Warum gibt es nur so wenige Teilzeitstellen?

Hallo,

woran liegt es eigentlich, dass die allermeisten Stellen in der Wirtschaft für eine Vollzeit-Anstellung vorgesehen sind?

Hat das steuerliche Vorteile? Oder gehen die Arbeitgeber davon aus, dass 40 Stunden einfach ein geläufiges Format sind, das von Arbeitnehmern so erwartet wird?

Ich z.B. würde zwecks positiver Work-Life-Balance liebend gerne 30 Stunden die Woche arbeiten. Die Vorstellung, tagein tagaus von 9 bis 5 im Büro zu verbringen, führt bei mir echt nicht zu Dopaminausschüttungen. Selbst dann nicht, wenn ich dafür entsprechend viel Geld bekäme. Ich kenne viele Leute, die gerne weniger arbeiten würden. Warum spiegelt sich das nicht auch auf dem Arbeitsmarkt wieder?

Klärt mich bitte auf, ich würde das echt gerne mal genauer wissen.

Beste Grüße,
Irmfried

Hallo

Oder gehen die Arbeitgeber davon
aus, dass 40 Stunden einfach ein geläufiges Format sind, das
von Arbeitnehmern so erwartet wird?

Ja, auch.
In großen Unternehmen, bei denen ganze Abteilungen das gleiche Aufgabenfeld haben, ist es unerheblich ob jemand 2 oder 10 Stunden am Tag arbeitet.
Solche Firmen bieten gerne auch Stellen mit 4 Stunden am Tag an, da dann keine Pausen anfallen.
Die statistisch meisten Arbeitsplätze liegen aber bei kleinen oder mittleren Firmen. Dort gibt es ganz andere Arbeitszeitmodelle.

Ich z.B. würde zwecks positiver Work-Life-Balance liebend
gerne 30 Stunden die Woche arbeiten. Die Vorstellung, tagein
tagaus von 9 bis 5 im Büro zu verbringen, führt bei mir echt
nicht zu Dopaminausschüttungen. Selbst dann nicht, wenn ich
dafür entsprechend viel Geld bekäme. Ich kenne viele Leute,
die gerne weniger arbeiten würden. Warum spiegelt sich das
nicht auch auf dem Arbeitsmarkt wieder?

9:00-17:00 Uhr entspricht eher einer 37,5h Stelle.
Was du suchst ist im öffentlichen Dienst durchaus machbar.

MfG Frank

Grundkosten
Hallo Irmfried,

jeder Mitarbeiter in Deiner Sphäre hat hohe Grundkosten, z.B.

  • Personalverwaltung
  • Schulung (Sicherheit, Prozesse, Fachlich, Betriebsversammlung, …)
  • Arbeitsplatz (Platz, PC, SAP-Account, …)

Dies wird kaum weniger bei kürzerer Arbeitszeit.

Meetings und koordinierte Arbeiten werden schwieriger, wenn die meisten Kollegen 1-2 verschiedene Tage in der Woche nicht da sind.

Zudem ist die Leistungsfähigkeit bei hochqualifizierten Kräften sehr unterschiedlich. Viele Firmen leben von einigen kreativen oder produktiven Kräften, die in ihrem Beruf aufgehen. Diese Koryphäen erkennt man nicht im Vorstellungsgespräch oder in den ersten Monaten. Man vermutet diese aber häufiger unter denen, die sich Zeit nehmen für die Arbeit.

Nach einiger Zeit, wenn der Arbeitnehmer praktisch unkündbar geworden ist, sind Teilzeitmodelle in größeren Betrieben dann meist auch machbar.

In den Bereichen, in denen zum einen die formale Qualifikation wichtiger ist und zum anderen eh Wechselbetrieb vorherrscht, also z.B. als Taxifahrer oder Arzt im Krankenhaus, sind Teilzeitmodelle von Beginn an einfach realisierbar.

Gruß
achim

Hi!

jeder Mitarbeiter in Deiner Sphäre hat hohe Grundkosten, z.B.

  • Personalverwaltung

Die unterscheiden sich in Summe nicht, wenn man ein paar (runden wir auf 25%) Leute mehr betreuen muss.
Lediglich beim Recruitment hat man einen Mehrbedarf.

