Warum können Schweizer teilweise kein Englisch?

Hallo ihr Lieben,
meine Freundin und ich haben vor ein paar Tagen eine Gruppe Schweizer kennengelernt, von denen nur einer ansatzweise Englisch sprechen konnte. Die restlichen Schweizer konnten wenn überhaupt „How are you“ sagen, ihr Englisch war wirklich eine totale Katastrophe. Man muss dazusagen, dass es alles junge Männer Mitte 20 waren, was das schockierende an der ganzen Sache war. Sie sagten, sie kommen aus dem französischen Teil der Schweiz, Französisch konnten sie daher perfekt - nur leider alle anderen gängigen Sprachen nicht. Wisst ihr woran das liegt? Ist das in diesem Teil der Schweiz vielleicht anders als bei uns, wo Englisch als erste Hauptsprache gelernt wird?

Mister Sänggjufordräwweling

Servus,

wie in der CH ist in einer Reihe europäischer Länder Drei- bis Viersprachigkeit normal; dass man auf ein oft genug äußerst mittelprächtiges Englisch, grade mal eine einzige Fremdsprache, so sehr stolz ist, scheint mir eine besondere deutsche Marotte.

Schöne Grüße

MM

Hallo Nadine,

was sind „alle anderen gängigen Sprachen“?

In der Schweiz gibt es VIER amtsprachen. Neben der eigenen Sprache (und für schweizerdeutsche Kinder ist das in der Schule gelehrte Hochdeutsch bereits so gut wieeine Fremdsprache) lernen sie zwei der drei anderen Sprachen, also französich und italienisch und, je nachdem, wo sie wohnen, rätoromanisch. Und meist kommt dann ab etwa 13, 14 Jahren Englisch dazu, aber das ist beim Spracherwerb halt relativ spät es ist dann immerhin die dritte oder gar vierte oder fünfte (wenn man Hochdeutsch mitrechnet) Fremdsprache.

Nebenbei - die Schweizer, die ich kenne sprechen alle Englisch auf etwa dem gleichen Niveau wie viele Deutsche auch, oft mit schweizer Zungenschlag, aber durchaus akzeptabel.

Grüße
Siboniwe

Hallo

ja, es ist in der ganzen Schweiz anders, dort ist englisch fast nie erste Fremdsprache (bzw. es steht dauernd in der Diskussion).

Die erste Fremdsprache ist meist eine andere Landessprache und englisch lernt man dann später erst als zweite Fremdsprache. Das hat damit zu tun, dass man den Zusammenhalt des Landes fördern will - es soll nicht vorkommen, dass sich Schweizer untereinander nicht verstehen. Die Mehrsprachigkeit ist eine grosse Herausforderung und verlangt viel Fingerspitzengefühl, sonst kann sie Grund für Spaltungsbewegungen sein (siehe Belgien) - in Deutschland mit nur einer Sprache ist das nur schwer nachzuvollziehen.

Wer nicht auf dem Gymnasium war, hat in der Schweiz deshalb meist nur ein, zwei Jahre englisch hinter sich - jüngere teilweise - je nach Kanton - mehr, ältere eher gar nicht.

Westschweizer (= Romands = Muttersprache französisch) lernen als erste Fremdsprache zwar meist deutsch (selten italienisch) - aber sie können es nicht so gut anwenden, da die Deutschweizer ja Mundart reden - ihnen fehlt die praktische Anwendung. Wenn sich Romand und Deutschschweizer treffen, wird meist französisch gesprochen. Eure Romands hatten sicher mal deutsch in der Schule gehabt, aber sich nicht zugetraut, dies zu versuchen.

Und auch bei der ersten Fremdsprache hängt es davon ab, wie lange jemand die Schule besucht hat, ein deutscher Hauptschüler, der - je nach Bundesland - 3-5 Jahre englisch hatte, spricht auch logischerweise meist schlechter englisch (sofern er nicht ein spezielles Faible dafür hat), als ein deutscher Gymnasiast, der bis zu 7 Jahre hinter sich hat.

Und generell gilt: Wer eine Fremdsprache nach dem Ende der Schulzeit nicht mehr braucht, hat sie ganz schnell wieder vergessen, vor Allem wenn man nur wenige Jahre Unterricht hatte.

Gruss, Sama

Man muss doch auch sagen, dass es viele Deutsche gibt, die keine Englisch sprechen und verstehen… Ist leider auch so.

