Warum keine Orgel in Synagoge?

Hallo Wissende,

ich recherchiere gerade zur 1938 zerstörten Synagoge in Düsseldorf. Dabei lese ich immer wieder, dass es in dieser Synagoge eine Orgel gab, was sehr progressiv war, und was der Grund war, dass viele ostjüdische Zuwanderer diese Synagoge nicht besuchten.

Frage: Warum haben orthodoxe Juden ein Problem damit, wenn es eine Orgel in der Synagoge gibt?

Schöne Grüße

Petra

Hallo Petra,

ich recherchiere gerade zur 1938 zerstörten Synagoge in
Düsseldorf. Dabei lese ich immer wieder, dass es in dieser
Synagoge eine Orgel gab, was sehr progressiv war,

Orgeln gab es im nicht-orthodoxen also liberalen Spektrum des
deutschen Vorkiegsjudentums in den letzten 200 Jahren, allerdings nicht durchgängig.
In der Synagoge Rykestrasse konnte sich die Gemeinde beim Bau der Synagoge nicht einigen, deshalb ließ man Platz für eine Orgel, dass
bei einer potentiell anderen Entscheidung, diese später eingebaut werden könnte.

und was der
Grund war, dass viele ostjüdische Zuwanderer diese Synagoge
nicht besuchten.

Das lag nicht nur an der Orgel allein, sondern an der Veränderung der Liturgie im liberalen Spektrum (Kürzung bei Gebeten, teilweise Verwendung der Landessprache …)

Frage Warum haben orthodoxe Juden ein Problem damit,
wenn es eine Orgel in der Synagoge gibt?

Abgesehen von der Trauer um die Zerstörung des Tempels in Jerusalem spielt auch eine Rolle, daß Instrumente eine gewisse Pflege / Wartung braucehen und dies mit dem Gebot der Schabbatruhe, das schließt das Nichtarbeiten ein, kollidieren kann.

In Berlin gibt es in der Synagoge Pestalozzistraße eine Orgel und einen Chor, denn dort will man die musikalische Vorkriegstradition der liberalen Synagoge in der Oranienburger Straße weiterführen.
Das ist insofern kurios, weil die Pestalozzistraße in Vorkriegszeiten eine orthodoxe war.

In der Oranienburger Straße gibt es heute keine Orgel. Ich kenne auch sonst keine liberale Synagoge in Deutschland die eine solche im Rahmen des G-ttesdienstes nützen würde.

Mehr Infos findest Du auf den Seiten des Europäischen Zentrums für jüdische Musik in Hannover:
http://www.ezjm.hmt-hannover.de/

Viele Grüße

Iris

Danke und Zusatzfrage (jetzt erst eingefallen …
Hallo Iris,

danke für die schnelle Antwort.

und was der
Grund war, dass viele ostjüdische Zuwanderer diese Synagoge
nicht besuchten.

Das lag nicht nur an der Orgel allein, sondern an der
Veränderung der Liturgie im liberalen Spektrum (Kürzung bei
Gebeten, teilweise Verwendung der Landessprache …)

Diesen Grund haben meine Quellen doch glatt unterschlagen.

In Berlin gibt es in der Synagoge Pestalozzistraße eine Orgel
und einen Chor, denn dort will man die musikalische
Vorkriegstradition der liberalen Synagoge in der Oranienburger
Straße weiterführen.
Das ist insofern kurios, weil die Pestalozzistraße in
Vorkriegszeiten eine orthodoxe war.

Cool! … Ich mache im Sommer in Berlin Praktikum, da werde ich fragen, ob ich dort einmal an einem G’ttesdienst teilnehmen darf.

Ah so, ja. Jetzt meine Zusatzfrage.

Ist es eigentlich ok, von „jüdischer Liturgie“ zu sprechen, oder gehört dieses Wort in den christlichen Bereich? Und stimmt das überhaupt, was ich hier schreibe?

