Warum 'Maus' nicht mit 'ß'?

Hallo!
Nach den gültigen, überarbeiteten neuen Rechtschreibregeln von 2006 wird bei [s] (stimmloses, scharfes s) ein ß geschrieben, wenn es
a) auf einen langen Vokal oder
b) auf einen Diphthong folgt

Beispiele: Spieß, Spaß, Strauß usw.

Warum werden dann die Wörter Haus, Maus, aus, raus, Laus aber auch tendenziös nicht mit ß geschrieben? Kann mir jemand die diesen Fällen zugrunde liegende Regeln verraten?

Um Ausnahmen kann es sich nicht handeln, da die neue ss - ß Regulierung ja gerade den Zweck hatte, Ausnahmen zu beseitigen. Es muss etwas anderes dahinter stecken.

Vielen Dank!

H.

Hallo Harri,

das einzige, was mir gerade einfällt (gilt allerdings nur für die Substantive), ist der Plural: Spieße und Strauße haben auch im Plural ein stimmloses s, Häuser, Mäuse und Läuse aber ein stimmhaftes.
Nur so eine Idee.

Gruß, Andreas

Nicht berücksichtigte ‚Auslautverhärtung‘

Hallo!

Jau!

Nach den gültigen, überarbeiteten neuen Rechtschreibregeln von
2006 wird bei [s] (stimmloses, scharfes s) ein ß geschrieben,
wenn es
a) auf einen langen Vokal oder
b) auf einen Diphthong folgt

Du zitierst den Anfang von §25 der gültigen, überarbeiteten neuen Rechtschreibregeln von 2006 [http://www.neue-rechtschreibung.de/regelwerk.pdf ]. Die nächste Zeile dieser Regel lautet übrigens:

Ausnahme: „aus“
Zur Schreibung von [s] in Wörtern mit Auslautverhärtung wie Haus, graziös,
Maus, Preis siehe § 23.

Wenn wir nun dort, in §23, nachsehen, finden wir:
Die in großen Teilen des deutschen Sprachgebiets auftretende Verhärtung
der Konsonanten [b], [d], [],[v] und [z] am Silbenende sowie
vor anderen Konsonanten innerhalb der Silbe wird in der Schreibung
nicht berücksichtigt.

Da das ‚s‘ des Hauses (sic) in flektierten und abgeleiteten Formen (Häuser, hausen, zu Hause) weich ist, wird auch das Haus selbst so geschrieben.

Gruß,
Ralf

Moin, harri,

Warum werden dann die Wörter Haus, Maus, aus, raus, Laus aber
auch tendenziös nicht mit ß geschrieben?

hör die mal die Verben hausen, mausen, lausen an, da wird deutlich, dass das s nicht ganz so stimmlos ist, wie es im Substantiv erscheint.

Um Ausnahmen kann es sich nicht handeln, da die neue ss - ß
Regulierung ja gerade den Zweck hatte, Ausnahmen zu
beseitigen.

Ach ja? Gab es da etwa noch mehr so gute Absichten?

Gruß Ralf

Hallo H.!

Warum werden dann die Wörter Haus, Maus, aus, raus, Laus aber
auch tendenziös nicht mit ß geschrieben? Kann mir jemand die
diesen Fällen zugrunde liegende Regeln verraten?

Diese Frage wurde Dir ja schon perfekt beantwortet.

Um Ausnahmen kann es sich nicht handeln, da die neue ss - ß
Regulierung ja gerade den Zweck hatte, Ausnahmen zu
beseitigen.

Erst einmal muss eine Regulierung, die einen bestimmten Zweck hat, diesen nicht auch erfüllen. (Sonst müsste man tatsächlich aus, (he)raus, hinaus, voraus usw. mit ß schreiben, was aber dann doch zu unnatürlich erschien.)
Zweitens hat zwar die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung prinzipiell das Ziel verfolgt, die Zahl der Ausnahmen zu reduzieren; daran hat allerdings die ss/ß-Regel keinen Anteil, denn außer den erwähnten Ableitungen von „aus“ gab es auch früher keine Ausnahmen, nur halt eine mögliche Situation, in der „ß“ geschrieben wurde und heute „ss“ geschrieben wird - vollkommen regelmäßig.
(Wenn’s Dich interessiert: Die Situation war: Auf kurzen Vokal folgt s-Laut, und dann ein weiterer Konsonant oder nichts mehr. Demnach: läßt, mußt, Viertkläßler; Fluß, Rußland, Kußmund etc. Hier hat die Reform also nichts weiter erreicht, als die entsprechenden Wörter zu verlängern.)

