Warum's'zwischen 2 Wörtern und dann wieder nicht?

Warum kommt manchmal ein "s"zwischen 2 zusammengeführten Wörtern und dann wieder nicht?? Das fragte mich vor kurzem ein Ausländer (GB).
Ich sagte Ihm: weiß ich auch nicht, dass musst man auswendig lernen.
Aber das kann doch auch nicht sein… oder? Weiß jemand die Gesetzmäßigkeit für zB. folgende Beispiele:

Vertragsabschluss (Vertrag „s“ abschluss warum das S?)
Eintrittsalter (Eintritt „s“ alter warum das S?)
Gebietsleiter (Gebiet „s“ leiter warum das S?)

Wenn schon ein s, dann sollte es doch immer so sein, aber hier ist es nicht der Fall:

Gesamtsumme (hier ist kein „s“ zw. den 2 Wörtern)
Telefonzelle (hier ist kein „s“ zw. den 2 Wörtern)
Zeitbombe (hier ist kein „s“ zw. den 2 Wörtern)

Vereinshaus (hier sind beide Wörter sehr ähnlich
Versandhaus und eins mit und eins ohne „s“ ???)

Gitarrenspieler (hier sind beide Wörter sehr ähnlich
Gemeinschaftsspiel und eins mit und eins ohne „s“ ???)

Kulturstätte (hier sind beide Wörter sehr ähnlich
Begegnungsstätte und eins mit und eins ohne „s“ ???)

Informationszentrum(hier sind beide Wörter sehr ähnlich
Stadtzentrum und eins mit und eins ohne „s“ ???)

Weis jemand die Gesetzmäßigkeit? Ich denke die 14 Wortzusammensetzungs-Beispiele zeigen meiner Meinung nach eine
Ungesetzmäßigkeit, aber ich hoffe ich täusche mich und es gibt eine
Erklärung, danke für jede Antwort.

MfG Sascha S.

Hallo,
Klingt komisch, das zu sagen, aber leider hast du Recht. Es gibt Tendenzen, aber leider kein allgemeingültiges Gesetz. Auch die verbreitete Vorstellung, das Fugen-S (manchmal auch Fugen-N) hätte etwas mit dem Plural oder dem Genitiv zu tun, ist falsch. Manchmal sieht’s so aus wie der Genitiv oder der Plural, manchmal aber wieder nicht.

Man könnte sagen, was besser klingt, wird benutzt, und oft stimmen die Benutzer des Deutschen da auch überein, manchmal allerdings auch wieder nicht (mir fallen grad keine Beispiele ein, das ruhrdeutsche „Brat s kartoffeln“ war glaube ich nur ein Scherz). Das ist leider eine sehr enttäuschende Antwort, vor allem für einen Ausländer, der dafür gerne eine Regel hätte…

Liebe Grüße,

  • André

Hallo,

ich stimme André zu, mit einer kleinen Einschränkung:
Regeln gibt es zwar nicht, aber ein paar „Richtwerte“:

so schreibt man z.B. Wörter, deren erster Teil auf -heit, -keit, -schaft, -tät, -ling, -ung, -ion und Wörter, die auf -en enden im Allgemeinen MIT Fugen-s, aber auch dieser Richtwert hat Ausnahmen.

Auch bei Zusammensetzungen, deren erstes Wort mit einem Zischlaut endet, steht im Alllgemeinen KEIN Fugen-s

ebenso eine gewisse Regelmäßigkeit (allerdings auch mit Ausnahmen) gibt es bei Wörtern, deren erster Teil auf - er endet. Sie haben oft kein Fugen-s

Außerdem gibt es regionale Unterschiede. Das Süddeutsche und Österreichische verwendet das Fugen-s oft, wo es in nördlicheren Regionen komisch klingen mag.

Gruß, jenny

Moin, André,

mir fallen grad keine Beispiele ein

die Mietkaserne heißt im Ruhrgebiet gerne Miezkaserne :wink:

Gruß Ralf

Moin Sascha,

zur Ergänzung von Jennys Kommentar ein Zwiebelfisch-Artikel:
http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,293…
und das Thema bei canoo:
http://www.canoo.net/services/WordformationRules/Kom…

Grüße
Pit

Hallo Sascha,
Fugenelemente (so wird diese Erscheinung genannt) sind ein sehr spannendes Phänomen der Sprache. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich tief in der Phonetik und den Silbenbaugesetzen verborgen. Den derzeitigen Stand der Forschung kenne ich nicht, aber ich vermute mal, daß dabei keine Regel herauskommen wird, mit der man einem Ausländer das Deutschlernen erleichtern könnte.

