Warum kann man Blindstrom nicht komplett kompensie

Hallo,
ich hab gelesen, dass man Blindstrom, der in einer Spule benötigt wird um das Magnetfeld aufzubauen, mit einem Kondensator, parallel geschalten, ausgleichen kann. Das geht aber nicht vollständig, sondern in der Praxis nur ca. 95%. Warum gehen da nicht 100% zu kompensieren?
Ist es deshalb, dass man die Kapazität des Kondensators nicht unendlich groß machen kann und man deshalb immer eine kleine Gegenspannung im Kondensator erhält, die dann dafür sorgt, dass doch ein kleiner Teil vom Blindstrom ins Netz zurück fließt?

Vielen Dank für die Antwort
Tim

Standardtoleranz
Hallo Tim,

die üblichen Bauteile der Elektrik/Elektronik haben bis zu 20 % Toleranz! Da ist nichts genaues innerhalb eines kleinen Areals möglich. Über eine gesamte Industriebeleuchtung dürfte das aber wohl hinhauen.

Gruß

Stefan

Servus!
Vollständiges Kompensieren geht selbstverständlich. Mann muss nur den Schwingkreis entsprechend exakt auf die Betriebsfrequenz abstimmen.
Was für den normalen Betrieb durchaus wünschenswert wäre (jedenfalls an manchen Stellen), bringt im Fehlerfall jedoch große Probleme: der Kurzschlussstrom wird dann nur noch durch die Leistungswiderstände begrenzt. Da diese im Energieersorgungsnetz ziemlich klein sind, wird der Strom sehr groß. Um diesen Zustand zu vermeiden, vermeidet man vollständige Kompensation im normalen Betrieb. So wirkt die Netzinduktivität (teilweise) strombegrenzend …

Gruß
peherr

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo peherr,

Vollständiges Kompensieren geht selbstverständlich. Mann muss
nur den Schwingkreis entsprechend exakt auf die
Betriebsfrequenz abstimmen.

In einem sauber abgestimmten Schwingkreis treten hohe Spannungen und Ströme auf, welche wesentlich höher sind als die nach aussen hin messbaren. Die betroffenen Bauteile müssen aber auf dies Spannungen und Ströme ausgelegt werden.

Bei einem parallel-Schwingkreis gilt:
IL = IC = Q * I

Q ist die Güte, das ist ein Mass für die Durchlass-Bandbreite, bzw. Selektivität des Schwingkreises und wird vom Paralell-Widerstand bestimmt.
Praktisch können Werte für Q >100 erreicht werden (zumindest bei Filtern).

Aber schon eine Güte von 10, ergäbe konstruktiv grössere Probleme.
Bei einem 2.3kW Motor, an 230V, müssten dann die Windungen und Anschlüsse für 100A, anstatt nur 10A ausgelegt werden.

MfG Peter(TOO)

Hallo Peter(TOO),

du hast natürlich recht.
Nachdem ich mich in letzter Zeit intensiv mit der Kompensation langer Leitungen beschäftigt hatte, hab’ ich in meinem Posting wohl etwas einseitig gedacht.
Bei den Leitungen fällt im Normalbetrieb die Netz- und Bauteilbelastung nicht sooo ins Gewicht. Die großen Probleme treten da wirklich erst im Kurzschlussfall auf.

Gruß
peherr

Hallo peherr,

Nachdem ich mich in letzter Zeit intensiv mit der Kompensation
langer Leitungen beschäftigt hatte, hab’ ich in meinem Posting
wohl etwas einseitig gedacht.

Ich kenne jede Menge Leute mit langer Leitung, kannst du bei denen auch was kompensieren ? :wink:
*SCNR*

MfG Peter(TOO)
P.S. Jetzt muss ich aber aufpassen, dass mich der MOD nicht wegen „off topic“ löscht.

Vollständiges Kompensieren geht selbstverständlich. Mann muss
nur den Schwingkreis entsprechend exakt auf die
Betriebsfrequenz abstimmen.

Ok, das wären in Europa 50 Hz für die Frequenz des Schwingkreises.