Liebe Grüße
Immo

Moin, Immo,

(Wenn’s Dich interessiert: Die Situation war: Auf kurzen Vokal
folgt s-Laut, und dann ein weiterer Konsonant oder nichts
mehr. Demnach: läßt, mußt, Viertkläßler; Fluß, Rußland,
Kußmund etc. Hier hat die Reform also nichts weiter erreicht,
als die entsprechenden Wörter zu verlängern.)

immerhin folgt die Schrift damit der Aussprachet, Kuss und Stuss klingt nun mal anders als Fuß und Gruß. Obwohl - das als Grund klingt viel zu logisch. Was die wahren Motive waren, wird uns wohl für immer verschlossen bleiben.

Und wenn mir die Einflusssphäre begegnet, vermisse ich die alte Schreibweise doch ein wenig. Aber auch nur dann :smile:

Gruß Ralf

Hallo,

(Wenn’s Dich interessiert: Die Situation war: Auf kurzen Vokal
folgt s-Laut, und dann ein weiterer Konsonant oder nichts
mehr. Demnach: läßt, mußt, Viertkläßler; Fluß, Rußland,
Kußmund etc. Hier hat die Reform also nichts weiter erreicht,
als die entsprechenden Wörter zu verlängern.)

Stimmt so nicht ganz: Doppel-s war an einer Silbenfuge (korrekter Ausdruck?) - also wenn ein „s“ zur ersten, ein zweites „s“ zur zweiten Silbe gehörte. Wenn beide „s“ zur gleichen Silbe gehörten, dann „ß“. Also fiktives Beispiel: „Flußecke“, weil „Fluß-ek-ke“ - jetzt „Fluss-e-cke“ (wobei einbuchstabige Silben evtl. 2005 wieder abgeschafft wurden, da bin ich nicht ganz informiert).

So hieß es „Kuß-mund“, aber „küs-sen“, „Ruß-land“, aber „Rus-se“ - jetzt einheitlich nach Silbentrenn- und ß/ss-Regel kombiniert „Kuss-mund“, „küs-sen“, „Russ-land“, „Rus-se“.

Jetzt ist die Länge des vorangehenden Vokals entscheidend - eine meines Erachtens viel einfachere Regel.

Gruß Bombadil2

Hallo,

ergänzend noch der Hinweis, dass die neue „ß/ss“-Regel ausschließlich das Verhältnis von ß und ss regelt. Da wo früher einfaches „s“ war, blieb es auch.

Man könnte im Sinne einer echt phonetischen Sprache dieses bedauern - aber die genannten Beispiele Mauß - Mäuse etc. zeigen, dass durch eine entsprechende Änderung die Rechtschreibung ziemlich komplex würde.

Viele Grüße

Bombadil2

Wow! Perfekt erklärt! o.w.T.
.

Hallo,

ergänzend noch der Hinweis, dass die neue „ß/ss“-Regel
ausschließlich das Verhältnis von ß und ss regelt. Da wo
früher einfaches „s“ war, blieb es auch.

Man könnte im Sinne einer echt phonetischen Sprache dieses
bedauern - aber die genannten Beispiele Mauß - Mäuse etc.
zeigen, dass durch eine entsprechende Änderung die
Rechtschreibung ziemlich komplex würde.

Iç hábə šón leŋər ýbərlékt ví dojtš awszéə ven man es in fonétišər (ódər besər: fonémišər) ortógrafí šrajbən vyrdə. Eventu’el köntə das zó hír awszéən.

Na já, iç géps ja tsú: majn komentár hír vár jetst núr um tsú tsajgən, vas iç mír fór leŋərər tsajt mál awsgədaxt hatə.

Lustiç, nə? :wink:

  • Antré
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Hallo Bombadil2!

(Wenn’s Dich interessiert: Die Situation war: Auf kurzen Vokal
folgt s-Laut, und dann ein weiterer Konsonant oder nichts
mehr. Demnach: läßt, mußt, Viertkläßler; Fluß, Rußland,
Kußmund etc. Hier hat die Reform also nichts weiter erreicht,
als die entsprechenden Wörter zu verlängern.)

Stimmt so nicht ganz: Doppel-s war an einer Silbenfuge
(korrekter Ausdruck?) - also wenn ein „s“ zur ersten, ein
zweites „s“ zur zweiten Silbe gehörte.

Was auf dasselbe hinausläuft, es hört sich nur komplizierter an. Das einzige, was ich wirklich (und bewusst) unterschlagen habe, waren Wortfugen, sodass sich die „Nussecke“ früher ebenso wie die „Nuss“ mit „ß“ schrieb. Warum allerdings die beiden „s“ in „Russen“ zu verschiedenen Silben gehören sollen, musst Du jemandem, der an eine eindeutige Laut-Buchstaben-Zuordnung gewöhnt ist (oder gewöhnt wird) erst einmal erklären, denn schließlich spricht man hier denselben s-Laut wie in „rußen“, nur das u ist anders.

jetzt „Fluss-e-cke“ (wobei
einbuchstabige Silben evtl. 2005 wieder abgeschafft wurden, da
bin ich nicht ganz informiert).