Wie Du schon aus dem Begriff Fugenelente heraushören kannst, gibt es mehr als nur das „s“. Deswegen fällt auch dieses Beispiel von Dir aus der Reihe:

Gitarrenspieler (hier sind beide Wörter sehr ähnlich

Gitarrenspieler hat zwar kein „s“, aber ein „n“ als Fugenelemt. ein drittes Fugenelement ist „(e)r“ wie z.B. in Rinderbraten.

Fugenelemente sehen zwar oft aus wie Plural- oder Genitiv-Endungen, sind aber keine Flexionselemente. Dafür gibt es zwei Gründe:

  1. Sie treten auch an Wörten auf, die ganz anders flektiert werden: Tagung hat keinen s-Genitiv und auch keinen s-Plural, trotzdem heißt es Tagung-s-band.

  2. Sie treten auch dort auf, wo die Flexion inhaltlich widersinnig ist. Ein Rind-er-braten wird aus nur einem Rind gemacht, ebenso der Schwein-e-braten. Umgekehrt fehlt das Fugenelemnt an einigen Stellen, an denen es inhaltlich Sinn machen würde - das hat schon Karl Valentin festgestellt: Der Semmelnödel heißt nicht Semmelnknödel, obwohl er aus mehreren Semmeln gemacht wird. :smile:

Ob ein Wort mit oder ohne Fugenelement gebildet wird (oder auch: mit welchem Fugenelement), unterliegt zudem regionalen Schwankungen. In einem österreichischen Buch fand ich Zugsleitstelle, in Deutschland heißt das Zugleitstelle. Der Schweinebraten ist in Bayern ein Schweins braten. Aus den Namen der Steuern wurde von Staats wegen jedes Fugenelement verbannt; trotzdem sprechen viele von Einkommenssteuer und Mehrwertssteuer, mit einem deutlich hörbaren s.

In einigen wenigen Fällen haben sich für Formen mit unterschiedlichen Fugenelementen unterschiedliche Bedeutung herauskristallisiert: der Kinderkopf ist kein Kindskopf. Das sind allerdings Einzelfälle, die nur bei diesen Wörtern auftreten und aus denen sich keine Wortbauregel ableiten lässt. Der Germanist spricht hier von einer „lexikalisierten“ Bedeutung, also einer Bedeutung, die über die Bedeutung der einzelnern Wortbestandteile hinaus geht und erst „gelernt“ werden muss. Das Fugenelement an sich trägt keine inhaltliche Bedeutung.

Gruß,
Max

Hallo,

zur Ergänzung von Jennys Kommentar ein Zwiebelfisch-Artikel:
http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,293…
und das Thema bei canoo:
http://www.canoo.net/services/WordformationRules/Kom…

… und natürlich im Archiv von www:
http://www.wer-weiss-was.de/app/search/global?search…

Gruß
Kreszenz

Hallo,

und noch eine Ergänzung zum Fugen-s …

Früher gab es im Deutschen auch das „i“, wie in Nachtigall oder Bräutigam.

Hallo Sascha,

hier eine Untersuchung zum Fugen-s für Linguisten. Hoffentlich halbwegs verständlich. Wahrscheinlich eher kompliziert. Im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht empfiehlt man bezüglich der Wortbildung dann eher keine Fuge zu setzen. Man streitet sich darüber, ob die Fuge gesetzt wird, um dem Sprecher die Aussprache zu erleichtern (was im Folgenden verneint wird) oder ob sie eher gesetzt wird, um dem Hörer die Dekodierung zu erleichtern.

zur Form/zu Besonderheiten:

