Warum der Bayer nicht 'Tschüß' sagen will

Viele Leute, die Bayrisch als ihre Muttersprache betrachten und
pflegen, haben bekanntermaßen eine Abneigung gegen das „Tschüß“.
Bisher meinte man, diese Aversion liege einfach nur darin begründet, dass es sich bei jenem Wort um einen „preußischen“ Import handle, der von vornherein mit Vorsicht zu genießen sei. Es gibt aber noch einen anderen Grund dafür, warum uns jenes „Tschüß“ so schwer über die Lippen geht, nämlich, weil es in der bayrischen Sprache kein „ü“ gibt.
Moment mal, könnte jetzt einer sagen, es gibt doch so viele Wörter, die ein ‚ü‘ enthalten! - Richtig, man schreibt sie mit „ü“, aber der Bayer spricht sie nicht mit „ü“ sondern beispielsweise mit „i“ wie etwa Schissl (Schüssel), Biffe (Büffel), Diftla (Tüftler), Gribbe (Krüppel), Strimpf (Strümpfe), Hittn (Hütte), Minga (München) und viele andere.
Oder das „ü“ wird zu einem „ia“ umgeformt: siaß (süß), miad (müde), gmiatle (gemütlich), Kiah (Kühe), Riassl (Rüssel), Fiaß (Füße), Hosndial (Hosentürchen), Schiazl (Schürze) und so weiter.
In einer Reihe von Wörtern verwandelt sich das „ü“ in ein „u“ oder eine Verbindung mit „u“, z.B. Muggn (Mücke), Bruckn (Brücke), hupfa (hüpfen), dadrucka (erdrücken); Ruam (Rübe), bruatn (brüten); Gfuih (Gefühl), Muih (Mühle), abkuihn (abkühlen), auffuin (auffüllen).
In manchen Gegenden spricht man anstelle des „ui“ auch ein „ej“ oder „oi“, statt Gfuih also Gfejh…
In Einzelfällen taucht das „ü“ sogar als „ea“ auf, so etwa in grea (grün) und Bleamal (Blümchen). Und dann gibt es noch zahlreiche Fälle, in denen man das deutsche Wort lieber gleich durch ein bairisches Wort ersetzt: küssen heißt bussln, pflücken = brocka, drüben = drent, Pfütze = Lacka, Rücken = Buckl, Lümmel = gscherter Lackl, Gülle = Odl, Küken = Biwal oder Singal, Hühnchen = Hendl, und, und, und…
Der Bayer spitzt also seinen Mund höchstens zum Trinken und zum
Bussln, nicht aber um ein „ü“ zu sprechen, und deswegen geht ihm
auch das „Tschüß“ so zögernd über die Lippen. Vielleicht sollte
er deshalb in Anlehnung an die aufgeführten Beispiele statt „Tschüß“ in Zukunft „Tschiß“ sagen oder „Tschiaß“ oder „Tschuaß“ oder gar „Tscheaß“. Da kommt wirklich nur ein Ersatzwort in Frage. Wie wär´s mit „Pfiat di“ oder „Servus“?

viele Grüße
Claudia

Hallo Claudia,
das ist wirklich eine erschöpfende Erklärung!
Nun gilt auch für Schwaben und andere Süddeutsche die Feststellung, dass sie unfähig sind, ü zu sprechen und statt dessen i sagen.
Eigenartigerweise hat das aber bei diesen keine Abneigung gegen das „Tschüss“ erzeugt. Vielmehr höre ich ganz oft und ungeniert gesprochen: Tschisss! oder noch besser: Tschissle!
Gruß Fritz

… nicht zu vergessen …
Hallo Fritz,

nicht zu vergessen, dass - so witzig Claudias erschöpfende Erkärung ist … auch das von der Region abhängig ist.

Ich bin eine Garmischerin und sage nicht nur ein ü in tschüß und anderen Worten sondern auch noch - wie Du, wenn ich mich recht erinnere, vor einiger Zeit gepostet hast - da, wo eigentlich keins sein soll: Tüsch, Füsch ;o)

Viele Grüüüüße
Gitte

jaja, Gütte, Bayer ist …
halt doch nicht gleich Bayer. Sonst könnte man ja auch nicht zum Oberbayern befördert oder zum Niederbayern degradiert werden! :wink:

Auch im Schwabenländle haben wir Oberschwaben; Nieder- oder Unterschwaben gibt es aber nicht, nur Unterländer, so wie ich einer bin, wenn ich denn überhaupt einer bin.

Früsche Grüüüüüße von mür, Frütz

hehe, aber mal ernsthaft …
Guten Morgen Fritz,

AAAAAH, natürlich weißt Du, dass ein Ü wie in Füsch nicht überall steht … … gibt es denn da eine Regel? Ich könnte es spontan nämlich nicht erklären, wann ich ein Ü statt I sage und wann nicht.

