Warum lagen früher viele Bauplätze in den Städten jahrzehntelang brach?

Ich habe alte Stadtpläne meiner Stadt (Stuttgart) mit einem von heute verglichen und mir fiel auf, dass ein größeres Areal/Grundstück jahrzehntelang nicht bebaut wurde. Bereits vor dem 1. Weltkrieg war es eine Brachfläche, ebenso blieb sie es in der Zwischenkriegszeit und auch nach dem 2. Weltkrieg so. Es standen höchstens ein paar Barracken darauf und ansonsten bestand alles nur aus Wiesen, Hecken und Bäumen. Erst Anfang der 1990er wurde das Gebiet dann bebaut, u.a. kam dann das Haus auf diesen Platz, das ich fast die gesamten 90er lang bewohnte. Wie kam es dazu, dass man erst ab den 90er viele Flächen bebaute/versiegelte und bis in die 1980er Jahre selbst innerstädtisch viele Flächen unberührt blieben, obwohl doch besonders in diesen Bereichen Bauplätze sehr begehrt sind?

Müsste man sich mal konkret ansehen. Wem gehörten die Grundstücke, durften sie damals schon bebaut werden. Wenn nicht, welche Gründe gab es dafür?
Erinnere mich z.B. dnkel daran, dass es mal eine Diskussion darüber gab (und bestimmt noch gibt), dass die Stadt aufgrund ihrer Kessellage ein bißchen Frischluftzufuhr braucht. Es gab praktisch Schneisen über die Luft in die Stadt fließen kann und des Luftaustausch vorantreibt. Bebaut man die, dann wird diese Frischluftzufuhr behindert, erschwert. Irgendwann gewann dann vielleicht Gier über Verstand und diese Schneisen wurden zugebaut.

Hallo

Ob irgendwo gebaut wird oder nicht hat etwas mit dem Bevölkerungsdruck zu tun.

Erst mal stellt sich die Frage nach den Besitzverhältnissen - wem gehörte das Land. Gab es Uneinigkeit bei den Erben (oder waren diese nach dem Krieg nicht mehr zu finden) oder war das Land seit jeher städtisch und man wollte es für etwas bestimmtes freihalten.

Und ansonsten:

War das Bauland in der Stadt damals wirklich so begehrt bzw notwendig? Innenstadtlage war nach dem Krieg nicht gerade der begehrteste Wohnraum - manche Innenstädte waren bis in die 70er sogar recht angegammelt und wer es sich leisten konnte, zog weg.

Stuttgart hatte in den 60ern zwar mehr Einwohner als heute, aber die Ansprüche sind seitdem deutlich gestiegen. Die durchschnittliche Wohnfläche einer einzelnen heutigen Person langte in den 60ern noch für eine Familie - deshalb stehen die unverbauten Flächen in allen Städten heute massiv unter Druck.

Gruss, Sama

Das Gebiet liegt im Stuttgarter Norden, in der Nähe zum Pragfriedhof an der Heilbronner Straße. Die Heilbronner Straße war bis nach dem Zweiten Weltkrieg und bis zum Beginn des Automobil-Booms lange noch nicht so stark befahren, wie ab den 60er/70er-Jahren. Ich weiß nicht, wie es damals mit einer Frischluftschneise dort aussah, die offen gehalten werden musste. Ich könnte mir das nur so erklären, dass damals die Luft aus Richtung Pragsattel/Pragstraße/Rosenstein den Bereich der Heilbronner Straße/Pragfriedhof hinunter Richtung Innenstadt zog und man den Innenstadtkessel dadurch nicht blockieren wollte. Eine andere Erklärung fällt mir nicht ein, denn später wurde das Gebiet stark besiedelt und zeichnet sich auch heute noch durch eine dichte Besiedelung aus.

Servus,

im beschriebenen Bereich, eigentlich überall zwischen Hbf und Nordbahnhof, ist es gut möglich, dass bedeutende Flächen für Nutzung durch die Eisenbahn in Reserve gehalten wurden, sei es für Bahnanlagen im Zusammenhang mit dem Bw, sei es für „irgendwann“ zu errichtende Güter- oder Postumschlagstellen oder auch für früher stark schienenorientierte Betriebe wie Schlachthäuser oder sowas.

Mit dem rasanten Niedergang des Schienenverkehrs nach dem letzten Aufbäumen mit dem „Leber-Plan“ und der verpassten Chance der bereits serienreifen automatischen Mittelpufferkupplung ab etwa 1973 wurden solche Flächen obsolet, weil klar war, dass auch künftig die Maxime im Verkehr sein würde, so schnell und so viel wie möglich Diesel zu verbrennen, wegen des mittelfristig drohenden Überangebots ;-).

Mit den schon lang vor Konkretisierung von „Stuttgart 21“ diskutierten Ideen, wie man von dem Kopfbahnhof wegkommen könnte, und der Verlagerung der betrieblichen Bedeutung im Güterverkehr hin zu dem Durchgangsbahnhof Kornwestheim war es dann eh klar, dass die (nur eine spekulative Vermutung!) vielleicht für die Eisenbahn und damit verbundene Betriebe reservierten Flächen „frei“ vermarktet und bebaut werden könnten.

Für mich war es übrigens gleich beim Nordbahnhof, ich glaube zwischen Heilbronner und Nordbahnhofstraße, beim Anflug auf den Hbf immer ein Genuss, am Fenster das geheime Wahrzeichen von Stuttgart zu sehen, an dem man leicht erkennen konnte, wo man da hinkam: Das Gebäude und Gelände von Altpapier Pfleiderer.

Schöne Grüße

MM

1 Like

Altpapier Pfleiderer kenne ich noch. Lang, lang ist’s her… Der Bereich, von dem ich schreibe, befindet sich übrigens direkt angrenzend an der Bahnlinie der Gäubahn, die ab ungefähr diesem Punkt beginnt, die Innenstadt zu umfahren. In unmittelbarer Nachbarschaft befand sich das Bürgerhospital. Genauer gesagt ist das Areal gemeint, wo der Spar- und Konsumverein Stuttgart von 1928 bis 1932 das Fabrikgebäude errichtete, also in der Friedhofstraße. Später hatte die Großbäckerei Breuninger dort seine Produktionsstätte. Auf alten Plänen ist zu erkennen, dass die dichte Bebauung bis etwa zum Beginn der 20er Jahre direkt dort aufhörte. Die Heilbronner Straße gab es in ihrem heutigen Zustand so noch gar nicht. Damals hieß sie noch Bahnhofstraße. Sie endete mehr oder weniger an dem Abzweig zum Weg, der in West-/Ostrichtung den Pragfriedhof durchquert.