Hallo Theo,
das ist natürlich eine hochinteressante Frage, über deren Beantwortung man nur spekulieren kann.
Zumm einen bin ich nicht sicher, ob es nicht doch Tiere gibt, die Cellulose abbauen können. Nachschauen würde ich mal bei Schnecken, oder evtl auch Raupen. Bei Raupen würde ich allerdings, wie bei Insekten auch, vermuten, dass sie ebenfalls Bakterien besitzen, die den Abbau übernehmen.
Interessant ist naürlich, warum es die höheren Organismen nicht können. Evolutiv wäre das ein riesiger Vorteil und wenn durch Enzymmutation geeignete Varianten entstanden wären, hätten die sich sicher sofort durch den evolutiven Vorteil bis zur Perfektion weiterentwickelt.
Deinen beiden Möglichkeiten kann ich biochemisch gesehen nicht wirklich zustimmen. Es gibt keinen Grund, warum Bakterien etwas per se besser können sollten. Sie haben den Vorteil der schnellen Vermehrung, können sich also sehr viel schneller an neue Bedingungen oder auch neue Stoffe anpassen, aber bei der Fähigkeit, Cellulose abbauen zu können, spielt Geschwindigkeit keine Rolle. Ansonsten sind bakterielle Enzyme prinzipiell aufgebaut wie Enzyme höherer Organismen.
Pflanzliche Abwehrstoffe gibt es natürlich, die spielen aber beim Celluloseabbau keine Rolle. Am einfachsten wäre es, wenn beim Abbau toxische Verbindungen entstehen würden, das ist aber nicht der Fall. Und vergesellschaftet mit Cellulose sind toxische Stoffe auch nicht. Das gibt es als Abwehr nur in Einzelfällen (Cyanide, giftige Sekundärmetabolite etc). Also, ich bin sicher, man kann ohne Probleme Gras oder Holz kauen, ohne dass man Probleme mit Abwehrstoffen hat.
Ich würde vermuten, dass es im Verlauf der Evolution sehr früh bei Bakterien die Fähigkeit zum Celluloseabbau gegeben hat. Und das musste auch sein, da sonst der Stoffkreislauf nicht funktionieren würde. Und diese Fähigkeit hat sich bei Eukaryoten nicht ausgebildet. Man kann dann nur vermuten, dass der Celluloseabbau derart spezialisierte Enzyme erfordert, dass bei Mutation unter den Eukaryotengenen / -enzymen es nicht möglich war, ein Fremdenzym an den Abbau von Cellulose zu adaptieren. Das mag in der besonderen, auch pysikalischen Struktur der Cellulose begründet sein. Ansonsten variiert ja die Natur bei den Enzymen und versucht, Enzymvarianten mit besseren Fähigkeiten zu entwickeln. Abe durch Variation der bei Eukaryoten vorhandenen Enzyme kommt man offensichtlich nicht zu Cellulose-Abbauern.
Das erstaunliche ist ja, dass der biochemische Unterschied zwischen Stärke, die sehr gut abbaubar ist und Cellulose relativ gering ist, alpha-1,4 Bindung bei Stärke und beta-1,4 bei Cellulose.
Vielleicht noch einige anmerkungen dazu: Es gibt, soweit ich weiss, schon Cellulasen bei Eukaryoten. Es gibt holzabbauende Pilze (ich glaube, die Cellulose-Abbauer heissen Braunfäule-Pilze). Aber das sind anscheinend Ausnahmen und es ist ansonsten nicht gelungen, die Cellulasegene auf andere Organismen zu übertragen.
Ein ähnliches Problem besteht übrigens auch beim Chitin, mengenmäßig kommt das, soweit ich weiss, direkt nach der Cellulose. Auch das kann nur von Spezialisten abgebaut werden und auch das wäre evolutiv gesehen eine Riesenvorteil, wenn der Mensch Chitin abbauen könnte.
Mittlerweile gibt es ja Datenbanken über Enzymsequenzen. Möglicherweise ist es hilfreich, wenn man sich mal die Sequenzvarianten bei den Cellulasen anschaut. dort würde man wahrscheinlich auch Cellulasen in anderen als Bakterien finden, wenn sie denn vorhanden und auch mal untersucht worden sind.
Wir können gern weiter spekulieren, aber soviel erstmal für heute.
Viele Grüße
Werner
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