Wie schon erwähnt war 1989 eigentlich jedem klar, welches Ende die DDR nehmen würde. Klar gab es ideologische Hardliner, aber in Summe konnte man davor die Augen nicht mehr verschließen.
Es ist imho sehr fraglich, ob die NVA 1989 auf die eigene Bevölkerung geschossen hätte und im (für die Regierung) schlimmsten Fall hätte sie sich sogar solidarisiert. Wenn man sich ähnliche Situation wie den Prager Frühling oder den Ungarischen Volksaufstand anschaut, sieht man ja, dass hier ausländische Truppen des Warschauer Pakts gegen die Bevölkerung vorging.
Die NVA wurde 1989 zwar im Inneren eingesetzt, aber nur zum Schutz von Objekten und ähnlichem. Man kann also vermuten, dass sich die DDR der Risiken bewusst waren. Ein Fall, in dem Soldanten der NVA ein mögliches Vorgehen verweigerte, ist mir aus Leipzig bekannt:
Nachdem die Sicherheitskräfte an diesem Tag in der Leipziger Innenstadt nicht gegen die Demonstration eingriffen (sie hatten lediglich den Befehl zur Eigensicherung im Falle gewaltsamer Angriffe erhalten), konnte sich der Demonstrationszug um den Leipziger Innenstadtring friedlich entwickeln.
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Die Entscheidung war allerdings auf Leipziger Ebene gefallen und hing wohl auch mit Fällen von Gehorsamsverweigerung bei den verschiedenen Sicherheitskräften zusammen: Der amtierende 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung und Vorsitzende der Bezirkseinsatzleitung Helmut Hackenberg hatte sich mit einer Lagebeschreibung nach Berlin gewandt, erhielt aber erst lange nachdem sich die Demonstration aufgelöst hatte, eine hinhaltende Antwort von Egon Krenz. Da sie nicht die Verantwortung für das drohende Blutbad übernehmen wollten, trafen zwischenzeitlich Hackenberg als politisch Verantwortlicher und der Leipziger Polizeipräsident (zugleich zuständig für die Kampfgruppen der Arbeiterklasse) BDVP Generalmajor Gerhard Straßenburg als Einsatzleiter die Entscheidung zum Rückzug der Kräfte, unter dem Vorbehalt der Eigensicherung.
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Ein großer Teil dieser ca. 1.200 Unteroffiziersschüler weigerte sich, gegen Bürger der DDR vorzugehen, und machte den Unwillen sogar mit Transparenten aus Bettlaken deutlich. Der Marschbefehl wurde daraufhin nicht erteilt.
Es wäre 1989 auch unmöglich gewesen, ein blutiges Niederschlagen im großen Stil zu verheimlichen und im allerbesten Fall wäre es wohl nur zu einem zeitlichen begrenzen Aufschub gekommen.
Erstens sind die Bürger in solchen Situation oft gar nicht so unbewaffnet und zweitens ist die Geschichte voll von Beispielen wie zB die Rumänische Revolution (ebenfalls 1989), wo ein totalitäres Regime von der eigenen Bevölkerung abgesetzt wurde. Natürlich gibt es auch Beispiele für das Gegenteil wie zB das Tian’anmen-Massaker. Aktuell lohnt sich ein Blick nach Hong Kong, wo sich eine ähnliche Situation anbahnen könnte.
LG