Fugen-s

  • tritt sogar an feminine Stämme, obwohl sich an diese im Genitiv kein -s anschließt
    Beispiele: Arbeit-s-amt, Liebe-s-erklärung (unparadigmisches –s); die Überschreitung dieser formalen Grenze, zeugt von der hohen Produktivität der s-Fuge
  • Signalisiert Grenze zwischen Erst- und Zweitglied, da sie äußerst selten an Simplizia herantritt
  • Verhindert als einziges Fugenelement nicht die Aufeinanderfolge zweier betonter Silben
    Beispiel: Amt-s-diener
  • Öffnet den Stamm nach Suffixen wie –keit, -heit, igkeit, -schaft, -ung, -tum, -sal, -ling
  • -s und -n sind am unabhängigsten vom Flexionssystem
  • Fugen-s ist als einziges FE klassen- und genusüberschreitend

Zur Funktion:

Syntaktische Funktion
Häufig wird angenommen, dass das Fugen-s, das seinen Ursprung im Genitiv hat, das Begriffsverhältnis des Genetivs verdeutlichen soll. Die Genetivkomposita könnten also als Versuche der Verdeutlichung der Komposita gelten.
Beispiele: Schweinsleder – des Schweines Leder
Heute nur noch Relikte!

Morphologische Funktion

  1. FE (Fugenelemente) zeigen die Zusammengehörigkeit (Morphologisierung) von Komposita an.
    Beispiel: richtungsweisend
  2. Bevorzugung von FE nach polymorphemischen ersten Konstituenten.
    Beispiel: Friedhof aber Friedhofsmauer
    Sie unterstützen so die richtige Segmentierung und Hierarchisierung der an der Oberfläche vorhandenen Kompositionsglieder.
    Beispiel: Handwerkszeug: Handwerk + zeug, nicht Hand + Werkzeug
    Dafür spricht auch, dass nur Determinativkomposita verfugt werden.
  3. FE öffnen den Stamm, den Derivationssuffixe bereits geschlossen hatten.
    Beispiel: Liebling - *Lieblingfilm, aber Lieblingsfilm

Prosodisch-syllabische Funktion
Die s-Fuge stärkt den rechten Wortrand. Nach Plosiven bildet es sogar ein extrasilbisches Element.
Beispiel: Kriegsgegner

Nicht Vereinfachung der Artikulation, im Gegenteil sogar schwieriger, da extrasilbisch

Jamben werden zuverlässig verfugt (Beruf-s-name)

Insbesondere nach derivationell komplexen Erstgliedern, weil Derivate Jamben bilden können und deshalb schlechtere phonologische Wörter sind als solche mit Initialakzent (da kein Trochäus)

Anzeige des phonologischen Wortrands

Literatur von: Fuhrhop, Kürschner, Szczepaniak/Nübling

Viele Grüße
Natalie

die Mietkaserne heißt im Ruhrgebiet gerne Miezkaserne :wink:

Nicht nur dort, es heißt fast immer Mietskaserne. Ooch hior bei uns in Leipz’sch… Google findet unter Ausschluss des jeweils anderen Begriffs:

Mietkaserne = 858×
Miet s kaserne = 21.500×

Miezkaserne erreicht übrigens stolze 1.480 Treffer. :wink:

Gruß,

  • André

ich stimme André zu, mit einer kleinen Einschränkung:
Regeln gibt es zwar nicht, aber ein paar „Richtwerte“:

Genau das meinte ich mit den Tendenzen, die es gibt. :smile:

Gruß,

  • André

Auch wenn ich nicht der ursprüngliche Fragesteller war: Meiner Meinung nach eine sehr gute Erklärung und Deutung des Ganzen! Dafür ein Stern.

Aber auch dafür, weil du keinen Skrupel hast, „Sinn machen“ zu benutzt. Und warum auch? Ist ja nicht falsch. :smile:

Grüße,

  • André

off topic
Bei der Bundeswehr gab es damals „Essenmarken“. Wann immer jemand so töricht war zu fragen, wann wir denn neue „Essen_s_marken“ kriegen, war der Moment der Unteroffiziere gekommen. Sie konnten dann nämlich klugscheißerisch schreien, dass es „Essenmarken“ heißen würde, weil man ja schließlich auch nicht „Scham_s_lippe“ sage. Auf meine Frage, was denn dann mit „Tenni_s_platz“ wäre, konnten sie aber in der Regel nicht so eloquent antworten.
Gruß,
#.