Servus,

sie zielen genau auf Deine Frage. Diese ist auf der Grundlage einer durch nichts untermauerten Hypothese gestellt. Du fragst nach dem Grund für ein Phänomen, das Du selber erfunden hast - wenn tatsächlich weniger Schweizer mit vergleichbarer Bildung kaum Englisch könnten als z.B. Deutsche, Franzosen und Italiener, wäre die Frage nach dem Grund überhaupt erst sinnvoll.

Schöne Grüße

MM

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Grundlagen Statistik

Servus,

fällt Dir auf, dass dieses:

daraus zu schließen:

methodisch ziemlich katastrophal ist?

Vielleicht wird das mit einem konkreten Beispiel deutlicher:

Hier vor dem Fenster ist ein Parkplatz, auf dem erst drei Autos stehen. Zwei davon sind silbermetallic lackiert, eines schwarz. Wenn ich daraus jetzt schließe:

„Anscheinend gibt es in Deutschland keine roten und blauen Autos“

wo liegt dann mein Fehler?

Schöne Grüße

MM

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Hallo
Ich bin Schweizer mit Jahrgang 1950.
Damals – also in den 1950er- und 60er-Jahren – gab es in den 4 Jahren Primarschule keine Fremdsprache (ausser Standarddeutsch) im Lehrplan.
Im Humanistischen Gymnasium gab es in der ersten Klasse (Alter 11 Jahre) sieben Wochenstunden Latein – als erste Fremdsprache!
In der 2. Klasse kam Französisch dazu.
Ab 4. Klasse dann noch Altgriechisch.
Englisch gab es etwa ab 7. Klasse, also 2 Jahre vor der Matur (= Abitur)!
Und ich bin nicht einmal sicher, ob das ein Wahlfach war, also kein obligatorischer Unterricht.

Das weiss ich nicht mehr genau, weil ich selber das Gymnasium vorzeitig verlassen habe, um eine kunstgewerbliche Richtung zu wählen.
Mein Englisch habe ich an der Berufsschule in einem Freifach (zwei Wochenstunden) gelernt. Wen wundert, dass es dürftig geblieben ist?
scalpello

Hallo,
die Erklärung warum Schweizer evtl nicht ganz so gut Englisch sprechen hast Du bekommen.
Aber selbst in den ehemaligen neuen Bundesländern gibt es einen Unterschied, denn deren erste Fremdsprache war früher Russisch. Erst die Zweite war evtl Englisch.
Wir mussten in unserer Firma aufgrund globaler Vernetzung unsere Firmen-Sprache auf englisch umstellen und damit tun sich die Kollegen entsprechend schwer…meine zweite Fremdsprache ist Französisch aber wirklich unterhalten kann ich mich mangels Übung nicht wirklich.

Grüße
Mau

Hallo Sama,

kleine Korinthenkackerei scharf am Topic vorbei: ein deutscher Abiturient hat, wenn Englisch seine erste Fremdsprache ist, auf dem Gymnasium 9 Jahre Englisch hinter sich, ein Hauptschüler meist 5 (vorausgesetzt, dass Englisch ab der 5. gelernt wird - meist wird aber, wenn auch recht spielerisch, bereits ab der 3. inzwischen Englisch gelehrt).

Gruß
Siboniwe

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Danke für eure Antworten! Ich habe mich nur gewundert, dass Englisch als die Weltsprache einen scheinbar nicht so hohen Wert hat in der Schweiz.

Eine Möglichkeit:
Wenn du schon mal dich in Frankreich umgesehen hast, dort sprechen auch weniger Leute Englisch. Man müßte eine Statistik dazu finden können.
In Frankreich sagt man sich eben: Englisch? Französisch ist doch Weltsprache.
Und Französisch wird ja auch viel gesprochen auf der Welt. Grad in Afrika.

So und jetzt kanns sein, daß es auch in anderen Ländern oder Regionen so ist, wo Französisch dominiert.

und was ist das Resultat? Auch approximative 90% der Deutschen können kein oder kein adäquates Englisch (eines, mit dem längere Kommunikation möglich ist). Fast 50% der Deutschen können ja noch nicht einmal ihre Primärsprache (= Standarddeutsch). Es soll auch gerüchteweise Leute südlich der Speyerer Linie geben, die nur ihren lokalen Slang können und deshalb rausposaunen „Wir können alles außer Hochdeutsch“ :smiley: (wobei sie allerdings nicht wissen, dass sie im eigentlichen Sinne Hochdeutsch sprechen, nur halt nicht Standarddeutsch) … Dass man dort allerdings auch kein Englisch kann, kann man den Videos dieses „typischen“ Exemplars entnehmen:

oder war das jetzt auch pars-pro-toto?

