Erstmal Vorweg:
der Grund warum die Lage so undurchsichtig ist, ist dass weder die Militärregierung, noch die französische Armee eine freie Berichterstattung erlauben. Sogut wie alle Berichte stammen von „embedded journalists“, also Journalisten die mit der französischen Armee unterwegs sind und dadurch nicht unabhängig sind bzw. sein können.
Trotzdem gibt es einige Fakten die „feststehen“.
Wer kämpft gegen wen?
- Säkulare, separatistische Touareg (MNLA);
- eine nicht gewählte Putschisten-Regierung, die den
demokratisch gewählten Präsidenten Ahmadou Toumani
Touré gestürzt hat;
- eine „bunte Mischung“ von islamistischen Terroristen,
wie die relativ kleine Ansar-Dine (angeblich auch
Mitglieder aus Mali), MUJAO und AQMI, also „Al Qaida“
Welche anderen Staaten und Organisationen unterstützen die
Parteien?
- Die säkularen Touaregs (MNLA) haben kaum
Unterstützung von Außen, aber Rückhalt in der
nomadischen und sesshaft gewordenen Bevölkerung;
- Die Islamisten werden laut diverser Quellen, wie dem
französischen Geheimdienst von der absoluten
Monarchie Katar finanziert und vielseitig
unterstützt (http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1338…).
Außerdem wird Algerien als wichtiger
Unterstützer hinter AQMI vermutet.
- die Putschisten in der Hauptstadt haben
augenscheinlich mächtige Unterstützung von
Frankreich, England und den USA, sowie von
westafrikanischen Ländern, die unter starkem
Einfluss der gemeinsamen „ehemaligen“ Kolonialmacht
Frankreich stehen (Tschad, Togo, Burkina Faso).
Diktaturen dieser Länder bekamen stets Schützenhilfe
von Frankreich, sei es gegen demokratische oder
machtorientierte Oppositionelle.
Warum und worum?
Darüber lässt sich teilweise nur spekulieren. Aber wer viel und zwischen den Zeilen liest sieht wie die Interessenlagen sind.
Das kleine Katar finanziert weltweit Islamisten, um sich international als unumgänglicher Gesprächspartner zu positionieren. Erlauben können sie sich das, weil sie strategischer Partner von Frankreich und den USA sind, da sie religiös- und nationalitätsbedingt auf der Achse gegen den Iran stehen. Außerdem hat Katar unglaublich viel Erdgas.
Frankreich ist nach wie vor trotz Hollande nicht bereit seine politische und wirtschaftliche Vormachtstellung in seinen ehemaligen Kolonien aufzugeben. Dafür werden auch Diktaturen, in diesem Fall ziemlich frisch an die Macht gekommene Unterstützt. Neben den öffentlichen Aufträgen, Konzessionen für Rohstoffabbau und Pachtung von Infrastruktur wie Häfen und Flughäfen in diesen Ländern, ist Frankreich auch an der Finanzpolitik dieser Ländere Interessiert. Die Gemeinschaftswährung Franc-CFA hat eine feste Wechselkursbindung an den Euro (vorher an den französischen Franc). Alle Mitgliedsländer sind verpflichtet 60% ihrer Devisen und Währungsbestände in Frankreichs Zentralbank zu lagern. Damit macht Frankreich enorm viel Geld und wäre sonst wohl schon längst pleite.
Algerien hat Probleme seine hoch gerüstete Armee mit modernen Waffen zu versorgen, weil der damalige Partner Sowjet-Union weggefallen ist und die Amerikaner wegen dieser Vergangenheit ungern High-Tech liefern.
Ehemalige algerische Geheimdienstler und Soldaten sind die führenden Köpfe von AQMI (z.B. Abderrazak „El Para“). Viele Experten meinen dies sei eine Strategie um die Stimmen der „Islamisten-Jäger“ in Washington zu bewegen eine bessere Militärkooperation mit Algerien zu beginnen. (ein englischer Artikel dazu: http://mondediplo.com/2005/02/04algeria)
Was für eine Bedeutung hat der Konflikt für die betroffenen
- Die Touareg haben in der Region eine schwere
Stellung, da die Zentralregierungen von schwarzen
Volksgruppen dominiert werden. Diese haben noch
lebendige Ressentiments gegen die Touareg, weil
diese in der Vergangenheit oftmals von Viehraub und
noch früher vom Sklavenhandel lebten. Ich habe in
Niger oft gehört, dass die Touareg wegen ihrer
„razias“ verhasst sind, ebendiesen Vieh- und
Menschenraubzügen aus vorkolonialer- und
Kolonialzeit.
