Warum besitzen Tiere keine Cellulase?

Liebe Experten,

Mir geht die Frage um, weshalb Tiere nicht in der Lage sind, ohne auf Symbionten zu setzen, Cellulose zu verdauen.
Allerdings bin ich mir nicht 100pro sicher, ob es nicht doch ein Tier gibt, dass eigenständig Cellulase bildet. Darum die Fragen:

  • Gibt es ein Tier, dass ohne Hilfe von Darmbakterien Cellulose verstoffwechseln kann?
  • Warum besitzen Tiere (im Allgemeinen) keine Cellulase?

Meine persönlichen Favoriten sind zwei Varianten:

  • Bakterien können es eben einfach besser, weswegen sich die Verdauung ohne Bakterien einfach nicht durchgesetzt hat
  • pflanzliche Abwehrstoffe verhindern, dass sich Tiere ohne Hilfe von Bakterien ausschließlich von Pflanzen (mal abgesehen von Obst und Gemüse) ernähren können > die Bakterien wären also eh da

Für Ideen und Vorschläge wäre ich sehr dankbar.

Grüße,

Theo.

Hallo Jan,

in Tierphysiologiebüchern ist zu lesen, dass Silberfischen endogen Cellulose abbauen können. Soweit ich weiß, ist der Beweis dafür aber nur indirekt erbracht, da sie in steriler Umgebung immer noch Cellulose verstoffwechseln können. Ein direkter Beweis wie die Klonierung des entsprechenden Gens (der entsprechenden Gene) und direkter Nachweis der Enzymaktivität des zugehörigen Proteins (der Proteine) kenn ich nicht.

  • Warum besitzen Tiere (im Allgemeinen) keine Cellulase?

Die unbefriedigende Antwort ist, weil es sich in Laufe der Evolution nicht als Vorteil erwiesen hat. Alles andere bleibt Spekulation. Offensichtlich haben sich Wirt- Symbiont-Beziehungen für den Cellulose Abbau als sehr erfolgreich im Laufe der Evolution erwiesen, da es viele Beispiele aus unterschiedlichen Tiergruppen gibt, die als Wirt mit z.B. Bakterien oder Dinoflagelaten eine Symbiose eingegangen sind. Von daher könnte man vermuten, dass auf Cellulose-Abbau spezialisierte Symbionten dem Wirt einen größeren Vorteil bringen als endogener Cellulose-Abbau. Die Kuh z.B. lebt eigentlich weniger direkt von den Abbauprodukten (Zucker), welche die Bakterien in einem der Kuh-Mägen produziert, sondern verdaut einen großen Teil der Bakterien (Proteine usw.) selbst. Ein großer Vorteil, da sie so als Pflanzenfresser den Nachschub an Aminosäuren etc. sicherstellt.

Viele Grüße Michael

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Halo Theo,

Leider kenn ich mich auf dem Gebiet nicht so gut aus. Alles was ich dazu weiß ist, dass es durchaus Tiere gibt (wenn auch nur einige wenige) die ihre eigene Cellulase herstellen (z.b. Silberfischchen oder die Bohrmuschel „Teredo“)
Den Grund warum so viele Tiere keine Cellulase generieren können ist mir nicht bekannt- ich denke dass evolutionäre Hintergründe eine Rolle spielen.
Vielleicht wäre die Frage eher was für einen Biologen, die kennen sich da bestimmt besser aus.

Hoffe die Antort hilft dir trotzdem etwas weiter,
Viele Grüße Seb

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Wer ist sich denn da so sicher , dass es keine Tiere mit Cellulase geben sollte ??
Da bräuchte man erst mal vollständige Genomanalysen und selbst dann wäre man noich nicht sicher

Wir alle sind übrigens genetisch betrachtet exreme Mosaikwesen. Die Symbiose mit geeigneten Spezialisten ist wohl eine Variante zum Einstieg in einen speziellen Stoffwecheslweg (bsp. Cellulse für Cellulosenutzung). In der Weiterentwicklung werden ja (viele Beispiele)Gene vom Symbionten auf den Wirt übertragen. Ob es günstig für den Gesamtorganismus ist, zeigt sich dann auf längere Sicht (Evolution)oder ob so ein Symbiontenmodell „praktischer“ ist

Hallo Theo,
das ist natürlich eine hochinteressante Frage, über deren Beantwortung man nur spekulieren kann.