Butter bei die Fische

So, jetzt hat es mich doch interessiert. Freilich muss man bei jeder Studie auch berücksichtigen, wie sie erstellt worden ist, und das habe ich nicht getan, aber mehr Aussagekraft als das Auszählen eines Clusters, der nicht nur wegen seines Umfangs ungefähr das Gegenteil von repräsentativ wäre, wenn es so ein Gegenteil gäbe, hat sie allemal.

Die EF-Studie zu Englischkenntnissen im internationalen Vergleich zeigt, dass die Englischkenntnisse in der Schweiz vergleichbar mit dem ebenfalls teils romanischsprachigen Belgien sind und von den rein romanischsprachigen Ländern nur Rumänien „vor“ der Schweiz liegt.

Insgesamt wird deutlich, dass Englisch als letztlich auch bloß ein Dialekt aus dem Kreis der germanischen Sprachen - wie zu erwarten ist - von Muttersprachlern aus dem germanischen Sprachraum leichter zu erlernen ist als von Muttersprachlern der weniger nahe verwandten romanischen Sprachen. Keine Überraschung.

Finnen und Polen tanzen mal wieder aus der Reihe - auch das ist keine Überraschung.

Hier ist das „Ranking“: http://www.ef.de/epi/

Schöne Grüße

MM

Da trifft einer 5 oder 10 Schweizer und stellt alsbald fest, dass „die“ Schweizer kein Englisch können.
Wie ich doch solche Beurteilungen „liebe“. Warum ich das gerade hier schreibe?

Nun (Zitat): „Fast 50% der Deutschen können ja noch nicht einmal ihre Primärsprache (= Standarddeutsch).“ Wer definiert, was „Primärsprache“ ist? Und von wegen „rausposaunen“ (Zitat): „Es soll auch gerüchteweise Leute südlich der Speyerer Linie geben, die nur ihren lokalen Slang können und deshalb rausposaunen „Wir können alles außer Hochdeutsch“ smiley (wobei sie allerdings nicht wissen, dass sie im eigentlichen Sinne Hochdeutsch sprechen, nur halt nicht Standarddeutsch) [Anm.: hier hat der verfasser recht], die nur ihren lokalen Slang können und deshalb rausposaunen ‚Wir können alles außer Hochdeutsch‘“.

Ich könnte ja jetzt sagen, wer seine „nö“ und „nich“ und „wat“ u.v.a. für Standarddeutsch hält, soll das tun. Aber er irrt sich damit. Die Mundarten (egal ob nord- oder mittel- oder süddeutsch) sind allemal älter, ehrwürdiger und authentischer als das sog. Standarddeutsch. Und nur einer, der sie nicht kennt, kann sie mit „lokalem Slang“ herabwürdigen.

weidag

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Jura ist zweisprachig genau wie Wallis, Fribourg, Neuchâtel, teile vom Waadtland etc.
In diesen Kantonen kommst du Ganz schnell an deinen Grenzen.
Du denkst du seist im Wallis (sagen wir mal Zermatt, Brig etc.). Reist weiter und in Sion musst du tanken. Der Garagist, wenn du glück hast, wird dich verstehen, sonst kommt „Pardon, je ne compras pas“.
So ist es auch in den anderen Kantonen.
Cg

Servus,

bist Du sicher, dass in der CH Französisch dominiert? Ich glaube, im Kanton Jura gibt es da andere Ansichten.

Schöne Grüße

MM

Damals war Englisch schon etwas besonderes wenn nicht gleich „was exotisches“.
1962 bot die Berufsschule in Lugano kostenlose Englischkurse an!
Ich hatte 4 Stunden, durfte aber vom Patron aus nicht mehr daran teilnehmen, weil ich das letzte Schiff nach Bissone verpasste und der letzte Zug nach Melide auch weg war. Also Autostopp in Paradiso.
Gesehen von einem Kunde, gemeldet beim Patron, der das Verbot aussprach. (Es war um 19:30 Uhr und mein freier Tag!).
Da ich ab dann um 19:00 Uhr im Betrieb sein musste und mich beim Patron melden musste, war mein Englischkurs somit erledigt.

Mir reichten, bis heute, die 4 Landessprachen und das „a Little bit“ Englisch um durchs Leben zu kommen.
Cg

Servus,

Deine Einlassung? Nö, die war schlicht brunzdumm. Aber das macht nichts.

Schöne Grüße

MM

danke für deine antwort!