht gut:
Ich halte das Wort „Gutmensch“ nicht für ein Unwort. Ich finde, es beschreibt einen Typus, für den es ein Wort geben muss. Natürlich ist es richtig, für „das Gute“ zu sein. Was „das Gute“ im Einzelnen ist, wird ewig umstritten sein, aber auf ein paar Sachen können wir uns vermutlich einigen – keine Gewalt, Menschenrechte und so weiter. Der Gutmensch glaubt, dass er, im Kampf für das, was er für „das Gute“ hält, von jeder zwischenmenschlichen Rücksicht und jeder zivilisatorischen Regel entpflichtet ist. Beleidigungen, Demütigungen und sogar Gewalt sind erlaubt. Der FAZ entnehme ich die Nachricht, dass die Berliner Antifa, antifaschistische Kämpfer also, eine Apotheke in Neukölln verwüstet hat, weil der Besitzer sich weigerte, die „Pille danach“ zu verkaufen. Andere Antifaschisten haben – „in bester deutscher Tradition“, wie es in der Zeitung ironisch hieß – einem Verband von Abtreibungsgegnern die Schaufenster zertrümmert und Parolen auf die Hauswand gesprüht.
Neben dem Geschlechtstrieb bestimmt kein Bedürfnis das Handeln des Menschen so sehr wie die Sehnsucht nach moralischer Überlegenheit. Dieser Satz stammt von Franz Werfel. Gutmenschentum ist gefährlich, es macht die Leute gemein, hochmütig und rücksichtslos. Wir alle sollten uns stattdessen lieber ein wenig mehr dem Geschlechtstrieb widmen.
Da finde ich Flanders noch extremer.
Hallo
Man kann absolut jedes Wort zum Schimpfwort machen, wenn man es mit der entsprechenden Verachtung benutzt. Schimpfworte sind ein Kampfmittel, um zu zeigen, dass man tausendmal besser ist als der Beschumpfene, besonders wenn man seinen Qualitätsvorteil nicht weiter belegen kann.
‚Gutmensch‘ sagen die meisten bestimmt nur, um das ‚Gute‘ lächerlich zu machen, ohne eine Begründung dafür liefern zu müssen, wieso sie das ‚Schlechte‘ oder ‚Böse‘ bevorzugen.
Ich habe meistens den Eindruck, damit soll stillschweigend ausgedrückt werden, dass die ‚Gutmenschen‘ unrealistisch sind. Dies aber nicht zu eindeutig, denn dann könnte ja nachgefragt werden, inwiefern die den unrealistisch sind.
Viele Grüße
Nabend,
ich behaupte mal, dass das Nutzungsspektrum des Wortes sehr weit gefasst ist. Vom Kampfbegriff (wie Du es definierst) über die Etikettierung einer selbstgerechten Sichtweise (bis hin zur totalitär angehauchten, politischen Bigotterie [->Tabuisierung]) bis zur flapsigen (auch Selbst-)Bezeichnungsform für ehrenamtliche Helfer.
Und natürlich auch einige Nazi-Nostalgiker, die aus der angeblich informierteren „Lügenpresse“ davon Kenntnis erlangten, dass „die Nazis“ (ehedem 33-45, also ohne neo-) das Wort auch oft benutzt haben sollen. Was so aber gar nicht stimmt, sondern eine Plapperente war.
Gruß
vdmaster
Na, ich habs ja eher eng gefasst und nur die erste Dimension angedacht.
Die zweite war eh schon da.
Die dritte, stimmt, die hat noch gefehlt.
Gruß
F.
Das wird längst nicht nur von Pegidademonstranten/Rechtsorientierten benutzt.
Damit lässt sich bestimmt auch jemand beschreiben bei dem Anspruch und Wirklichkeit auseinanderdriften.
Wenn jemand z.B. einen alten 2er Golf Turbodiesel rumfährt, ist der ein ganz schlimmer Umweltverschmutzer. Jemand mit einem 2 Tonnen schweren Diesel-SUV ist ein viel besserer Mensch, weil sein Verbrauch ja viel niedriger liegt und sein Abgasverhalten ebenso. Jedenfalls auf dem Papier. Und nur das zählt. Es zählen weder die realen Verbrauchs- und Abgaswerte noch die Tatsache, dass für den 2er Golf zuletzt vor 23 mal Energie fürs zusammenbauen aufgewandt werden musste.
Ich habe das Beispiel jetzt mal gebracht, weil ich früher selbst mal so einen Golf fuhr und die realen Verbrauchswerte einfach traumhaft waren.
Gutmenschen können also abseits von rechts und links (was im Zweifel auch nur Kampfbegriffe der anderen Seite sind) auch einfach nur Leute sein, die es gut meinen aber schlecht machen. Wenn dann noch dazu kommt, dass die eigene Ansicht die einzig richtige sein soll und andere zwangsbekehrt werden sollen, dann werden die schnell mal zu Gut(gemeint aber schlecht gemacht)menschen.
Gutmenschen sind z.B. für mich auch alle jede Demoteilnehmer, die letztens gegen einen Fleischzerlegebetrieb demonstriert und anschließend eine lecker Bratwurst verdrückt haben. Die kam nämlich auch aus einem Fleischzerlegebetrieb und nicht vom Metzger um die Ecke, der nur liebevoll totgestreichelte Schweine verarbeitet hat, die ihm persönlich seit ihrer Zeugung bekannt waren.
Grüße
IMHO steht er eher für evangelikale Eiferer in den USA.
Gruß
vdmaster
Also versetzen sich die Pegida Demonstranten gleichzeitig in eine Rolle der missverstandenen Opfer, wenn sie diesen Begriff gebrauchen, ummsich dadurch eventuell weiter Gehör zu verschaffen… Nicht ganz dumm.
Also sagst du der Gutmensch rechtfertigt laut der Pegida (bsp.) sein unmenschliches Handeln mit dem Zweck „Gutes“ zu tun? Und indem die rechtorientierten das entwirren sind sie moralisch überlegen? Versteh ich deine Aussage richtig?
Danke für die sehr anschauliche Erklärung.
„Gutmenschen“ sind im Prinzip dumme Menschen, die ihr Verhalten nach dem orientieren, was gerade in Mode (Internet) und angesagt ist.
Ohne nachzudenken und auch oft genug gegen die eigene Überzeugung. Sie scheuen sich, eine eigene Meinung darzustellen, wollen im Grunde genommen einfach nur beliebt und innerhalb des Mainstromes sein.
Die gleichen Menschen, die heute z.B. Homosexuelle gut finden, weil man das eben so hält, werden morgen die ersten sein, „Weg mit den Homos!“ brüllen, wenn die Stimmung mal umschlägt.
Gruß, Nemo.