„Die Eröffnungsfeier der Synagoge fand am 6.9.1904 statt, das war drei Tage vor „Erev Rosh haShana“, dem Vorabend des jüdischen Neujahrsfest, [das zu den drei wichtigsten Festen der jüdischen Liturgie gehört.]“

Schöne Grüße

Petra

P.S. Wir bereiten eine Stadtführung vor, und ich habe mir die zerstörte Synagoge in der Kasernenstraße ausgesucht. Es ist sehr interessant, darüber zu recherchieren - aber der Standort könnte nicht schlechter sein! Es gibt nur dieses winzige Papiermodell zu sehen und den Gedenkstein, dazu hat man Verkehrslärm, und das nicht zu knapp. … Bin ja mal gespannt, wie das wird.

Hi,

„Die Eröffnungsfeier der Synagoge fand am 6.9.1904 statt, das war drei Tage vor „Erev Rosh haShana“, dem Vorabend des jüdischen Neujahrsfest, [das zu den drei wichtigsten Festen der jüdischen Liturgie gehört.]“

„Lithurgie“ nennt man all das Geschehen um den Gottesdienst selber, also z.B. den Ablauf bestimmter Rituale zur Gottesanbetung.
In deinem Satz müsste also eher stehen: „…das zu den wichtigsten Festen des jüdischen Jahres gehört…“
Sonst wäre Rosh haShana ja ein Teil des Gottesdienstes und nicht andersrum.

Aber WENN man vom Ablauf des jüdischen Gottesdienstes spricht nennt man das tatsächlich Lithurgie.

Gruß
Nick H

Falsch ist selten richtig

„Lithurgie“ nennt man all das Geschehen um den Gottesdienst …
Aber WENN man vom Ablauf des jüdischen Gottesdienstes spricht
nennt man das tatsächlich Lithurgie.

Ziemlich sicher schreibt sich auch die jüdische Liturgie ohne h, da der griechische Wortstamm mit tau und nicht mit theta geschrieben wird.

Gruß, Martinus

Jerusalem spielt auch eine Rolle, daß Instrumente eine gewisse
Pflege / Wartung braucehen und dies mit dem Gebot der
Schabbatruhe, das schließt das Nichtarbeiten ein, kollidieren
kann.

Warum sollte die Orgel ausgerechnet am Feiertag gerichtet werden? Oder zählt das Spielen im Gottesdienst auch als Arbeit?

Martinus

Servus und guten Morgen,

Oder zählt das Spielen im Gottesdienst auch als
Arbeit?

Das, sowie das Thema Orgel waren schon früh Thema von Für und Wider:

http://books.google.at/books?id=OErAYuJdfIAC&pg=PA33…
http://books.google.at/books?id=CBcVAAAAYAAJ&pg=PA52…
http://books.google.at/books?id=Y4sGPp2GbHUC&pg=PA15…

Schönen Gruß aus Wien, jenny

Hallo.

Frage: Warum haben orthodoxe Juden ein Problem damit,
wenn es eine Orgel in der Synagoge gibt?

Dafür gibt es mehrere Gründe:

  • Muktze (Verboten zu Benutzen, Berühren und Zuzuhören) an Schabbat und Feiertagen
  • Verbot von Musikinstrumenten bei Gebet (Trauer um Tempelzerstörung)
  • Änderung der Liturgie (keine Musik vorgesehen)
  • Verbot eines „fremden Dienstes“ (Übernahme vom Christentum)

und aus diesen Gründen folgen dann noch weitere Probleme.

Gruss,
Eli

PS. In der orthodox geführten Hauptsynagoge steht noch heute eine (gewartete) Orgel, da die Synagaoge vor der Shoa liberal war.

Hallo.

Oder zählt das Spielen im Gottesdienst auch als Arbeit?

Nein, aber Musikinstrumente sind Muktze und somit ist hierdurch das Spielen wie auch nur Berühren oder Bewegen am Schabbat verboten. Hierbei fallen Musikinstrumente in eine unklare Kategorie, da dieses Verbot auf anderen Ableitungen basiert u.a. auf dem Tempeldienst und dem Schofar (Muktze da für Mitzwe (Gebot) gebraucht). Insgesamt ist das Thema recht komplex.

Gruss,
Eli

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