Zumm einen bin ich nicht sicher, ob es nicht doch Tiere gibt, die Cellulose abbauen können. Nachschauen würde ich mal bei Schnecken, oder evtl auch Raupen. Bei Raupen würde ich allerdings, wie bei Insekten auch, vermuten, dass sie ebenfalls Bakterien besitzen, die den Abbau übernehmen.

Interessant ist naürlich, warum es die höheren Organismen nicht können. Evolutiv wäre das ein riesiger Vorteil und wenn durch Enzymmutation geeignete Varianten entstanden wären, hätten die sich sicher sofort durch den evolutiven Vorteil bis zur Perfektion weiterentwickelt.

Deinen beiden Möglichkeiten kann ich biochemisch gesehen nicht wirklich zustimmen. Es gibt keinen Grund, warum Bakterien etwas per se besser können sollten. Sie haben den Vorteil der schnellen Vermehrung, können sich also sehr viel schneller an neue Bedingungen oder auch neue Stoffe anpassen, aber bei der Fähigkeit, Cellulose abbauen zu können, spielt Geschwindigkeit keine Rolle. Ansonsten sind bakterielle Enzyme prinzipiell aufgebaut wie Enzyme höherer Organismen.

Pflanzliche Abwehrstoffe gibt es natürlich, die spielen aber beim Celluloseabbau keine Rolle. Am einfachsten wäre es, wenn beim Abbau toxische Verbindungen entstehen würden, das ist aber nicht der Fall. Und vergesellschaftet mit Cellulose sind toxische Stoffe auch nicht. Das gibt es als Abwehr nur in Einzelfällen (Cyanide, giftige Sekundärmetabolite etc). Also, ich bin sicher, man kann ohne Probleme Gras oder Holz kauen, ohne dass man Probleme mit Abwehrstoffen hat.

Ich würde vermuten, dass es im Verlauf der Evolution sehr früh bei Bakterien die Fähigkeit zum Celluloseabbau gegeben hat. Und das musste auch sein, da sonst der Stoffkreislauf nicht funktionieren würde. Und diese Fähigkeit hat sich bei Eukaryoten nicht ausgebildet. Man kann dann nur vermuten, dass der Celluloseabbau derart spezialisierte Enzyme erfordert, dass bei Mutation unter den Eukaryotengenen / -enzymen es nicht möglich war, ein Fremdenzym an den Abbau von Cellulose zu adaptieren. Das mag in der besonderen, auch pysikalischen Struktur der Cellulose begründet sein. Ansonsten variiert ja die Natur bei den Enzymen und versucht, Enzymvarianten mit besseren Fähigkeiten zu entwickeln. Abe durch Variation der bei Eukaryoten vorhandenen Enzyme kommt man offensichtlich nicht zu Cellulose-Abbauern.

Das erstaunliche ist ja, dass der biochemische Unterschied zwischen Stärke, die sehr gut abbaubar ist und Cellulose relativ gering ist, alpha-1,4 Bindung bei Stärke und beta-1,4 bei Cellulose.

Vielleicht noch einige anmerkungen dazu: Es gibt, soweit ich weiss, schon Cellulasen bei Eukaryoten. Es gibt holzabbauende Pilze (ich glaube, die Cellulose-Abbauer heissen Braunfäule-Pilze). Aber das sind anscheinend Ausnahmen und es ist ansonsten nicht gelungen, die Cellulasegene auf andere Organismen zu übertragen.

Ein ähnliches Problem besteht übrigens auch beim Chitin, mengenmäßig kommt das, soweit ich weiss, direkt nach der Cellulose. Auch das kann nur von Spezialisten abgebaut werden und auch das wäre evolutiv gesehen eine Riesenvorteil, wenn der Mensch Chitin abbauen könnte.

Mittlerweile gibt es ja Datenbanken über Enzymsequenzen. Möglicherweise ist es hilfreich, wenn man sich mal die Sequenzvarianten bei den Cellulasen anschaut. dort würde man wahrscheinlich auch Cellulasen in anderen als Bakterien finden, wenn sie denn vorhanden und auch mal untersucht worden sind.

Wir können gern weiter spekulieren, aber soviel erstmal für heute.

Viele Grüße
Werner

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Hallo Theo,

genau kann ich deine Frage leider auch nicht beantworten. Allerdings muss man berücksichtigen, dass Cellulasen entwicklungsgeschichtlich wohl schon sehr früh entstanden ist (Bakterien, Pilze), also lange bevor höhere Tiere in Erscheinung getreten sind. Die Bildung einer Symbiose lag also nahe…

Gruß
Fagus

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