auf dem Zeitstrahl geritten - Politik als solche
teilgenommen. Es besteht nur die Gefahr, daß, wenn der
deutsche Michel nicht spurt und brav seine Kohle rausrückt,
sehr schnell wieder eine militärische "
Disziplinierungsmaßnahme " gegen die pösen Teutschen ( Nazi´s?
) ins Haus steht.
Nein, die Gefahr besteht nicht und wer einen Krieg, der vor fast 70 Jahren zuende ging, ernsthaft als Ursache für das deutsche Engagement in Europa in Erwägung zieht, verkennt die Sachlage ganz erheblich.
Jeden Tag lügen wir hundertfach. Wir sagen freundlich „guten morgen“ obwohl wir lieber „laß mich bloß in Ruhe Du Penner“ oder „fall tot um“, wir sagen „danke“ und „bitte“, obwohl wir lieber gar nichts sagen würden und wir sagen unseren Kollegen, Nachbarn, Familienangehörigen und Vorgesetzten auch nicht ins Gesicht, was wir allgemein oder in dieser Situation von ihnen halten.
Politik ist das gleiche Spiel bloß auf einem ganz anderen Niveau. Politiker wägen richtig gegen populär ab, national gegen inter- bzw. supranational, kurzfristig gegen langfristig, Glaubwürdigkeit gegen Diplomatie und nicht zuletzt Wiederwahl gegen Sinnhaftigkeit.
Natürlich hätte sich Frau Merkel von Anfang an auf den Standpunkt stellen können und aus volkswirtschaftlicher Sicht vermutlich auch sollen, daß die Griechen, Iren, Spanier, Italiener, Slowenen usw. alleine klarkommen müssen. Das hätte aber nicht der deutschen Haltung der letzten 40 Jahre entsprochen, in denen es vor allem Deutschland war, der die Einigung Europas vorangetrieben hat (und ja, natürlich hat das auch etwas damit zu tun, daß die Nichteinigkeit Europas eine Ursache des letzten großen Krieges gewesen ist; dennoch ist der 2. WK nicht der Grund dafür, daß sich deutsche Politiker heute so verhalten wie sie es tun).
In diesem Sinne war aus Sicht der Politik ein falscher Schritt oftmals besser als gar kein Schritt. Auf Zugeständnisse folgten positive, gewünschte Veränderungen und so erwartet man das auch diesmal. Und vielleicht gar nicht mal zu unrecht. Es scheint tatsächlich so zu sein, als würde man sich langfristig auf eine gemeinschaftliche Finanzpolitik einigen können. Sicherlich nicht als Komplett- und Sofortlösung aber auf lange Sicht.
Wenn das System bis dahin nicht implodiert, hätte das verliehene deutsche Steuergeld vielleicht doch etwas gutes gehabt und Frau Merkel würde dann als würdige Nachfolgerin des großen Kohlkönigs gefeiert werden.
Ob es so kommt, weiß ich nicht, aber man sollte bei der Beurteilung der Politik berücksichtigen, daß ein Politiker nicht so entscheidet (und auch nicht so handeln kann) wie der Normalbürger in der Schlange bei McDonalds: „groß oder klein oder als Maxi-Menü?“ „Weiß nicht… Ach, ich nehm ein Maxi-Menü.“ Spontan und ohne Konsequenzen sind die meisten unserer Entscheidungen. In der Politik sieht das in beiderlei Hinsicht anders aus.
Und noch eines sollte man nicht vergessen: auch normale Menschen treffen bescheuerte Entscheidungen, die langfristig erhebliche (unangenehme) Folgen haben können: Wechsel des Arbeitsplatzes, Hauskauf, Wahl des Partners.
Daß sich darüber nicht Millionen von Menschen das Maul zerreisen hat nur zwei Gründe: sie wissen nichts davon und es kostet nicht ihr Geld.
Es gibt kaum eine Entscheidung von Politikern, die auf einhellige Begeisterung in der Bevölkerung stößt. Komischerweise stehen wir heute - trotz all dieser bescheuerten Entscheidungen - sehr gut und vor allem besser als die meisten anderen da. Schon komisch, oder?
Ich lese gerade in einer Ausgabe des Spiegels aus dem Jahre 1970. Interessant sind u.a. die Leserbriefe bzgl. der kurz zuvor erfolgten Anerkennung der Oder-Neiße-Linie durch die noch junge Bundesrepublik Deutschland. Vieles von dem, was seinerzeit geschrieben wurde, würde man heute als nationalsozialistisches Gedankengut einstufen.
Zwischen dem ganzen Gehetze war genau ein Leserbrief, in dem darauf hingewiesen wurde, daß diese Anerkennung der Grenzen eine notwendige Voraussetzung für ein geeinigtes Europas war und man doch bitte dem Blick nach vorne gegenüber der rückwärtsgerichteten Besitzstandswahrung den Vorzug geben sollte.
Wer hat aus heutiger Sicht wohl recht gehabt? Die Vertriebenen oder Willy Brandt? Wer wird in 40 Jahren recht gehabt haben? Die erboste Bevölkerung oder Frau Merkel? Ich weiß nur, was aus heutiger Sicht richtig wäre. Was ich in 40 Jahren darüber denken werde, kann ich Dir nicht sagen.
Gruß
C.