  • Schulung (Sicherheit, Prozesse, Fachlich,
    Betriebsversammlung, …)

Auch hier: Macht man das Ganze in Gruppen, ändert sich an den echten Kosten nichts.
Klar ist bei Kleinbetrieben tatsächlich ein höherer Aufwand vorhanden.

  • Arbeitsplatz (Platz, PC, SAP-Account, …)

All das kann man „sharen“.

Meetings und koordinierte Arbeiten werden schwieriger, wenn
die meisten Kollegen 1-2 verschiedene Tage in der Woche nicht
da sind.

Telefonkonferenz?

Nach einiger Zeit, wenn der Arbeitnehmer praktisch unkündbar
geworden ist, sind Teilzeitmodelle in größeren Betrieben dann
meist auch machbar.

Sie sind nicht nur machbar, sie sind gesetzlich geregelt.

Tatsächlich verstehe ich nicht, wie man sich als AG aus Bequemlichkeit die viel höhere Flexibilität in der Planung mit TZ-Kräften durch die Lappen gehen lässt.

Gruß
Guido

2 Like

Hi!

woran liegt es eigentlich, dass die allermeisten Stellen in
der Wirtschaft für eine Vollzeit-Anstellung vorgesehen sind?

Sind sie das?

Die letzte Statistik, die ich kenne, stammt aus 2012.
Abgesehen davon, dass die durchschnittliche Arbeitszeit generell einen sinkenden Trend hat und irgendwo bei 35,5Std. (41,2Std. Vollzeit) in der Woche liegt, wird die höhere Zahl der Vollzeitler wohl vor allem an den Arbeitnehmern liegen.
Man braucht das Geld und mehrere Teilzeitjobs sind halt stressiger als ein Vollzeitjob.

Hat das steuerliche Vorteile? Oder gehen die Arbeitgeber davon
aus, dass 40 Stunden einfach ein geläufiges Format sind, das
von Arbeitnehmern so erwartet wird?

Es ist schwieriger, (zumindest qualifizierte) Teilzeitstellen adäquat zu besetzen.
Wenn man 2 Teilzeit- und 1 Vollzeitstelle ausschreibt, bekommt man in der Regel auf die Vollzeitstelle doppelt so viele Bewerbungen von sogenannten A-Kandidaten.

Kein Arbeitgeber kann sich wirksam auf Dauer dagegen wehren, wenn ein Vollzeitler auf Teilzeit wechseln will.

Mir persönlich sich vier 30-Stündler wesentlich lieber als drei 40-Stündler.
Die echten (!) Ausfallzeiten sind wesentlich geringer …

Ich z.B. würde zwecks positiver Work-Life-Balance liebend
gerne 30 Stunden die Woche arbeiten. Die Vorstellung, tagein
tagaus von 9 bis 5 im Büro zu verbringen, führt bei mir echt
nicht zu Dopaminausschüttungen. Selbst dann nicht, wenn ich
dafür entsprechend viel Geld bekäme. Ich kenne viele Leute,
die gerne weniger arbeiten würden. Warum spiegelt sich das
nicht auch auf dem Arbeitsmarkt wieder?

Naja, weil Du und Deine „vielen“ Leute vermutlich nicht stellvertretend für die Masse der Beschäftigten sind.
Wobei: Haben die Leute mal durchgerechnet, dass bei einem Viertel weniger Arbeitszeit auch ein Viertel weniger Knete hängen bleibt?

Klärt mich bitte auf, ich würde das echt gerne mal genauer
wissen.

Da kann man nur mutmaßen …

VG
Guido

P.S. ich kann für Kleinunternehmen nicht sprechen.
Ebenso ist nach meiner Erfahrung die TZ-Quote in weniger anspruchsvollen Berufsbildern wesentlich höher.

Mir persönlich sich sind vier 30-Stündler wesentlich lieber als
drei 40-Stündler.

So muss das eigentlich!

Hallo,

ich gehe schon davon aus, dass Teilzeitstellen teurer sind. Zumindest in Bereichen in denen am Schreibtisch gearbeitet wird.

Zumeit arbeiten Frauen in Teilzeit und die wollen alle von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr arbeiten, damit sie vorher die Kinder in die Schule bringen können und danach pünktlich um 13.00 Uhr die Kinder wieder abholen können.