Da Du auch für die seltsamsten Fragen eine Antwort hast, baue ich auf Dich … bitte erkläre mir, was ich da tue :o)

Schönen Tag (

hey claudia,

woooooooow… ich kann mich fritz nur anschliessen…
ich sag sowieso nur pfiat di oder servus…

ein echter oberbaier wird auch kein ü sagen…
aber ich als münchner sage trotzdem „münchen“…
minga klingt für mich zgescherd…
auch hast du einige begriffe genannt, die ich trotzdem hochdeutsch sprechen würde…(ich weis wie, und ich kanns auch richtig aussprechen) … aber das mach ich dann mal wenn ich in hintertupfing bin und nicht auffallen möchte :smile:

so das wars schon wieder von mir… muss mal was vorwärtsbringen…

pfiats eich & servus#

rasta

oioioi …
das wird schwer werden, liebe Gitte.
Man müsste zuerst einmal die Regionen festmachen, wo I zu Ü wird, dann deren Sonderentwicklung untersuchen, dann den Wortschatz, bei dem dieses Phänomen auftritt, analysieren, die Lautumgebung.
Klingt nach einem Lebenswerk.
Aber ich guck mal.
Gruß Fritz

hallo hallo hallo,

nur mal so zwischen eingeworfen…

ihr kennt doch alle den ort „übersee“ (am chiemsee, da findet alljährlich das reggaefestival statt)
kam nur per zufall darauf, als ich mich mit bekannten über dieses thema unterhalten habe…

tja, wie wird denn nun im bayerischen übersee ausgesprochen :smile:
ich sag mal, das es einfach übersee heist!!

damit ist claudias feststellung, das der bayer kein ü sagt nicht ganz richtig…
oder was ist eure meinung…

nice we
& ciao

rasta

Iiiewansee? O. T.
ä

Des is sauguat!
Griass Gott,

diese „ü“ ist scho ein merkwürdiger Laut. Ich bin zwar koan Bayer, sondern so a Saupreiß, an amerikanischer, aber i bin gern in Bayern auf’n Leberkas.

Weiter so!

Servus, mach’s guat.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

ä

Iabarsea.

Wie ich scho in einem anderen Artikel oben geschrieben habe …
klappt das Ersetzen des ‚ü‘ ganz hervorragend; mit dem ‚ä‘ und dem ‚ö‘ sollte man das ganz genau so machen. Nicht nur im schönen Bayernland, sondern von den Alpen bis zum hellen Nordseestrand.

Servus!

Viele Leute, die Bayrisch als ihre Muttersprache betrachten
und
pflegen, haben bekanntermaßen eine Abneigung gegen das
„Tschüß“.

ja, ja, so gengan die gang, pflegte meine Wahloma immer zu sagen. Nachdem es sich auch hier herumgesprochen hat, daß ich ein Exilbayer bin (die Aldi-Ziege, ganz neu in den Links), muß ich zu diesem leidigen Thema unbedingt meinen Senf dazu abgeben.

Ich gestehe, seitdem sich der Umgang mit den Preissn bei mir häufte, daß ich immer öfters Tschüss sagte. Das begann nach der kaufm. Lehre (in München). Servus ist nunmal nicht bürotauglich (gewesen). Ciao, Ciao wurde zu tschau-tschau umfunktioniert (bloß gut, daß ich nie einen solchen Hund hatte - des gab a groß Problem). Jetzt habe ich zudem noch eine könglich-preußische Beamtentochter geheiratet - da war es (fast) komplett out, das Servus.

Beruflich hat es uns zudem zuerst nach Baden-Württemberg verschlagen. Jetzt kam noch das Ade (südbadisch) dazu; in der Eifel gibt es auch kein Tschüß, sondern das seltsame Tschö (soll Tschüß heißen). Aber diese Grausamkeit tue ich mir nicht an. Meine bessere Hälfte ist da etwas flexibler; ihr bleibt im Umgang mit den Kunden nichts anderes übrig, als dieses Tschö zu sagen.

Was mache ich nun? Jetzt war ich für eine Woche in Meckpomm; dem üblichen Tschüß setzte ich ein hartes Ade dagegen. Hier in der Eifel, ich lebe hier als Bayer im Exil, wird bei mir getschüsst und nicht getschööööt, bis die Wände wackeln. UND, wenn ich mal wieder in der münchner Region bin, heißt es schlicht und ergreifend Servus; bei Pseudopromis natürlich, man ist ja höflich, kommt der Hund wieder zum Vorschein - es wird getschautschaut.

Anmerken will ich dazu noch folgendes: Beruflich komme ich in alle Bundesländer. Aber „Narrenfreiheit“ haben eigentlich nur die Bayern. Wir können dort, selbst auf Vorstandsebene, am liebsten im verständlichen Dialekt, reden, schimpfen, meckern. Alles klingt da nach Bauernstadel und ist sooooo süüüüüß.