Was für den normalen Betrieb durchaus wünschenswert wäre
(jedenfalls an manchen Stellen), bringt im Fehlerfall jedoch
große Probleme: der Kurzschlussstrom wird dann nur noch durch
die Leistungswiderstände begrenzt. Da diese im
Energieersorgungsnetz ziemlich klein sind, wird der Strom sehr
groß.

Ist es deshalb so gefährlich, den Blindstrom zu begrenzen, weil dadurch die Kapazität des Kondensators immer größer wird, desto mehr man an 100% Kompensation drankommen will?
Wenn dann im Motor ein Kurzschluss ist, dann würde quasi der Strom des Kondensators zusätzlich für eine Belastung sorgen, die, desto größer die Kapazität des Kondensators ist, entsprechend größer ausfällt?

Noch eine kurze Frage am Schluss: Wozu baucht man denn die aktiven Kompensationsglieder, wenn auch schon Kondensator und Spule(Motor) den Blindstrom theoretisch zu 100% kompensieren könnten?

Danke für die Antwort

.

Vollständiges Kompensieren geht selbstverständlich. Mann muss
nur den Schwingkreis entsprechend exakt auf die
Betriebsfrequenz abstimmen.

Ok, das wären in Europa 50 Hz für die Frequenz des
Schwingkreises.

Richtig. Solang du nicht eine Inselanlage anschaust, die über einen Umrichter gespeist wird. Da können alle möglichen Frequenzen eingestellt werden.

Was für den normalen Betrieb durchaus wünschenswert wäre
(jedenfalls an manchen Stellen), bringt im Fehlerfall jedoch
große Probleme: der Kurzschlussstrom wird dann nur noch durch
die Leistungswiderstände begrenzt. Da diese im
Energieersorgungsnetz ziemlich klein sind, wird der Strom sehr
groß.

Ist es deshalb so gefährlich, den Blindstrom zu begrenzen,
weil dadurch die Kapazität des Kondensators immer größer wird,
desto mehr man an 100% Kompensation drankommen will?

? Irgendwie versteh ich deine Frage hier nicht!

Wenn dann im Motor ein Kurzschluss ist, dann würde quasi der
Strom des Kondensators zusätzlich für eine Belastung sorgen,
die, desto größer die Kapazität des Kondensators ist,
entsprechend größer ausfällt?

So kann man es sagen ja.
Zum Thema Kompensation von Motoren hat ja Peter(TOO) eine ganz gute Erklärung geliefert. Ziel ist hier, das speisende Netz von der Blindleistung zu befreien, so dass dieses (fast) nur noch Wirkleistung liefern muss. => geringere Netzbelastung, höhere Belastung im Motor und Kompensationsanlage.

Ich war bei meinem Posting gedanklich bei der Kompensation von langen Übertragungsleitungen (Spannungsabfall an der Längsinduktivität einer Leitung). Hier will man über die Kompensation erreichen, dass mehr Leistung über die Leitung übertragen werden kann. Die höhere Netzbelastung nimmt man gern in Kauf (je nach Netz ist dieses ja sogar extra für größere Leistungen ausgelegt).
Die Probleme hier kommen erst im KS-Fall, wo der gesamte Strom dann zu groß wird, um noch beherrscht zu werden.

Noch eine kurze Frage am Schluss: Wozu baucht man denn die
aktiven Kompensationsglieder, wenn auch schon Kondensator und
Spule(Motor) den Blindstrom theoretisch zu 100% kompensieren
könnten?

In Abhängigkeit von der Belastung (Drehmoment und Drehzahl am Motor, Strom in der Leitung) variiert der Blindleistungsbedarf der Komponenten/Anlagen. Mit aktiven Kompensationsanlagen (FACTS - http://en.wikipedia.org/wiki/Flexible_AC_transmissio…) kann schnell direkt auf den aktuellen Bedarf reagiert werden und die Kompensation angepasst werden. Diesen Vorteil erkauft man sich aber typischerweise mit mehr Oberschwingungen im Netz.