Damit braucht man für dieselbe Arbeitsleitung doppelte Einrichtung und doppelte qm Bürofläche.

Versuche mal einer eine Halbtagskraft für Nachmittag zu finden, z. B. für 14. - 18.00 Uhr…
Da steht mal als Chef kurz davor vor dem EUGH wg Menschenrechtsverletzung verklagt zu werden…
sowas geht nicht mal wechselseitig im Wochenrythmus…selbst wenn die „Kinder“ schon 16 bzw 18 Jahre alt sind…

Grüße
miamei

Danke!
Ich danke Euch für die bisher sehr aufschlussreichen Antworten!

Beste Grüße,
Irmfried

Missverständnis
Hallo Guido,

mit Grundkosten meine ich die unproduktiven Fix-Zeiten des einzelnen Mitarbeiters. Beispiele

  • Schulung (Sicherheit, Prozesse, Fachlich,
    Betriebsversammlung, …)

Auch hier: Macht man das Ganze in Gruppen, ändert sich an den
echten Kosten nichts.

Nein, nicht die Kosten der Schulung, sondern die Zeit die der Mitarbeiter dort verbringt. Es geht ja nicht um Einzelhandelskaufleute, sondern um hochqualifizierte Akademiker.

  • Arbeitsplatz (Platz, PC, SAP-Account, …)

All das kann man „sharen“.

Auch nur bei Wechselbetrieb. Den Arbeitsplatz eines Biologen oder Maschinenbauingenieurs kannst du kaum sharen, es sei denn Du bist in einem Fließbandbetrieb (Krankenhaus, Analyselabor)

Meetings und koordinierte Arbeiten werden schwieriger, wenn
die meisten Kollegen 1-2 verschiedene Tage in der Woche nicht
da sind.

Telefonkonferenz?

In der Freizeit ???

Tatsächlich verstehe ich nicht, wie man sich als AG aus
Bequemlichkeit die viel höhere Flexibilität in der Planung mit
TZ-Kräften durch die Lappen gehen lässt.

Weil die meisten Akademiker von der Uni nicht Fließband- oder Sachbearbeiter sind, sonder Projekt bewältigen.

Gruß
achim

Hi!

Nein, nicht die Kosten der Schulung, sondern die Zeit die der
Mitarbeiter dort verbringt. Es geht ja nicht um
Einzelhandelskaufleute, sondern um hochqualifizierte
Akademiker.

OK - das ist nachvollziehbar, da die Zeiten ja je Mitarbeiter anfallen.

Auch nur bei Wechselbetrieb. Den Arbeitsplatz eines Biologen
oder Maschinenbauingenieurs kannst du kaum sharen, es sei denn
Du bist in einem Fließbandbetrieb (Krankenhaus, Analyselabor)

Ich schicke voraus, dass ich Zeit meines Lebens beruflich nie mit Biologen zu tun hatte.
Dann hieße es ja im Umkehrschluss, dass ein Mitarbeiter unersetzbar ist und bei einem Todesfall seine gesamte Arbeit (überzogen dargestellt) für die Katz war.

In der Freizeit ???

Das kann man durchaus mit flexiblen Arbeitszeitkonten regeln.
Und ja, das wird letztendlich in höheren Kosten darstellbar sein, was aber durch die Flexibilität ausgeglichen werden sollte.

Weil die meisten Akademiker von der Uni nicht Fließband- oder
Sachbearbeiter sind, sonder Projekt bewältigen.

Nur meine Erfahrung im überwiegend kaufmännischen Bereich: Abgesehen davon dass die meisten Akademiker, mit denen ich zu tun hatte alles andere als unersetzbar waren, gibt es gar nicht so viele Projekte, als dass man sie nur damit hätte beschäftigen können.

Da ich in naturwissenschaftlichen Bereichen keine Erfahrung habe, kann das allerdings durchaus abweichen!

Hier wurde allerdings nach der überwiegenden Masse der Stellen gefragt - und das sind imo nicht die Akademikerstellen, die derart spezifiziert sind, dass man sie an einem Mitarbeiter persönlich festmachen muss.

VG
Guido