Auf gewaltsame Unabhängigkeitsbestrebungen der
Touareg die scheitern, folgt oft - wie nun in
Mali - blutige Reaktionen der Regierungsarmee.
Obwohl alle Volksgruppen in der Wüstenregion gleich
benachteiligt werden von der Zentralregierung,
kommen sie durch genannte Faktoren nicht über ihre
Spaltung untereinander hinweg. Das ist natürlich im
Interesse sowohl der Zentralregierung, als auch
deren Verbündetem Frankreich.
Staaten und die Region?
- Für den Staat Mali ist die Folge eine erneut
erstarkte militärische und somit politisch-
wirtschaftliche Abhängigkeit von dem „Gehilfen“
Frankreich. Der Ex-Präsident Amadou Toumani Touré
hat versucht durch Annäherung an die USA, Libyen und
China die Dominanz der Franzosen zu verwässern. Dies
wird nun Rückgängig gemacht.
- Für Region bedeutet dies ein Entwicklungshemmnis, da
die Militarisierung viel Geld kostet. Außerdem wird
auch in Nachbarländern die militärische Dominanz von
viel mächtigeren Partnern die Folge sein. Siehe z.B.
die geplante Drohnen-Basis der USA in Niger.
Welche Folgen hätte der Sieg einer Partei?
Ich halte es für ausgeschlossen, dass die Islamisten siegen, da ihr Hauptfinanzier Katar ein enger Verbündeter Frankreichs ist. Im Zweifelsfall klären das Katar und Frankreich untereinander diplomatisch.
Die Frage ist eigentlich nur, was passiert wenn die Touareg mehr autonomie bekommen, oder halt nicht.
Wenn die Zentralregierung siegt ohne Zugeständnisse zu machen, werden die Touareg wie die vergangenen Jahrzehnte weiter Guerillamäßig Widerstand leisten.
Welche völkerrechtlichen Fragen werden berührt?
Ich bin kein Jurist mit Spezialisierung auf das Völkerrecht, aber es stellt sich die Frage - wie so oft - ob ausländische Mächte überhaupt eingreifen dürfen. Denn in Bürgerkriegen dürfen Außenstehende gemäß Volkerrecht keine Partei unterstützen. Dagegen wurde von Frankreich verstoßen wie von den US-Amerikanern im Irak - die Legitimation hat man sich erst nach geschaffenen Tatsachen bei der UNO geholt (dehnbares Mandat). So fragwürdig wie in Libyen ist es zwar nicht, denn immerhin gibt man vor eine Regierung zu unterstützen, die, wenn international anerkannt, das Recht hat die Souveränität zu verteidigen. Aber Die „Übergangsregierung“ ist halt nicht gewählt.
Einzig das Argument „Islamisten auf dem Vormarsch“ diente Frankreich so zu entscheiden. Und das Pikante daran ist halt, dass die Islamisten ausgerechnet von Frankreichs Verbündetem Katar maßgeblich unterstützt werden. Ein Schelm wer sich böses denkt.
Ich hoffe ich konnte weiterhelfen und meine Antwort wurde nicht kurzfristiger benötigt.
Grüße
Manuel Abder-Aziz
P.S.: ich habe ein Jahr in Togo und eins in Niger gelebt. Meine Informationen stammen aus eigener Erfahrung und tausenden Artikeln der letzten Jahre aus Fachzeitschriften, Zeitungen und blogs (die sich auf Tatsachen beschränken) aus verschiedenen Ländern. Niemand ist komplett frei von Voreingenommenheit, aber ich gab mein bestes einen objektiven Rundumblick zu verschaffen