Warum ist das Abendblatt so schlecht geworden?

Das Hamburger Abendblatt, einst stolzes Vorzeigeprodukt der Hamburger Medienlandschaft, hat so sehr abgebaut. Miserable Formulierungen, Schreibfehler, grammatische Aussetzer - es ist ein Graus! Wie kommt das? Muss man die deutsche Sprache heutzutage nicht mehr beherrschen, um für eine Zeitung zu schreiben?

Hallo Hannes,

das Hamburger Abendblatt verfolge ich von Bayern aus nicht so sehr, aber deine
Beobachtung trifft leider auch auf viele andere Zeitungen zu. In die Medien hat
sich eine ganz erhebliche Schludrigkeit eingeschlichen. Das hat verschiedene
Gründe:

  • Das Personal ist aus Kostengründen über Jahre z.T. stark abgebaut worden. Die
    Journalisten erledigen heute vielfach Tätigkeiten allein, die früher auf mehrere
    verschiedene Personen aufgeteilt waren (Sekretärinnen, Setzer, Metteure,
    Lektoren, Gegenleser). Da rutscht Vieles durch, was sonst entdeckt worden wäre.
  • Das gute alte journalistische Prinzip, dass jeder Bericht noch von mindestens
    einer weiteren Person als dem Autor selbst gelesen werden sollte, wird nicht mehr
    immer eingehalten - unter Zeitdruck schon gar nicht. Immer häufiger ist der Autor
    der einzige, der seinen Text liest, bevor er ins Blatt kommt.
  • Die Schreib- und Sprachschwäche, die auch unter Schülern und sogar
    Abiturienten auffällt, macht vor dem Journalismus nicht halt - eine wirklich
    bemerkenswerte Entwicklung. Denn wer diesen Beruf wählt, sollte sich ja
    eigentlich auch zur Sprache hingezogen fühlen. Aber auch viele Ressortleiter und
    Chefredakteure scheinen es kaum zu merken - und können manchmal selbst kein
    gutes Deutsch.
  • Die eigene Leistung spielt im Journalismus eine immer geringere Rolle. Die
    meisten Journalisten sitzen tagein, tagaus vor ihren Bildschirmen, schauen, was
    die Nachrichtenagenturen liefern und was die Konkurrenz berichtet, verfassen
    Sekundärinformationen, machen sich aber immer seltener selbst an die Recherche
  • wiederum eine Folge des Personalabbaus und auch der häufig verhältnismäßig
    schlechten Bezahlung. Das alles geschieht in einer verbreiteten Lustlosigkeit, die
    Fehler gedeihen lässt
  • Der Beruf des Journalisten leidet unter einer Schwemme von Nachwuchs - die
    Hochschulen und Journalistenschulen spucken Semester für Semester Tausende
    von Absolventen aus - bei gleichzeitig relativ geringem Bedarf wegen der
    vielerorts abgebauten Belegschaften. Folge: Jeder ist froh, wenn er überhaupt
    einen Job bekommt, die Verlage müssen immer weniger bezahlen. Das bestätigen
    auch Methoden wie bei Gruner & Jahr, wo erst sämtlichen Redakteuren aller
    Wirtschaftsmagazine auf einen Schlag gekündigt wurde und sie sich dann neu
    bewerben konnten - zu schlechteren Konditionen. Wo aber schlecht bezahlt wird,
    da ist auch nicht gerade ein Magnet für die Besten. So kommt es, dass sich im
    Journalismus immer mehr eher schwache Leute tummeln. Die wirklich Guten, die
    sowohl recherchieren als auch schreiben können und vielleicht sogar irgendeinen
    fachlichen Background (Wirtschaft, Kultur etc.) haben, bekommt man halt nicht für
    ein Butterbrot, auch wenn viele Verlage das heutzutage glauben.
  • Nicht zuletzt verändert das Internet den Journalismus merklich. Die z.T. flapsige
    oder gar miserable Formulierung, die man aus Online-Foren kennt, verändert das
    Sprachgefühl insgesamt. Viele Journalisten finden es auch schick, in diesem Stil
    ihre Berichte zu verfassen. Gleichzeitig schielen die Verlage aufs Internet, das
    mehr und mehr zur starken Konkurrenz wird. Sie versuchen, mit Online-
    Angeboten mitzuhalten, doch die meisten von ihnen haben dafür kaum ein
    geeignetes Konzept, das über reine Ergänzungsinformationen zum jeweiligen
    Printmedium hinausgeht. Verkauft werden können Online-Berichte ohnehin nur
    selten. Aber das Online-Umfeld sorgt, ohne dass dies oft wahrgenommen wird,
    für deutliche Veränderungen auch im Sprachgebrauch.

Aber zum Trost: Es gibt auch noch gute Zeitungen. Probier doch mal die Zeit oder
die Frankfurter Allgemeine aus. Auch da gibt’s Fehler, aber sie sind seltener.
Berichte über Hamburg allerdings auch.

Viele Grüße
Lorenz

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Lieber Hannes,

leider kenne ich mich in der Zeitungszene nicht wirklich gut aus und kann leider nicht weiterhelfen.

LG, Anika

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