Deine Vermutung stimmt. Fluss-ecke ist die einzig mögliche Trennung.
(Mal davon abgesehen, dass ich beim besten Willen nicht verstehe, warum man ck nicht trennen darf. Wenn ich Wan-ne, Kat-ze, sin-gen trenne, obwohl ich nur einen Laut höre, warum dann nicht Zuc-ker? Aber zum „Ausgleich“ trennt man ja jetzt das st.)

Jetzt ist die Länge des vorangehenden Vokals entscheidend -
eine meines Erachtens viel einfachere Regel.

Ja, es ist in der Tat eine Entscheidung weniger zu treffen: Früher war das Schema:

 s-Laut
-----------------------------------------------------------
langer Vokal || kurzer Vokal
-----------------------------------------------------------
stimmlos | stimmhaft || danach Vokal | danach Konsonant,
 | || | Wortende oder -fuge
-----------------------------------------------------------
 ß | s || ss | ß

Jetzt ist auf der rechten Hälfte der Tabelle nur noch „ss“ zu finden.

Allerdings galt damals wie heute das Prinzip, dass man verwandte Wörter ähnlich schreibt, weshalb es „sie rast“, aber „sie rußt“ heißt, wegen „rasen“ mit stimmhaftem und „rußen“ mit stimmlosem s-Laut. Dies war der eigentliche Beweggrund, die Neuregelung zu treffen, damit „Fluss“ und „flüssig“ gleich aussehen. Dass dadurch allerdings „Fluß“ und „fließen“ nicht mehr zusammenpassen, fällt allen Verfechtern der Reform erst auf, wenn man sie darauf hinweist. (Geschätzte 90% der Schüler, die beides gelernt hatten - und wohl auch gelernt [im Sinne von auswendig gelernt] hatten, dass die Regelung Wortfamilien besser zusammenfasst - erklärten mir die Vereinfachung vollkommen überzeugt am Beispiel Fluss/flüssig, woraufhin ich - ebenso überzeugt - mit Fluss/fließen konterte.)
Ohne eine phonemische Schreibung ist dem Problem halt nicht beizukommen.

Liebe Grüße
Immo

Hallo André!

Iç hábə šón leŋər ýbərlékt ví dojtš awszéə ven man es in
fonétišər (ódər besər: fonémišər) ortógrafí šrajbən vyrdə.
Eventu’el köntə das zó hír awszéən.

Na já, iç géps ja tsú: majn komentár hír vár jetst núr um tsú
tsajgən, vas iç mír fór leŋərər tsajt mál awsgədaxt hatə.

Lustiç, nə? :wink:

Daafüür gipts ain Schternchen!

Auch ich haabe schon* des Öfteren üüber aine foneemische Rechtschraibung naachgedacht. Ich kaam da bai sogaar oone noie, un-gewoonte Buuchschtaaben aus, unt maines er Achtens wich ich da bai nicht ain Maal alzuseer fom fer trauten Schriftbilt ap.
Daadurch weerden, zugegeebener Maaßen, dii Wörter etwas lenger (bai Diir weerden sii jaa eeer kürzer); aaber es komt nicht meer zu Rechtschraipprobleemen.

(Da war jezt gar kain ß/s-Probleem da bai! Also hiir noch ainmal extra zur Ilustrazioon:

Dii Rußen sint ain Folk in Ost-oiroopa. Ruußen ist das, was aine Kerze tuut. Eine Faaser gipts in Muskeln, ain Faßer ist halt jemant, deer etwas fast. Unt entlich kan ich deen Fusel (nicht deen Fuusel, also deen schlechten Schnaps, sondern dii Fluuse) auch soo schraiben, wii ich iin wirklich ausschpreche - neemlich nicht als Fußel.

Das selbe Prinziip lest sich natüürlich auch umsezen, wen man dii Wokaalkürze bezaichnen würde unt dii Lenge unbezaichnet liiße. Das leese sich dan soo:

"Di Rußßen sinnt ain Follk in Osst-oiropa. Rußen isst dass, wass aine Kerrze tuut. … "

Diise Wariante haabe ich nicht fer folkt, wail es fiil meer kurze Wokaale gipt.)

Das Probleem ainer foneemischen Schrift liikt aler Dings klar auf deer Hant: Es ist nicht mööklich, aine ge mainsame doitsche Schriftspraache auf diiser Gruntlaage zu er schafen.

Liibe Grüüße
Imo

* Ich schpreche „schon“ taatsechlich mit kurzem „o“.

Bewundernswert!

Gruß Bombadil2