Warum nannte Weikard, was man heute Psychologie nennt, „philosophische Arzeneykunst“, und seit wann spricht man eigentlich von Psychologie?

Guten Tag!

Durch philosophische Arzeneykunst verstehe ich eigentlich diejenige, welche sich damit beschäftigt, die Kräfte und Gebrechen des Verstandes und Gemüthes zu erforschen, zu leiten, und durch physische und moralische Hülfsmittel in gehörigem Stande zu erhalten, oder sie wieder dahin zu bringen, wenn eine Abweichung geschehen ist.

  • Melchior Adam Weikard: Der philosophische Arzt (1799)

Das hier sollte es klären:


Zu seiner Zeit gab es das Wort Psychologie als Begriff noch gar nicht!

Der Wiki-Artikel kann die Frage nicht wirklich klären, weil es a) zu Weikards Zeiten den Begriff „Psychologie“ eben sehr wohl schon gab und b) Weikard auch gar nicht Psychologie (weder im damaligen Sinn noch im heutigen Sinn) meint.

Was Weikard vermutlich noch (knapp) fehlt ist eher der Begriff der Psychiatrie und sowieso noch (weniger knapp) der Begriff der Psychotherapie.

Insofern ist „philosophische Arzeikunst“ von dieser Seite her leicht nachvollziehbar.

Weikard hätte aber auch z.B. einen Begriff wie. „medicina mentis“ nutzen können. Warum er das nicht tat, müsste man genauer hinschauen. Vielleicht war der zu seiner Zeit schon wieder „out“.
Ich weiß es nicht, da müsste ich selbst ins Blaue googeln …

Gruß
F.

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Manchmal liegt so etwas einfach nur an der Tagesform!

Warum er das nicht tat, hat wohl ganz einfach den Grund, daß der Gegenstandsbereich der Medicina mentis (Logik, Rhetorik, Argumentaionstechnik, Methodologie, Erkenntnistheorie) mit den Bemühungen von Weikard gar nichts zu tun hat :smile:

Da du dich ja mutmaßlich auf → Tschirnhaus (1651-1708) beziehst, wäre wohl eher der ebenfalls von diesem pointierte Begriff der → „Medicina corporis“ in Frage gekommen. Denn dieser ist es, der sich mit den Gegenstandsbereichen der o.g. Abhandlung von Weikard teilweise überschneidet.

Gruß
Metapher

Von Tschirnhaus her ist der Begriff natürlich bekannt.
Ich hab ihn aber eh nur gänzlich exemplarisch und da nicht speziell auf Tschirnhaus bezogen gemeint, sondern so: „Als Titel moralphilosophischer oder logischer Traktate -so bei Joachim Lange oder Ehrenfried Walther von Tschirnhaus- ist die auf Cicero zurückgehende medicina mentis dem 17. und 18. Jahrhundert geläufig.“ (Deupmann, ‚Furor satiricus‘: Verhandlungen über …)

und

Leibniz stellt seine Entwürfe zum Naturrecht in die Tradition der medicina animi bzw. medicina mentis, wie sie in Anknüpfung an Platon und Epikur seit Cicero als Ergänzung zur Körperheilkunde gefordert wurde. Er reduziert die geistige Arznei also nicht -wie zahlreiche Zeitgenossen und Nachfolger (z.B. Tschirnhaus …) - auf das Formallogische.“ (Busche, Leibniz’ Weg ins perspektivische Universum)

Für sooo abwegig halte ich diesen Begriff also in Bezug auf Weikart bzw. auf die Fragestellung des TE nicht. Er ist ja eben nicht auf Tschirnhaus’ Gebrauch und daher auf „Logik, Rhetorik, Argumentationstechnik, Methodologie, Erkenntnistheorie“ beschränkt gewesen.

Gruß
F.