Übrigens: wird die Kapazität zu groß, überkompensierst du das System. Das ganze Ding wirkt dann nicht mehr induktiv oder evtl sogar ohmsch (volle Kompensation), sondern kapazitiv. Auch hier gibt’s einige Fälle, wo das gewünscht wird, und auch einige neue Probleme ergeben sich dadurch.
Die vollständige Kompensation ist bei weitem keine Obergrenze, wie du dir das meiner Meinung nach vorstellst.

Gruß
peherr

Ist es deshalb so gefährlich, den Blindstrom zu begrenzen,
weil dadurch die Kapazität des Kondensators immer größer wird,
desto mehr man an 100% Kompensation drankommen will?

? Irgendwie versteh ich deine Frage hier nicht!

Was ich fragen wollte ist, dass, je besser der Schwinkreis abgestimmt ist, der Strom umso höher wird der im Kurzschlussfall fließt, weil die Kapazität des Kondensators dann immer größer wird, ja perfekter der Schwingkreis arbeitet und man deshalb aus Sicherheitsgründen nur 95% kompensiert.

Moin,
WARUM WIRD KOMPENSIERT?

* Um Blindstromkosten, die von den meisten Energieversorgungsunternehmen berechnet werden, einzusparen.
* Um elektrische Einrichtungen wie Leitungen, Schaltorgane, Trafos, Generatoren vom Blindstrom zu entlasten.
* Um im günstigen Fall Kosten für eine neue Zuleitung oder die Anschaffung eines neuen Trafos einzusparen.
* Um den eigenen Generator wirtschaftlicher auszunutzen, d. h. möglichst wenig Fremdenergie zu beziehen.

WO WIRD KOMPENSIERT?

* Direkt am Motor, wenn der Motor eine gute Ausnutzung hat, d. h. eine lange Einschaltzeit.
* Am Transformator, wenn eine hochspannungsseitige Messung erfolgt.
* Vorschaltgeräte von Leuchtstofflampen, wenn viele Verbraucher mit unterschiedlichen Laufzeiten und kleinem Gleichzeitigkeitsfaktor in der Anlage betrieben werden müssen.

Hier mal etwas Hintergrund-Infos von einem Hersteller:

Ihrem Spezialisten für Blindleistungs-Kompensation, Energie-Management und Power Quality.
(PDF) Handbuch der Blindleistungs-Kompensation
http://www.frako.de/Site/WWW_FRAKO_DE/Download/Downl…

 AUSZUG:
Üblicherweise werden nur dann Kosten für die Blindarbeit berechnet, wenn diese 50% der Wirklast überschreitet. 
Dies entspricht einem Leistungsfaktor von cos φ = 0,9. 
Es besteht nicht die Forderung, daß der Wert 0,9 niemals unterschritten werden darf. 
Als Basis gilt der Leistungsfaktor im Monatsmittel. 
In manchen EVU-Bezirken werden auch andere Leistungsfaktoren gefordert, z.B. 0,85 oder 0,95.

Vielen Dank für die Antwort
Tim

mfg
W.

Hallo Tim,

ich hab gelesen, dass man Blindstrom, der in einer Spule
benötigt wird um das Magnetfeld aufzubauen, mit einem
Kondensator, parallel geschalten, ausgleichen kann. Das geht
aber nicht vollständig, sondern in der Praxis nur ca. 95%.
Warum gehen da nicht 100% zu kompensieren?

Zunächst einmal würde eine ideale Kompensation per Kondensator einen absolut konstanten Blindstrom voraussetzen, was in der Praxis selten der Fall ist.
Mit einem Kondensator kannst Du außerdem nur sinusförmige Blindströme kompensieren. In Der Praxis sind die Blindströme aber nie ganz sinusförmig. Das liegt z.B. an der Magnetisierungskennlinie des Eisenkernes, am Endverbraucher (z.B. Leuchtstofflampe) und nicht zuletzt an der Netzspannung selbst, die auch nie ganz „glatt“ ist. Im Idealfall ist der Kondensator mit der Spule auf eine Resonanzfrequenz von 50 Hz abgestimmt. Dann ist zumindest die Grundwelle des Blindstromes kompensiert. Die Oberwellenanteile des Blindstromes lassen sich so aber nicht kompensieren. Das geht dann nur mit aktiven Netzfiltern (PFC).

Jörg